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Was mein Leben reicher macht

Manolo, mein vierjähriger Enkel, turnt und spielt mit seinen Kameraden in einer Turnhalle. Ich stehe als Beobachter am Rande. Plötzlich und unvermittelt rennt er quer durch die ganze Halle auf mich zu, umarmt mich, gibt mir einen Kuss und läuft zu seiner Riege zurück. Das Herz geht einem auf…
Frank Laier, Stuttgart

 

Was mein Leben reicher macht

Samstags bei meinem türkischen Gemüsehändler einkaufen. Die nette junge Frau an der Kasse wünscht mir in tadellosem Deutsch ein schönes Wochenende. Ich antworte mit meinen dürftigen Türkischkenntnissen „Iyi hafta sonu“ Sie strahlt über das ganze Gesicht und freut von ganzem Herzen über eine deutschen Kundin, die in ihrer Sprache antwortet.

Elisabeth Krause, Monheim am Rhein

 

Was mein Leben reicher macht

Zu erleben, wie die Männer meines kleinen kanarischen Dorfes, junge wie alte, den Tag beginnen: Jeden Morgen zuerst ans Meer gehen und einige Minuten über Wasser und Himmel schauen, bevor sie in ihre Autos steigen, um in lebhaftere Inselorte zur Arbeit zu fahren …

Sigrid Braun-Umbach, Berlin und Lanzarote

 

Zeitsprung

Im Mai 1928 führte der Klosterkindergarten von Waidhofen an der Ybbs mit großem Erfolg das Theaterstück Zaubernacht und Märchentraum im Ahnenschloss auf. Das alte Foto zeigt die damals vierjährigen Hauptdarstellerinnen: links meine Großmutter Anna, rechts ihre Freundin Hilde. Über achtzig Jahre später treffen sich die beiden immer noch zum Plaudern, sie leben immer noch im zauberhaften, biedermeierlichen Waidhofen. Das aktuelle Bild zeigt rechts meine Großmutter, links Hilde Kaltenbrunner- Leutgeb. Unsere Welt ist ein Theater, und jede Stadt ist eine Bühne.
Kurt Adamer, Sonntagberg, Niederösterreich

 

Was mein Leben reicher macht

Mit meiner Mutter am Grab meines Vaters: Wir weinen und philosophieren über das Leben. Und bevor wir das Grab verlassen, holt meine Mutter ihr Taschentuch aus dem Mantel, wischt sich über die Augen und trocknet dann meine Tränen. »Ach, das habe ich auch lange nicht mehr gemacht«, sagt sie. Mama ist 84, ich bin 55.

Mechthild Brien, Ahrbergen, Niedersachsen

 

Kritzelei der Woche

Wenn man sich morgens müde in die Schule gequält hat und dort nur langweilige Fächer auf einen warten, schweifen die Gedanken unweigerlich ab, und man sucht nach einer interessanteren Beschäftigung. Zeichnen ins Hausaufgabenheft ist geradezu prädestiniert dafür, da es keinen stört und dem Lehrer nicht auffällt. Dabei kann ich außerdem besser zuhören, da die überflüssige Energie »kanalisiert« wird. Außerdem verleiht diese Kritzelei dem Wort »Hausaufgaben« einen leicht positiven Touch.
Salomea Löffl, Brennberg bei Regensburg

 

Was mein Leben reicher macht

Die Erklärung meines achtjährigen Sohnes, warum so viel Ketchup auf seinem Teller gelandet ist: »Mami, das wollte ganz schnell da raus, stell dir mal vor, du wärst in so einer engen Flasche eingesperrt. Dann wolltest du auch mit deiner ganzen Kraft da raus.« Von dieser Fähigkeit zum Perspektivwechsel sollte sich so mancher EU-Politiker eine dicke Scheibe abschneiden, der gerade über das Schicksal libyscher Flüchtlinge entscheidet!

Antje Fischer, Gemmrigheim, Baden-Württemberg

 

Eine kleine Weltreise

… aus traurigem Anlass« unternimmt Sabine Kröner, 55: Nach dem Tod ihres Mannes im vergangenen Jahr will sie durch neue Eindrücke Abstand gewinnen. Von Buenos Aires aus ist sie per Schiff um die Südspitze Amerikas und durch die Südsee gefahren, dann kam sie über Australien, Indonesien und Singapur nach Myanmar, von wo sie heute berichtet. Über Indien, die arabische Halbinsel und durch den Suezkanal geht die Reise weiter bis nach Venedig.

»Ich bin verschwitzt, eingestaubt und überglücklich!« – mit diesen Worten kehre ich spät am Abend auf die MS Columbus zurück und umarme jeden, der mir über den Weg läuft. Um halb sechs Uhr nachmittags habe ich das Schiff verlassen und mich in die Stadt Rangun begeben, ganz allein, keiner der anderen Passagiere traute sich raus. Vor dem Hafentor entschied ich mich für eine Fahrradrikscha. Ich passte so gerade mal rein, denn sie ist auf die zierlichen Birmaner zugeschnitten. Eine Verständigung auf Englisch war einigermaßen möglich. Es fällt mir schwer, zu beschreiben, was ich erlebt habe: eine pulsierende Stadt, zerfallene Kolonialgebäude, winkende, aber scheue Menschen. Einfallsreich betreiben sie ihre kleinen Geschäfte am Straßenrand. Das alles erinnert mich an Saigon vor zwanzig Jahren. Seit ein paar Tagen gibt es hier in Myanmar eine neue Regierung, die offiziell kein Militärregime mehr ist. Aung San Suu Kyi ist seit November frei. Ich spüre, wie die Menschen auf Veränderungen hoffen. Ich bin mittendrin und habe keine Angst. Mein Rikschafahrer hätte mich entführen und ausrauben können, aber er wollte mir nur seine Stadt zeigen. Zurück auf dem Schiff bin ich emotional aufgewühlt und kann meine Gefühle zum Glück mit einigen mir inzwischen vertrauten Mitreisenden teilen. Später erfahre ich, dass unsere Stewards bei ihrem Ausflug mit den Rikschafahrern die Plätze getauscht haben. Schöne Geste!

Sabine Kröner, z.Zt. Rangun, Myanmar