Lesezeichen
 

Was mein Leben reicher macht

Mitten im Winter kehren wir in unser kleines Haus in Schweden zurück. Die beiden Meisen, die im Sommer gelernt haben, Nussstückchen von meiner Hand zu holen, fliegen wieder auf den Baum vor der Haustüre und warten auf die Nüsse.

Annemone Lux, Wiesbaden

 

Kritzelei der Woche


Ich, 4B-Bleistift, Impressionen, Wetter, Fantasie, eigentlich keine Zeit, aufpassen, Mathe, Englisch, Erdkunde, Philosophie, das Leben ist schön, Liebesbrief-Briefpapier, Abitur, Träumen, Emotionen, nebenbei, Schokolade, Gewusel, keine Stagnation, Suchbild, Altes wiederfinden & Neues entdecken, 13s, alles bleibt, nichts kann gelöscht werden, geschenkte Zeit. – Mein Erklärungstext ist wohl genauso durcheinander wie die Kritzelei selbst. Aber das ist meine Welt.

Carlotta Schipplick, Lübeck

 

Was mein Leben reicher macht

Wenn meine zweieinhalbjährige Tochter Finja zum Abendbrot nach »Äpfelschorle« verlangt. Recht hat sie! Es heißt ja auch nicht »Orangesaft«.

Alexander Töllner, Ahrensburg

 

Was mein Leben reicher macht

Nach einem halben Jahr Abwesenheit wieder nach Hause zurückzukehren, meine drei Schwestern zu drücken, im alten Kinderzimmer zu schlafen, unser Familienrührei zu frühstücken und abends mit den Eltern Tee schlürfend vor dem Kamin über das Leben zu philosophieren. Und zu wissen, dass es immer einen Ort gibt, an dem ich auch in dunklen Stunden geborgen bin.

Rouven Kanitz, Saarbrücken und Hamburg

 

Was mein Leben reicher macht

Draußen, beim Schneeschippen. Wir haben ein sehr großes Eckgrundstück, da gibt es viele Meter Bürgersteig freizuräumen. Als ich fast fertig bin und schon ziemlich erschöpft, kommt ein junges Paar. Ich mache ihnen Platz und sage: »Hallo!« Er antwortet ebenso mit »Hallo.« Sie sagt: »Hallo und danke! « Das ist mir noch nie passiert beim Schneeschippen. Das kleine Wort »Danke« hat mich unglaublich gefreut.

Silvia Vleugels, Hardheim, Baden-Württemberg

 

Das ist mein Ding


Meine Nikkormat stammt aus dem Jahr 1972. Wir waren frisch verheiratet, und mein Mann erbte von seinem Großvater eine Briefmarkensammlung, die durch einen Wasserschaden allerdings zu einem großen Klumpen zusammengebacken war. Wochenlang lösten wir Marke um Marke mithilfe von Schwämmchen und Pinzette aus dem unförmigen Gebilde, wochenlang also roch es in unserer Wohnung nach nassem Papier. Dann trugen wir die Ausbeute zu einem Händler, der sie für uns auf einer Auktion versteigerte. Vom Erlös kauften wir uns die Kamera. Bis heute, vierzig Jahre lang, hat sie das Leben unserer Familie begleitet und dokumentiert. Und müsste ich je entscheiden, welche drei Dinge ich auf die berühmte einsame Insel mitnehmen würde: Neben meinem Mann und Thomas Manns Josephs-Roman wäre die Nikkormat dabei.

Monika Weymann, Stuttgart

 

Was mein Leben reicher macht

Im Supermarkt höre ich, wie ein etwa zehnjähriger Junge seinen Vater fragt: »Du Papa, was ist eigentlich ein Hippie?« Da wurde mir bewusst, was es bedeutet, Kinder zu haben: einem Menschen die unbekannte Welt zu erklären, bis er sich darin allein zurechtfindet – und die Welt dadurch selbst immer wieder neu zu entdecken und zu überdenken. Ich freue mich schon darauf, selbst einmal Kinder zu haben!

Lydia Stockert, Warschau

 

Was mein Leben reicher macht

Es ist dunkel. Ich bin auf dem Weg zum Bahnhof. Ein kalter Wind bläst mir ins Gesicht. Trotz Regenschirm bin ich nass. Noch zwanzig Minuten zu laufen! Da hält ein Auto neben mir, die Tür geht auf, und mein Nachbar ruft: »Theo, steig schnell ein!« Er hat mich gesehen, er wechselt seine alltägliche Route und fährt mich zum Bahnhof. Danke Bert!

Theo Papatheodorou, Sinsheim

 

Küter: Mein Wort-Schatz

»Küter nicht so mit dem Essen rum!«, pflegte mich meine Mutter, die aus Pommern stammte, zu ermahnen, wenn ich als Kind einen wieder und wieder durchgekauten Kloß Fischmatsch im Mund hin und her schob und gleichzeitig mit Messer und Gabel in dem gehassten gebratenen Hering und dessen Gräten herummatschte. Ich sollte als Kind von der Küste von Anfang an das sorgfältige Zerlegen des Fisches erlernen. »Kütern« ist eine Kombination aus Herumgematsche, Gefühl und der dazugehörigen Mimik. Am Kütern erkennt man den Pommern. Meinen eigenen Sohn habe ich zuerst mit Filets an den Fischgenuss herangeführt, die Feinmotorik des Zerlegens musste er erst später üben. Aber auch bei ihm kam das Wort »kütern« zum Einsatz: Er wurde dafür gelobt, dass er nicht gekütert hat. Und heute gehört grüner Hering, selbstverständlich an der Gräte gebraten, zu meinen Lieblingsgerichten. Dank meiner Mutter.

Antje Busch, Hannover