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Was mein Leben reicher macht

Meine Großmutter möchte mir telefonisch zum Namenstag gratulieren. Da sie mich nicht erreicht, spricht sie auf meine Mailbox. Zum ersten Mal in ihrem Leben hinterlässt sie eine Nachricht auf einem Anrufbeantworter. Mit 83 Jahren.

Ralf Stollenwerk, Bonn

 

Wiedergefunden: Teure Buße

In alten Unterlagen fand sich dieser Bußgeldbescheid gegen meinen Großvater aus dem Jahr 1923 über 110 Milliarden Mark (der Löwenanteil davon für Porto und Bearbeitungsgebühren). Das Delikt: Unbefugtes Fahren mit dem Fahrrad auf dem Bürgersteig, immerhin mit Beleuchtung und »Klingelvorrichtung«. In der Zeit der großen Inflation, in der kaum noch etwas Bestand zu haben schien, hat sich ein Polizeiwachtmeister ganz unbeeindruckt seinem Tagesgeschäft gewidmet und sich – bis ins Kleinste – um Recht und Ordnung gekümmert. Wird er diese Akribie auch nach 1933 noch an den Tag gelegt haben? Wollen wir hoffen, dass er vorher die Pensionsgrenze erreicht hat.

Heinrich Iversen, Hamburg

 

Was mein Leben reicher macht

Mein Blick fällt durch die Glastür ins Wohnzimmer: Mein 24-jähriger Sohn ist auf dem Sofa eingenickt. Er ist für ein paar Tage von seinem Studienort nach Hause gekommen. Auf seiner Brust schläft seine Katze. Vor bald 20 Jahren ist sie als 300-Gramm-Bündel zu uns gekommen, eine Tierschützerin hatte sie vor dem Tod durch Erschlagen bewahrt. Ich erinnere mich noch, wie der kleine Junge auf ebendiesem Sofa saß, das kleine Kätzchen auf seinem Schoß. Aus dem Kind von damals ist ein junger Mann geworden, voller Energie und Lebenshunger. Die Katze ist jetzt alt, dürr, taub und leicht dement. Wie anrührend und kostbar diese kurze Zweisamkeit ist!

Doro Kammerer, Grafrath, Oberbayern

 

Was mein Leben reicher macht

Mit den Kindern im Würzburger Steinbachtal zwei Tüten voll Bärlauch sammeln, ihn zu Pesto, Suppe und Quiche verarbeiten und dann Bärlauchgerichte in allen Variationen essen.

Kerstin Celina, Kürnach bei Würzburg

 

Mutterseelenallein: Mein Wort-Schatz

Eigentlich bin ich fast 84 Jahre lang heiter durchs Leben gegangen. Aber seit Kurzem geht mir ein Wort nicht mehr aus dem Kopf, das meine Gefühlslage exakt beschreibt: mutterseelenallein! Ich wünschte mir so sehr, dass sich die Stimmung bald wieder aufhellt, damit ich meinem 91-jährigen, blinden Mann wieder fröhlich vorlesen kann.

Ursel Bräuning, Germering

 

Das ist mein Ding

Im Winter 1947/48 lebten meine Eltern in einem Flüchtlingslager in der Lüneburger Heide. Meine Mutter war schwanger mit mir, ihrem ersten Kind. Weil es in der Nachkriegszeit noch keine Papiertaschentücher gab, schneiderte sie aus einem sicher nicht ganz taufrischen Stoffrest Babytaschentücher für mich, die sie mit blauem und rosa Garn umstickte. Die Initiale meines Vornamens, das kleine rosa R, fügte sie erst nach meiner Geburt hinzu – so erzählte sie mir. Eines der Taschentücher hat mich durch mein ganzes Leben begleitet und auch meine vielen Umzüge überstanden. Das kleine Tuch erinnert mich an meine 1974 verstorbene Mutter, und auch daran, dass ständiges Wegwerfen in meiner Kindheit noch nicht an der Tagesordnung war.

Reinhild Berger, Korntal-Münchingen bei Stuttgart

 

Was mein Leben reicher macht

Ein großer Strauß Tulpen auf meinem Schreibtisch im Büro. Damit überraschte mich eine Kollegin, weil sie vergessen hatte, mich zu ihrer Jubiläumsfeier einzuladen. Und ich glaubte schon an eine Verwechslung! Welch schöner Start in den Arbeitstag!

Martina Schneider, Hamburg

 

Flugs: Mein Wort-Schatz

Vor Kurzem hatten wir eine lustige Begegnung mit einem Wort, das man heute nur noch selten hört. Wir waren am Ende einer wunderschönen Wanderung auf dem Rheinsteig, als ich in der Wegbeschreibung las, wir müssten »zu einem Abzweig mitten im Wald, von dem aus man flugs hinab nach Osterspai gelangt«. Flugs kommt vom mittelhochdeutschen vluges »im Fluge, eilend« – schwer vorstellbar nach dem stundenlangem Auf und Ab. Irgendwie verlieh uns die durch das Wort ausgelöste Heiterkeit dann aber doch noch Flügel. Nun haben wir ein neues Lieblingswort, wenn beim Wandern die Füße schwer werden: Jetzt geht es flugs hinab!

Evelin Engert-Buder, Solms, Hessen

 

Was mein Leben reicher macht

Denkanstöße auf Papiertüten vom Bäcker: Manchmal bringen sie mich im Alltag unverhofft zum Schmunzeln. Meinen letzten
Fund habe ich bei einem Bäcker in der Nähe des S-Bahnhofs Berlin-Lichtenberg als japanische Weisheit erworben: »Hebt man den Blick, so sieht man keine Grenzen.«

Britta Naujoks, Jena