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Zeitsprung

Das Schild im Jahr 2009

Das Schild im Jahr 2010

Seit Jahren verbringen wir unseren Sommerurlaub auf der Insel Rügen. Jedes Jahr kommen ein paar neue Ferienunterkünfte und Touristenattraktionen hinzu, aber es sind auch die kleinen Veränderungen, die uns auffallen und die das Immer-Wieder- kommen interessant machen. So war im Sommer 2009 dieses Holzschild, das im Hafen von Sassnitz den Liegeplatz eines Schiffes markierte, kaum mehr zu lesen. Doch vergangenen Sommer glänzte es mit einem neuen Anstrich.

Carola Bührmann, Oldenburg

 

Kritzelei der Woche

Meiner zwölfjährigen Enkelin Jule hebe ich regelmäßig die ZEIT-Kinderseite auf und kaufe ihr die Kinder ZEIT-Hefte. Nachdem ich Jule auf die Kritzelei der Woche aufmerksam machte, schenkte sie mir zum Geburtstag diese Zeichnung, über die ich mich sehr gefreut habe. Als sie mir allerdings gestand, sie hauptsächlich während der Unterrichtsstunden gezeichnet zu haben, war ich kurz ratlos. Ich habe sie trotzdem gelobt.

Susanne Lange, Ulm

 

Was mein Leben reicher macht

An einem leicht bewölkten Tag in ein kleines Segelflugzeug steigen und mit dem Windenseil auf 400 Meter Höhe gezogen werden. Dann unter den Wolken von Kiel bis zur Elbe segeln und sich an unserer wunderbaren Landschaft nicht sattsehen können. Über der Elbmündung kreisen – gemeinsam mit einem Seeadler.

Wolfgang Dasch, Rumohr, Schleswig-Holstein

 

Was mein Leben reicher macht

„Du bist schuld!“ gröhlt er strahlend und stuppst mich mit dem Zeigefinger ein paar Mal in die Schulter. Jahre nach der Trennung von seiner Mutter sehe ich meinen „geleasten“ Sohn (aus der ersten Ehe meiner Ex-Frau und inzwischen 18 Jahre alt) zum ersten Mal wieder. Wir klönen fröhlich über die inzwischen vergangene Zeit und seine hervorragenden schulischen Erfolge in Mathe. „Wenn Du damals nicht …!“ schickt er gespielt vorwurfsvoll hinterher. Eigentlich war’s ja er! Er hatte mich vor der Hälfte seines Lebens gefragt, wie denn eigentlich Computer funktionieren. Meine Meine Antwort: „Mit Nullen und Einsen“ erntete erst ungläubiges Staunen bei dem kleinen Kerl, führte dann aber in – mit vielen kleinen Erfolgserlebnissen gespickte – und lustige Stunden des binären Rechnens. Als seine Mutter uns später mit reihenweise Zetteln voller wilder Zahlenkolonnen vorfand, erklärte sie uns knapp für verrückt. Seither weiß ich, dass es manchmal wunderschön ist, schuld und verrückt zu sein.

Henning Brusdeilins, Weinheim

 

65 Jahre DIE ZEIT

In Tel Aviv traf sich ZEIT-Auslandskorrespondentin Gisela Dachs mit der Leserin Julia Oberst und deren Vater. Julia Oberst hat ihre Magisterarbeit über „Interkulturelle Kompetenz als Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen Israel und Deutschland“ geschrieben, woraus ein Buchprojekt geworden ist. Sie führt jetzt Interviews mit Deutschen, die in Israel leben. „Da war Frau Dachs genau die richtige Gesprächspartnerin“, berichtet Julia Oberst im Anschluss. „Sie hat mir mit ihren Erfahrungen mit dem modernen Israel und dessen besonderer Beziehung zu Deutschland enorm weitergeholfen.“

Gisela Dachs und Julia Oberst

Auch Gisela Dachs war begeistert: „In unserem Dreier-Gespräch haben wir uns ziemlich in die Tiefe der komplexen deutsch-israelischen Beziehungen begeben. Und so konnte ich Julia – glaube ich – sehr viel bei der Arbeit an ihrem Buchprojekt weiterhelfen, mit Innenansichten, Einsichten, Analysen, Tipps, Anekdoten und sonstigen Einschätzungen. Ich war selber erstaunt, was einem bei solchen Fragen dann doch plötzlich alles einfällt. Also: ein sehr gelungenes Treffen.“

 

