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Das Kreuz mit dem Schiff

(Nach Johann Wolfgang von Goethe, »Mignon«)

Kennst du das Schiff, die Meere pflügt es kühn,
Wo Geister, zahllos, sich um dich bemühn,
Wo selbst des Schiffes Schraube sich um dich dreht,
Ein Herr im Dinnerjacket auf der Brücke steht.
Man will dein Wohl.
Damit! Damit
Den Alltag du vergisst vor Hua Hin.

Kennst du sein Reich? Eng, schwankend – mach
Dir nichts vor: Kabinen hundertfach.
Dein Leid fängt oft mit sanftem Rollen an,
Wenn die Zyklone sich von Weitem nah’n
Dem abgelegensten Atoll.
Dahin! Dahin
Die Zeit, da lockend noch die Sonne schien.

Kennst du den Gast? Im Deckchair liegt er träg,
Von backbord tönt die Hauskapelle schräg,
Sein Cocktailglas ist leer – er voll Entdecker-Mut:
Vom Abenteuer-Feuer noch ein Rest an Glut.
Cheers, prost und skål!
Dafür! Dafür
Kann man doch mal sein Konto überziehn!

Kurt Wagner, Bonn

 

Was mein Leben reicher macht

Wenn sonntagmorgens die Turmbläser der Herrenberger Stiftskirche ein Lied spielen, bei Sonne, Nebel, Schnee und Regen. Ich höre ihnen vom Fenster aus zu, schaue auf unser schönes Fachwerkstädtchen und erwidere den zum Schluss vom Turm heruntergewinkten Gruß.

Doris Keller-Riehm, Herrenberg

 

Was mein Leben reicher macht

Seit Kurzem trifft sich meine Mutter monatlich mit ihren vier Schwestern zum »Schwesternabend« – dieses Mal bei uns zu Hause. Es wird viel geredet und noch viel mehr gelacht. Es freut mich, dass sie sich nach so langer Zeit noch so gut verstehen. Das wünsch ich mir für meine vier Brüder und mich auch …

Levin Krassel, Celle

 

Nachricht vom Postboten

Mai 1986, der Urlaub stand kurz bevor. Doch das Kofferpacken mit meiner Freundin in Hamburg wurde jäh unterbrochen: Ich hatte meinen Pass zu Hause in Bremerhaven vergessen! Ein netter Kollege schickte ihn mir per Eilzustellung nach. Der Brief erreichte mich zwar noch rechtzeitig – aber erst mit der zweiten Zustellung. Der erste Versuch wurde gar nicht erst unternommen – wie vom Postboten auf der Rückseite des Briefumschlages dokumentiert: »wegen Regen nicht zugestellt, 5. 5. 20:50«. Der Grund: Neun Tage vorher hatte sich der katastrophale Unfall von Tschernobyl ereignet, und der Regen hatte begonnen, den radioaktiven Fallout aus der Atmosphäre zu waschen.

Hannes Grobe, Bremerhaven

 

Was mein Leben reicher macht

Als junge Frau habe ich jahrelang in einem Chor gesungen. Jetzt tue ich das wieder. Und weil ich so viel Freude daran habe, schenkt mein Mann mir Einzelunterrichtsstunden. Er sagt: »Ich brauche nicht mehr als dich, wenn du singst!« Wir sind seit 37 Jahren verheiratet.

Wiebke Damerius, Reinbek bei Hamburg

 

Die Kritzelei der Woche

Letztens habe ich meine Ordner der Oberstufe durchgesehen und bin dabei auf diese Deckelinnenseite gestoßen. Sie erinnert mich an eine Zeit, die gefüllt war mit Lernen.

Laura Rehbein, Hitzacker, Niedersachsen

 

Von Hand

Auch in der Wesermarsch ist der Trend des Urban Knitting (»städtisches Stricken«) offensichtlich angekommen. Oder vielleicht sollte man in diesem Fall lieber von Rural Crocheting sprechen, von »ländlichem Häkeln«?

Sabine Lahl, Münster

 

Was mein Leben reicher macht

Die Zeit der blauen Stunde im Tal der Ardèche. Ein Aigle de Bonelli, ein Habichtsadler, taucht oben über den Kalkfelsen auf und dann noch ein zweiter. Gemeinsam gleiten sie durch die Abendluft. Und ich fliege ein Stück mit. Himmlisch schön, das zu erleben.

Angelika Angermeier, Frankfurt am Main