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Was mein Leben reicher macht

Meine Eltern, die nach 50 Jahren Ehe noch streiten, sich blöd finden und Tränen miteinander lachen können, eine Kreuzfahrt einfach schrecklich fanden, nun lieber wieder eine ihrer selbst organisierten Reisen nach Neufundland machen, uns Kinder leben lassen, wie wir wollen, und nebenbei auch noch die besten Großeltern meines fünfjährigen Sohnes sind.

Verena Schulz, Grabau

 

Linde: Mein Wort-Schatz

Schon in meiner Schulzeit (wie schön ist solch eine Alliteration!) haben meine Lehrer die Liebe zur deutschen Sprache in mir geweckt. Da ging es um das, was bestimmte Konsonanten in uns auslösten, das k-alte K, das ge-m-ütliche M, das zerreißende stimmlose S, ebenso das stimmhafte S, das knarrende R, das strömende W (Wind, Welle, Wasser, Woge, Wut). Wir haben Worte gesucht, die mit diesen – und natürlich auch anderen – Konsonanten begannen. Das war schon in meiner Volksschulzeit, und diese Lehrer waren in Lehrerbildungsanstalten ausgebildet worden, nicht etwa in Universitäten. Das Wort Linde lebt heute fast nur noch in der Bezeichnung eines Laubbaumes. Wer mahnt schon, wenn ein Streitgespräch sich anbahnt: »Gelinde!« Martin Luther noch hat in der Bibel übersetzt: »Eure Lindigkeit lasset kund sein.« Fast lebenslang aber liebe ich das Wort »lind« und lasse mir Alliterationen wie in dem Gedicht von Friedrich Rückert lustvoll auf der Zunge zergehen:

Ich atmet’ einen linden Duft!
Im Zimmer stand
Ein Zweig der Linde,
Ein Angebinde
Von lieber Hand.
Wie lieblich war der Lindenduft!
Wie lieblich ist der Lindenduft!
Das Lindenreis
Brachst du gelinde!
Ich atme leis
Im Duft der Linde
Der Liebe linden Duft.

Claus Ocker, Bremen

 

Was mein Leben reicher macht

Eine kurze Unterbrechung meines monotonen Alltags als Zusteller des Gemeindeblattes. Ein Zeitungsrohr mit einem Schild: »Bitte keine Zeitungen einwerfen – Vogelnest!«. Ich stutze, riskiere einen kurzen Blick, sehe das Nest ganz hinten im Rohr, stecke die Zeitung eben in den Briefkasten und freue mich über das friedliche Zusammenleben von Mensch und Tier.

Jan-Philip Seitz, Karlsruhe

 

Kritzelei der Woche

Dieses Deckblatt meines Collegeblockes habe ich innerhalb mehrerer Wochen mithilfe eines Korrekturstiftes während des Unterrichts gestaltet. Allerdings ist diese Verzierung nicht aus Langeweile entstanden, es hilft mir, mich zu konzentrieren, besonders, wenn ich Referaten zuhöre. Ich habe in diesen Wochen auch andere Kritzeleien auf Blöcken und Heftern begonnen und vollendet, aber diese ist mir die liebste.

Johanna Lembcke, Rickling, Schleswig-Holstein

 

Was mein Leben reicher macht

Mit einem Team von Ehrenamtlichen des ADFC Erwachsenen das Radfahren beizubringen. Das Strahlen auf den Gesichtern der Teilnehmerinnen, die meist zwischen 35 und 60 Jahre alt sind, wenn sie ihre ersten Runden auf dem Rad drehen. Fatimas unermüdliches Üben der Rechtskurven und Ernas glücklicher Aufschrei „Ich kann fahren“.

Annegret Schemmer aus Bonn

 

Was mein Leben reicher macht

Vor vielen Jahren lernte ich Erich Kästners Gedicht Der Mai auswendig. Jedes Jahr im Monat Mai rezitiere ich es besonders oft, nur zum persönlichen Genuss. Und es ist immer wieder Balsam auf die Seele.

Barbara Edelman, Indiana (Pennsylvania), U.S.A.

 

Zeitsprung

1960

2011

1960, als Spanien noch eine Diktatur war und die wenigsten Straßen dort asphaltiert waren, kauften meine Eltern für wenig Geld an der Costa Blanca direkt am Meer einen schlichten Winkelbungalow. Das Haus hatte einem italienischen Architekten gehört, dem während der Bauphase das Geld ausgegangen war. Das merkte man an der teilweise schlechten Substanz, aber das Haus hatte Charme und eine wunderbare Lage. In den über 40 Jahren, die das Haus meinen Eltern gehörte, erlebte Spanien den Übergang zur Demokratie – und einen ungesunden Bauboom. Das Land wurde nach und nach bedeckt mit den immergleichen Häusern, deren Stil der Nordeuropäer für spanisch hält: Türmchen, Treppchen, Bögelchen. Unser Bungalow war total aus der Mode. Ich fand das Haus jedoch immer schön mit seinen schlichten Linien, mit seinen einfarbig pastellfarben getünchten, großzügig geschnittenen Räumen. Inzwischen waren Palmen, Eukalyptus und Pinien in die Höhe gewachsen, und es war einer der schönsten Plätze weit und breit. 2001 haben meine Eltern das Haus verkauft, die neuen Eigentümer haben es abgerissen und den Garten völlig entfernt. Dann wurde auf der 1500- Quadratmeter-Parzelle wieder ein Haus gebaut, jetzt ist der kubische Stil der klassischen Moderne plötzlich wieder en vogue. Welche Definition charmanter ist, sei dahingestellt. (Das Bild von 1960 hat mein Vater aufgenommen, das andere stammt aus Google Street View.)

Leonore Weissenburger, Fachbach, Rheinland-Pfalz

 

Was mein Leben reicher macht

Morgens um sechs unter der Dusche von sanften Wasserstrahlen empfangen zu werden, die wie eine warme, belebende Umarmung Kraft spenden für einen neuen Tag. Und dabei immer wieder der Gedanke: Welch ein Luxus!

Barbara Esser, Düsseldorf

 

Was mein Leben reicher macht

Meine wunderbaren Großeltern, die mit 76 und 79 Jahren noch so viel Energie und Lebensfreude ausstrahlen und seit 55 Jahren glücklich verheiratet sind.

Katja Püttker, Hannover