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Überstanden

s76-baum

In Zypern begegne ich auf einer Wanderung durch einen Olivenhain diesem knorrigen Baum. Kaum zu glauben: Auf einem Schild lese ich, dass er mehr als 800 Jahre alt ist. Ich rechne nach: Seit etwa 1200, also seit dem Hochmittelalter, steht dieser Ölbaum da. Was ist seitdem alles geschehen? Der Olivenbaum hat es überstanden.

Peter Janßen, Braunschweig

 

kafkas samsa

(nach Ernst Jandl, »ottos mops« – ein wenig kafkaesk)

kafkas samsa plagt gram kafka:
lach mal samsa lach mal
samsa zagt: hab angst
kafka: ach quatsch
samsa: scham nagt ganz stark

kafka plant anschlag
kafka: abrakadabra …
samsa: lass das franz lass das
kafka kappt rasch samsas a
kafka: samsa-la-bam!
sams baff: krass das war haarscharf

kafka knallhart: das a war abfall
sams japst nach lachanfall achtmal:
hahaha kafka dankbar: na das klappt ja
sams lacht: mann das macht spaß
kafka tanzt: ahaahaaha dadada

Andreas Graf, Köln

 

Was mein Leben reicher macht

Beim Arzt. Jeder wartet gefühlt schon ewig. Angespannte Stimmung. Ein älterer Herr kommt ins Wartezimmer und bittet, ihm in den Mantel zu helfen. Er gibt ganz genaue Anweisungen dafür, da er operiert worden sei. Ein junger Mann hilft ihm. Der ältere Herr bedankt sich mit den Worten: »Hervorragend, ich bin morgen um Viertel nach acht wieder hier, Sie auch?« Das ganze Wartezimmer lacht. Er wünscht allen »eine gute Behandlung!«.

Anke Strahlmann, Mainz

 

Bubabberles-Gschäft: Mein Wort-Schatz

»Des isch e richtigs Bubabberles-Gschäft­«, sagt mein Freund, als es ihm partout nicht gelingen will, irgendetwas kleinteilig Mechanisches zusammenzufügen. Im Hochdeutschen ist der Ausdruck, ungeachtet seiner lautmalerischen Qualität, nicht unbedingt verständlich. Wohl aber unter Berlinern mit schwäbischem Migrationshintergrund, zu denen auch ich mich zähle.

Ulrich Merkel, Berlin

 

Was mein Leben reicher macht

Auf der leeren Autobahn das Gaspedal durchdrücken und mit The Pretender von den Foo Fighters in den Ohren dem Sonnenaufgang entgegenfahren.

Mareike Wilms, Hötzum, Niedersachsen

 

Was mein Leben reicher macht

Mein Sohn, der mich spontan zum gemeinsamen Musizieren einlädt. Wir improvisieren mit Gitarre und Klavier, und er meint: »So hast du ja noch nie gespielt!« Und am nächsten Tag: »Das haben jetzt einige als Klingelton.«

Heiko Reinhold, Stollberg, Sachsen

 

Was mein Leben reicher macht

Die abendlichen Treffen in der WG-Küche mit meinen Mitbewohnern und die Frage »Und was war dein Highlight des Tages?« Das bringt uns dazu, selbst dem trübsten, langweiligsten oder miesesten Tag noch einen schönen, erinnerungswürdigen Moment abzugewinnen und ihn zu teilen. Erstaunlich, dass doch nicht alle schlechten Tage komplett schlecht sind!

Martin Jahn, Flensburg

 

Zeitsprung: Alt geworden

1964 haben wir geheiratet. Es eilte damit, weil mir durch einen Glücksumstand in West-Berlin eine kleine Wohnung angeboten worden war. Der Wohnberechtigungsschein lag vor, aber zwei Zimmer für nur eine Person? Unmöglich! Verlobt war ich zwar schon, aber noch nicht mit der Ausbildung fertig und zu arm, um schon heiraten zu können – meinten die Schwiegereltern. Keine guten Startbedingungen für eine Ehe. Wir mussten kämpfen, bestellten schon mal das Aufgebot, bekamen die Wohnung, die Erlaubnis zur Heirat und sogar finanzielle Starthilfe vom Schwiegervater. Es war eine schwere Zeit, sowohl vor wie nach der Hochzeit. Heute stehen wir gut da, drei Kinder, sieben Enkel, keine wirtschaftlichen Sorgen.

Nur eben: alt geworden! Bei unserer goldenen Hochzeit entstanden Fotos, die wir staunend neben die alten Hochzeitsfotos halten. Mit dem jungen Brautpaar tauschen? Besser nicht. Trotz aller Klagen über das Altwerden: Es ist schon besser so!

Michael Kraatz, Zeuthen, Brandenburg

 

Was mein Leben reicher macht

Mit meinen 78 Jahren habe ich mich noch einmal ans Kochen gewagt, nachdem meine Frau nicht mehr so kann. Und letzte Woche wollte ich es wissen: Ich buk meinen ersten Kuchen. Später kam unser Sohn zum Kaffee vorbei. Natürlich war ich gespannt auf sein Urteil. Nachdem er ungefähr ein Viertel meines Werkes verspeist hatte, meinte er nur: »Vater, ich komme nächste Woche wieder.«

Erwin Wald, Veitshöchheim

 

Ausnahmsweise

s88-brief

Im Sommer 1972 besuchte ich als Theologiestudent mit österreichischen Jugendlichen Leipzig und Dresden, wo wir unter anderem Kontakt zu katholischen Priestern aufnahmen. Einer von ihnen bat um die Übersendung einer bei Herder erschienenen »Jerusalem-Bibel«. Doch mein Geschenk wurde mir von der Zollverwaltung der DDR mit dem Vermerk retourniert, dass »dieses Druckwerk den gesetzlichen Bestimmungen der DDR widerspricht« und daher zur Einfuhr nicht zugelassen sei.

Pater Udo Fischer, Paudorf, Österreich