Da ist er, mein Wort-Schatz: herzzerreißend! Seit Jahrzehnten bin ich das, was man als Bücherwurm oder Leseratte bezeichnet, und immer wieder sind es die anrührenden Szenen, die ich körperlich empfinde – eben als herzzerreißend. Selten passiert es, dass ich bei einer späteren Gelegenheit über solche Stellen gleichgültig hinweglese. Meistens »reißen« die Wörter oder Sätze wie beim ersten Mal.
Unser Enkel war kürzlich mit der Schulklasse nach London unterwegs. Da erinnerte ich mich meiner ersten Klassenreise im Jahr 1951. Ein Bus brachte uns von Hamburg in die Lüneburger Heide. 18,50 Mark mussten unsere Eltern für die zwölf Tage in der Jugendherberge zahlen, was niemandem leichtfiel. In den Wochen zuvor hatten wir Altpapier gesammelt, der Erlös aus dem Verkauf beim Trödler schloss die finanziellen Lücken. Unsere Lehrerin belohnte ihre Schüler ob der Selbsthilfe, etwa mit einem Reclam-Heft mit Widmung »für fleißiges Sammeln«. Vierzig Jahre später übernachteten die Überlebenden der Klasse zur Erinnerung noch einmal in dieser Herberge, aber das ist auch schon wieder lange her …
Eben auf dem Flughafen Düsseldorf gelandet. Als ich mit Koffern, Rucksack und Handtasche in den schon fahrbereiten Zug umsteigen will, stupst mich eine Frau an: »Hier, Ihr Fotoapparat!« Eben noch befand sich der Apparat mit 1.160 Urlaubsbildern aus Madeira in der Tasche. Was war passiert? Ich werde es wohl nie erfahren, aber ich bin der Frau zutiefst dankbar.
Wenn meine vierjährige Tochter nachts um drei Uhr nach mir ruft, auf meine Frage, was denn sei, mit »Mama, ich hab dich ganz doll lieb!« antwortet und dann zufrieden weiterschläft.
Da es in dicht bebauten Innenstädten wenig freies Schussfeld für Flugabwehrkanonen gab, ließ das Reichsluftfahrtministerium im Zweiten Weltkrieg riesige Bunker mit Abschussrampen für diese Geschütze errichten. In Wien entstand so etwa der Flakturm im Esterhazypark. Vier Jahre nach Kriegsende wurde mein Bruder Dominik am 5. September 1949, an seinem ersten Schultag, vor diesem Turm fotografiert. Nun, 63 Jahre später, ist mein Bruder nach einem langen, erfolgreichen Berufsleben als Vermessungsingenieur bereits in Pension. Der Turm wird heute vom Haus des Meeres genützt, von einem Aqua-Terra-Zoo mit Tropenhaus auf einer der Längsseiten der Fassade. An einer der Schmalseiten hat der Österreichische Alpenverein eine Kletterwand eingerichtet. Und seit einiger Zeit darf auch die Aussichtsplattform wieder betreten werden, die einen großartigen Blick über Wien ermöglicht.
Pirat unterwegs im schwedischen Enköping nahe Stockholm.
Jochen Sandmann, Stuttgart
… in Florenz
Ein privates Foto vom Florenzbesuch im letzten Jahr, das zeigt, dass die Schildbürgerstreiche schon geschäftig in einer Werkstattgalerie vertrieben werden.
Ein Hospiz zu haben – hier in unserer kleinen Stadt –, in dem unsere Mutter und Großmama in liebevoller Umsorgung ganz ruhig und beschwerdelos einschlafen durfte.
Es gibt Kärntner Lieder, die sehr wehmütig und traurig klingen. Kürzlich habe ich einige auf der Geiersberger Alm gehört. Ich konnte meine Tränen kaum zurückhalten.
Dass ein guter Freund nach seiner Gehirntumoroperation und sieben Monaten im Wachkoma auf meine uns beiden vertraute Frage »Was lebt heute in dir?« die Antwort gab: »Dankbarkeit und Zufriedenheit.« Seither redet er wieder in ganzen Sätzen, leise zwar, aber völlig klar.