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Kritzelei der Woche


Einmal angefangen, konnte ich nicht mehr aufhören. Hat aber Spaß gemacht!

Christiane Steiner, Weinstadt

Raum für Gedankenspiele hieß ein Bericht im Chancen-Teil der ZEIT Nr. 01/12. Da berichteten vier Kreative, was sie inspiriert – und als Inspiration für die Leser blieb die halbe Zeitungsseite (fast) frei. Viele Leserinnen und Leser haben den Freiraum genutzt und uns ihre Kreationen geschickt. In dieser und der kommenden Woche veröffentlichen wir Beispiele, die uns besonders gut gefallen haben.

 

Was mein Leben reicher macht

Dauerregen, Wind und Uni-Stress. Auf dem Weg zu einem Termin wenigstens noch einen Becher heißen Tee holen! Der Afrikaner hinter der Theke hebt den Kopf. Ich grinse ihn unter meiner nassen Kapuze an. »Einen Tee, bitte!«, sage ich und mache eine Bemerkung über das schreckliche Wetter. »Zucker?« – Ja, bitte!« – »Wie viel?« – »Ein Stück!« Da sagt der Mann: »Du brauchst keinen Zucker, du bist süß genug!«

Daria Einbacher, Berlin

 

Was mein Leben reicher macht

»Ach, ich tanze ja so gern! Gelernt habe ich das nie, aber wenn mich jemand so gut führt wie das junge Mädchen, geht es wunderbar. Dann fühle ich mich leicht, frei und beschwingt und sage zu ihr: ›Wenn Sie mir versprechen, mich wieder aufzufangen, dann können Sie mich auch mal in die Luft werfen!‹ « Lotti ist 99 Jahre alt und berichtet über ihr größtes Vergnügen im Seniorenheim.

Monica Uhlich, Baindt, Baden-Württemberg

 

Bloß nicht!


Offensichtlich trügt der Schein. Ich dachte, dies sei eindeutig ein Mülleimer. Für Müll. Doch wenn ich diesen einwerfe, werde ich strafrechtlich verfolgt!? Was denn nun? Ich habe es ganz dreist versucht, und niemand stellte mich zur Rede. Noch mal Glück gehabt!

Heike Hagemeister, Heroldsbach

 

Was mein Leben reicher macht

Kurz vor Weihnachten, lange geplante Reise zu meiner Schwester in Wien, ich bin wie fast immer knapp dran. Der Zug fährt mir vor der Nase weg! Ratlos stehe ich am Bahnsteig. »Hier hält kein Zug mehr, der Ihren Anschlusszug erreicht«, sagt der Bahnwärter. Er telefoniert. Telefoniert nochmals. »…Sturm …Wetter … chaotische Straßenverhältnisse…«, höre ich ihn sagen. Gleich darauf hält ein ganzer Zug für mich allein. Mit ihm erreiche ich meine Anschlusszüge. Danke!

Linda D’Accurso, Aulendorf, Baden-Württemberg

 

Was mein Leben reicher macht

Das Leben kann so einfach sein. Während ich mit meinem 14-jährigen Sohn im Auto auf dem Heimweg bin, zählt er alle Dinge auf, die er noch zu erledigen hat. »Zimmer aufräumen, Hausaufgaben machen, Akkordeon üben. Und wenn wir die nächste Kreuzung überquert haben, habe ich alles wieder vergessen.« Die Ampel springt auf Grün, und wir fahren los. Zwei Sekunden später schaut er mich an, lächelt verschmitzt und sagt: »Siehste?«

Hilke Meier, Bünde

 

Putzteufel: Mein Wort-Schatz

Ich mag das Wort Putzteufel. Meine Mutter putzt das Haus immer blitzblank. Als Kind fühlt man sich dann wie im 4-Sterne-Hotel, ohne viel Arbeit. Herrlich! Aber wenn es die Mutter übertreibt und beim Putzen die ganz privaten Sachen durchstöbert, regt einen das richtig auf. Daher das Wort »Putzteufel«. Ist das nicht eine perfekte Beschreibung für Mütter?

Pascal Zwally, Dahn, Südwestpalz

 

Zeitsprung

1942

1993

Das erste Bild zeigt meine Mutter vor ihrem Elternhaus im Kreis Grünberg in Schlesien (heute Zielona Góra/Polen). Als mittlere von fünf Töchtern wuchs sie hier auf, musste nach Ende des Zweiten Weltkriegs das Haus jedoch mit der Familie verlassen, da das Gebiet Polen zugeschlagen wurde. Umgekehrt wurde Polen im östlichen Teil verkleinert und einer dort ansässigen Familie dann das Elternhaus meiner Mutter zugewiesen. Ihr ganzes weiteres Leben begleitete meine Mutter der Wunsch, das Elternhaus einmal wiedersehen zu können. Nicht lange nach der Wende wurde dieser Wunsch Wirklichkeit: Von einem Verwandtenbesuch in den neuen Bundesländern war es lediglich ein Tagesausflug. Vor meiner Mutter hatte bereits eine ihrer Schwestern das Haus besuchen wollen, war dabei aber vom Hof gejagt worden. Klar, die Bewohner konnten ja nicht wissen, was sie auf ihrem Anwesen wollte.
Meine Mutter war besser vorbereitet. Sie hatte von Bekannten einen Brief auf polnisch verfassen lassen, aus dem hervorging, dass sie dort früher
gelebt hatte, das Haus gerne einmal wiedersehen würde, es aber nicht zurück haben wolle. Mit einem zusätzlichen kleinen Gastgeschenk war das Eis gebrochen und das polnische Paar ließ sie das komplette Haus anschauen. Zum Abschluss luden die Hausbesitzer meine Mutter (und alle Mitreisenden) noch zum Kaffee ein. Wie man sieht, hat der Baum neben der Haustür mächtig zugelegt, ansonsten ist fast alles beim Alten geblieben. Inzwischen ist das polnische Paar leider verstorben, meine Mutter ist jetzt fast 85 Jahre alt und lebt heute in Paderborn.

Claus Schirmer, Paderborn

 

Zeitsprung

Das linke Bild zeigt unseren Vater im Jahre 1991, an seinem sechzigsten Geburtstag umringt von seinen acht Enkelkindern, die zwischen 1980 und 1990 geboren sind. Wie die Orgelpfeifen sind sie platziert worden, und die teilweise skeptischen Blicke verraten, was sie von dieser Inszenierung halten. Welch fröhliche Gesichter zwanzig Jahre später! Das rechte Bild entstand bei Großvaters achtzigstem Geburtstag, und in der gleichen Anordnung wie 1991 sehen wir acht junge Menschen, die offensichtlich auch ihren Platz in der Welt gefunden haben. Was kann man sich als Tochter und Mutter noch mehr wünschen?

Ingrid Köck, Mürzzuschlag, Österreich