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Dölstern: Mein Wort-Schatz

Wenn mein Vater seine Füße vor kalter Nässe, Schneematsch und Ähnlichem schützen musste, dann griff er zu seinen Dölstern. Ich weiß nicht, ob der Begriff irgendeinem Dialekt entstammt oder innerhalb der Familie erfunden wurde. In jedem Falle finde ich ihn als Umschreibung für derbes, grobes Schuhwerk äußerst lautmalerisch und verwende ihn im Geiste gelegentlich auch heute noch.

Wolfgang Giese, München

 

Zeitsprung: Aus „hart“ wird „zart“

Diese Inschrift »Harte Zeit (h)arte Herzen« ist mir seit Kindertagen vertraut. Sie wurde 1944 – vermutlich als Durchhalteparole – an einer Mauer meiner Geburtsstadt Mannheim angebracht. Zum Hintergrund: Mannheim war im Zweiten Weltkrieg mit über 150 Luftangriffen die wohl am meisten bombardierte Stadt auf dem Gebiet des heutigen Landes Baden-Württemberg, das barocke Schloss wurde fast vollständig zerstört. Die Inschrift dagegen überlebte Krieg und Nachkriegszeit weitgehend unbeschadet. Irgendwann jedoch entfernte jemand einen einzelnen Buchstaben, nämlich das h in der Mitte, was mich veranlasste, das Graffito fotografisch festzuhalten. Jetzt hat jemand ein z in die Lücke gesetzt und der Inschrift nach 70 Jahren einen ganz neuen Sinn verliehen. Es wurde aber auch Zeit!

Dieter Hetzel, Heidelberg

 

Was mein Leben reicher macht

Immer wenn ich mit Laubharken beschäftigt bin, besucht mich ein Rotkehlchen. Aufgeregt wippend, beäugt es mich von allen Seiten. Ich frage mich immer wieder, was es wohl veranlasst, mich zu beobachten. Manchmal wirkt es, als ob »sie« mich kontrolliert. Wahrscheinlich ist es doch nur der profane Wunsch, einen geeigneten Happen unter einem der Laubblätter erwischen zu können. Trotzdem freue ich mich auf ein Wiedersehen mit meiner rot befleckten Freundin im nächsten Jahr.

Peter Voß, Idstedt, Schleswig-Holstein

 

Was mein Leben reicher macht

Es war so kalt, dass man seinen Atem in der Luft sah. Ich war gerade auf dem Weg zur Universität – da sah ich ein kleines Mädchen, das in seiner Winterjacke und der Mütze, die nur ein kleines rundes Gesicht mit blauen Augen freigab, wirkte wie ein Zwerg. Es rannte auf seinen kurzen Beinchen auf einen Mann zu, der auf dem Boden kniete und den Vorbeigehenden einen alten Pappbecher entgegenhielt. Darein fiel mit einem leisen Klirren eine Münze aus dem Händchen des Kindes. Schnell lief es wieder davon und ließ den Mann mit seinem Becher lächelnd zurück.

Celestina Trost, Bonn

 

Die Kritzelei der Woche

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Seit 1. Januar 2014 pinsele ich für jeden Tag einen neuen Farbstrich auf die Rauputzwand meiner Werkstatt. Ich hatte mich mit einer Duftmanufaktur selbstständig gemacht, und nun begann das dritte Jahr meines freien Tätigseins. Ich fragte mich, schaffe ich den Sprung, wirklich davon leben zu können? Antwort: Inzwischen sieht es sehr gut aus, und gerade in den letzten Tagen des Jahres eröffneten sich mir noch ganz neue Perspektiven. Es kommt auf jeden einzelnen Tag an! Das mache ich mir mit dem täglichen Pinselstrich klar.

Beate M.T. Nagel, Oy-Mittelberg, Allgäu

 

Was mein Leben reicher macht

Meine Frau kaufte in Stuttgart Noten und dann noch Bücher bei der Buchhandlung Niedlich. Herr Niedlich fragte, ob sie eine Tüte brauche. Meine Frau verneinte und hielt ihm die Tasche mit den Noten hin. Er schaute hinein, schüttelte den Kopf und sagte: »Geht nicht – zu laut!«

Johannes Kiuntke, Metzingen

 

Kittelwascher: Mein Wort-Schatz

Neulich wurde ich von einem richtigen Kittelwascher überrascht – und hatte einen Beitrag für die ZEIT! »Kittelwascher« sagt man in Nürnberg (oder eigentlich eher »Giddelwascher«), wenn man in einen Regenschauer gerät, der ganz plötzlich kommt, einen bis auf die Haut durchnässt und dann wieder aufhört. Meiner dauerte keine fünf Minuten, doch ich zog bis in den zweiten Stock eine Wasserspur hinter mir her.

Melanie Julia Maußner, Nürnberg

 

Ich will – vorerst – keine Schockolade

(nach Trude Herr, »Ich will keine Schokolade«)

Neulich war bei uns Bescherung,
süße Teller, bunt und schwer;
Schokokringel, Mozartkugeln,
jedes Teil schmeckte nach mehr.
Dominosteine, Ingwerplätzchen,
Kipferl und Berliner Brot,
plötzlich sprang der Knopf vom Kragen
und ich rief in meiner Not:

»Ich will keine Schokolade,
keine Pralinees mit Gin,
keine Mandeln, keine Nüsse,
fort mit meinem Doppelkinn.«

Unerbittlich ging es weiter,
Gänsebraten und Salat,
Rotkohl, Klöße, Sahnesoße,
längst schon ächzte jede Naht.
»Ich will keine Schokolade
und auch keinen Weihnachtsmann,
keine Printe, keinen Zimtstern
und kein Herz aus Marzipan.
Ich will keinen Butterstollen,
nein, ich will auch kein Konfekt!
Ich will lieber meine Taille,
wo hat sie sich nur versteckt?«

»Ich will keine Schokolade …

Lang ist so ein Heiligabend,
und es kam, was kommen muss,
der Stuhl brach unter mir zusammen,
und ich rief: »Ab jetzt ist Schluss!«
Ich will keinen heißen Glühwein,
keinen Punsch und keinen Sekt,
gebt mir acqua minerale,
auch wenn mir das gar nicht schmeckt!
Ich will erst wieder was Süßes,
wenn die Fastenzeit vorbei;
aber dann, das weiß ich jetzt schon,
gibt’s ein Riesen – Schokoei!

»Ich will keine Schokolade …

Susanne Steinhagen, Dortmund

 

Was mein Leben reicher macht

Über vierzig Jahre war ich Buchhändlerin, seit vier Jahren bin ich im Ruhestand. Im Weihnachtsgeschäft durfte ich jetzt stundenweise in einer kleinen, wohlsortierten Buchhandlung mitwirken: Kunden, Kolleginnen, die wunderbare Welt der Bücher… Ich weiß, warum ich diesen Beruf so geliebt habe!

Dorothee Heinrich, Stuttgart