Die Begegnung

Alle Warnemünder kennen die Straßenmusiker, die jedes Jahr bei jedem Wetter auf der Promenade stehen, sobald der Winter vorbei ist: der zauselige Allrounder, der mit einer Hand die Trompete, mit der anderen das Akkordeon und mit den Füßen Schlagzeug spielt und leise, mittlerweile auch auf Deutsch, dazu singt. Der Didgeridoo­Spieler, der stoisch sein Instrument bläst. Die Akkordeonspielerin, die mit mü­dem Gesicht ihre Lieder spielt und Vorübergehenden traurig zulächelt.
Und dann die Blockflötenspielerin, die ohne Pause Volkslie­der bläst. Alle meine Entchen. Hänschen klein. Kommt ein Vogel geflogen. Die Hände blau gefroren, das Gesicht halb von der Kapuze der Jacke verdeckt, mit der sie sich vor dem Seewind schützt.
Die Menschen gehen vorbei, schauen weg oder an ihr vor­ bei, mit sich selbst beschäftigt, die Blockflötenspielerin lässt sich nicht beirren, sie spielt, und wenn ein Geldbetrag in ihren Topf fällt, bedankt sie sich. »Danke, vielen Dank, Sie sind so gut!«
Jetzt aber saß sie zurückgezogen auf einer Bank im Park hinter der Promenade. Sie weinte und wischte sich die Tränen mit der einen Hand ab, mit der anderen hielt sie eine selbst gedrehte Zigarette im Schoß. Still und abseits war sie in sich zusammengesunken. Die Flöte lag in einem Ein­kaufsbeutel auf dem Boden.
»Warum sind Sie so traurig? Ich höre Ihnen gern zu.« »Danke. Vielen Dank. Ich habe schon gespielt, den ganzen Vormittag, ich möchte immer nur spielen, aber dann musste ich weinen.«
Sie streckte die Hand aus, so als ob sie meine drücken woll­te. Unwillkürlich zog ich meine Hand zurück, gleichzeitig erschrocken über meine Reaktion. Ein einsamer Mensch, der für ein bisschen Aufmerksamkeit Kinderlieder spielt, der dann die Hand ausstreckt und doch allein gelassen wird.

Sigrun Seidel-Petry, Warnemünde
Die Serie »Eine kleine Weltreise« von Sabine Kröner setzen wir in der nächsten Woche fort

 

Kritzelei

Wir hatten endlich trotz Studium mal wieder Zeit, uns zu treffen. Während eines gemütlichen Nachmittags im Café ging es unter anderem darum, wie die unterschiedlichen Erfahrungen und Wissensgebiete den Blick von Menschen prägen, so dass zum Beispiel derselbe Baum wirklich verschieden wahrgenommen wird. Ein Mensch, der viel zeichnet, sieht den Baum eher aufgeteilt in helle und dunkle Flächen, einem Mathematiker fallen die Gesetzmäßigkeiten im Wuchs auf, ein dritter denkt an die Tiere, die in dem Baum leben könnten, sieht die Äste, die geschnitten gehören, oder assoziiert etwa mit einer Eiche die deutsche Romantik. Dieses Thema weitete sich langsam aus, sodass wir schließlich die ganze Gesellschaft einmal überflogen hatten. Die Zeichnung entstand nebenbei.

Viola de Blecourt, Passau
Anna Fee Brunner, Starnberg

 

Was mein Leben reicher macht

Frühling wie aus dem Bilderbuch: Nach einem strengen Winter der Natur beim Aufblühen zusehen und beobachten, wie die Welt von Tag zu Tag grüner wird. Und als krönenden Abschluss ein Sonnen­untergang, dem ein zauberhaft funkelnder Sternenhimmel folgt.

Ye-Si Junghanß, Krautheim

 

Ein Gedicht!

Asche zu Asche

Wir sehen Reklame mit tausend Lampen
Und sitzen vorm Fernsehn, ohne Gedanken
– Aber alles ist Asche!

Die Computer laufen den ganzen Tag
Jeder lässt das Licht brennen, solange er mag
– Aber alles ist Asche!

Die Politik schaltet ab oder lässt laufen
Die Antwort der Lobby ist, Strom kaufen
– Aber alles ist Asche!

Wir sitzen in warmen Häusern
Vor hellen Fenstern

Und auch sie tun, was ihnen gefällt
Zählen ihr brennendes Geld

– Und alle strahlen!

Ingo Schlösser, Hemer

 

Ein Gedicht! Klassische Lyrik

Der Sohn des Polykrates

(nach Schiller: „Der Ring des Polykrates“)

Er trat auf den Balkon von drinnen
Und schaute mit vergnügten Sinnen
Auf zwei gekühlte Türme hin.
„Es ist nun nicht mehr störanfällig,
das AKW, und nicht gefährlich“,
sprach er und nahm sich einen Gin.

„Die Strahlung kann nicht mehr entweichen,
Beton und Stahl sind dick und reichen.
Im Notfall schaltet es sich aus.
Und will man es mit Macht zerstören,
mit Flugzeug, Bomben und Gewehren,
der Mantel hält das spielend aus.“

„Und wenn“, sprach nun der Sohn zum Vater,
„ein Beben kommt, ein neuer Krater?
Gibt es dafür auch Garantie?“
„Man kann die Angst auch übertreiben,
darüber sollt’ man besser schweigen.
Wir brauchen Strom und Energie.“

„Und wenn“, fragte der Sohn nun leiser,
„die Kühlung stoppt und es wird heißer?
Schmilzt nicht der ganze Kern dahin?“
„Ach, Sohn, du machst dir zu viel Sorgen!
Denk doch an heute, nicht an morgen“,
sprach er und nippte kurz am Gin.“

Albrecht Gralle, Northeim