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Schlendrian: Mein Wort-Schatz

Wie oft hörte ich als Kind jemanden monieren, »da ist der Schlendrian drin«, und versuchte mir diesen Schlendrian als jemanden vorzustellen, der mit Händen in den Taschen und womöglich laut pfeifend den Bürgersteig runterbummelt. Noch heute, wenn etwas zu langsam geht, obwohl der Chef vielleicht nicht auf Gemütlichkeit steht, denke ich an diese streikende Proletenfigur, den Schlendrian, wie er in sich und den Moment verliebt die Straße entlangschlendert.

Mit freundlichen Grüßen und dem Rat zu gemütlicher Entschleunigung
Ihr frisch gefeuerter

Jochen Heine, Bad Münder, Niedersachsen

 

Dölstern: Mein Wort-Schatz

Wenn mein Vater seine Füße vor kalter Nässe, Schneematsch und Ähnlichem schützen musste, dann griff er zu seinen Dölstern. Ich weiß nicht, ob der Begriff irgendeinem Dialekt entstammt oder innerhalb der Familie erfunden wurde. In jedem Falle finde ich ihn als Umschreibung für derbes, grobes Schuhwerk äußerst lautmalerisch und verwende ihn im Geiste gelegentlich auch heute noch.

Wolfgang Giese, München

 

Kittelwascher: Mein Wort-Schatz

Neulich wurde ich von einem richtigen Kittelwascher überrascht – und hatte einen Beitrag für die ZEIT! »Kittelwascher« sagt man in Nürnberg (oder eigentlich eher »Giddelwascher«), wenn man in einen Regenschauer gerät, der ganz plötzlich kommt, einen bis auf die Haut durchnässt und dann wieder aufhört. Meiner dauerte keine fünf Minuten, doch ich zog bis in den zweiten Stock eine Wasserspur hinter mir her.

Melanie Julia Maußner, Nürnberg

 

Nasser Winkel: Mein Wort-Schatz

Im Mittelalter gab es zwischen den Häusern schmale Durchgänge – auch Winkel genannt. Durch den nassen Winkel wurden alle Abwässer des Hauses geleitet. Da es damals noch keine Kanalisation gab, baute man in diese nassen Winkel auch die Aborte. Gesäubert wurden sie von den »Abdeckern«. Die sogenannten Winkelschnüffler überwachten die Reinlichkeit und zeigten Verstöße dagegen an.

Werner Müller, Berlin

 

Wöltern: Mein Wort-Schatz

Wie nennen eigentlich andere Familien das, was man mit dem Salat macht, wenn man ihn mit der Sauce – nun ja, vermengt? Bei uns zu Hause (Westfalen mit großmütterlich ostpreußischem Einfluss) heißt das Wöltern. Nur bei uns?

Ulrike Nolting, Friedrichsdorf

 

Gedöns: Mein Wort-Schatz

Meine Weihnachtsplätzchen habe ich die letzten Jahre recht aufwendig gebacken mit Füllungen, Verzierungen und so weiter. Dieses Jahr hatte ich nun keine große Lust und sagte meiner Tochter, dass ich nur einfachere Plätzchen gebacken hätte. Darauf meine Enkelin: »Aha, bei der Oma gibt es diesmal nur Plätzchen ohne Gedöns.« Das fand ich so passend; es ist jetzt mein Lieblingswort.

Sigrid Thiele, Mannheim

 

Vietz und Schnirpel: Mein Wort-Schatz

Ich war ganz gerührt, im Beitrag von Martina Fleischmann in der ZEIT Nr. 50/14 das »silberne Nichtschen« und das »goldene Warteweilchen« meiner Kindheit wiederzufinden. Ich hatte diese Wörter nie wieder gehört. Doch ich habe sie an meine Kinder weitergegeben, und wir hatten sogar zwei kleine silbern und golden glänzende, gläserne Trompeten, die am Weihnachtsbaum hingen. Sie bewiesen die rätselhafte Aussage, dass es zu Weihnachten »ein silbernes Nichtschen und ein goldenes Warteweilchen« geben würde.

Gern denke ich auch an den VIETZ und den SCHNIRPFEL. Ersterer der Anschnitt oder das letzte Stück vom Brot, Letzterer ein Wurstzipfel mit dem Faden, der die Wursthülle verschloss. Alle diese Wörter kamen von meinem Vater, der aus Rudolstadt in Thüringen stammte.

Oskar Möller, Stutensee

 

Schlauch- und Höhlenwurst: Mein Wort-Schatz

»Das wird ja eine Schlauch- und Höhlenwurst!«, spottete unser Vater, wenn wir Kinder die Leberwurst mit dem Messer aus der Wursthaut herausbohrten, statt ordentliche Scheiben abzuschneiden. Noch heute fällt mir dieser Ausdruck jedes Mal ein, wenn wir eine Streichwurst anbohren.

Heide M. Bössler, Darmstadt

 

Hackeback und Klebe: Mein Wort-Schatz

Eigentlich war unser Vater nicht besonders praktisch veranlagt. Aber tatkräftig packte er an, wenn etwas repariert werden musste. Unsere Mutter aber kommentierte das oft so: »Na ja, Hackeback und Klebe.« Ich weiß zwar nicht, ob man das ethymologisch irgendwo herleiten kann. Aber die Verbindung von »hacken« und »backen« und »kleben« an einem einzigen Gegenstand charakterisiert den Vorgang ausreichend. Kürzlich konnte ich mich nicht enthalten, ein Werk meines Mannes genauso zu kommentieren.

Helga Tietz, Bindlach

 

Geraffel, Maugedse: Mein Wort-Schatz

Geraffel – das ist ein häufig am einzigen Platz neben dem Herd in der Küche anzutreffender Stapel von Koch- und Backrezepten, Stammkundengutscheinen, Gala-Einladungen, Rabattankündigungen, Altkleidersammlungen, Hotelwerbungen, Ansichtskarten, Kassenbons und, und, und… Eine vergleichbare Bedeutung hatte für meine Mutter die Maugedse, jener Haufen zu reparierender Kleidungs- und Wäschestücke neben dem Nähmaschinentisch. Wenn der Stapel eine imaginäre Stopplinie an der Wand erreichte, wusste sie, dass sie das Stopfen, Flicken und Knöpfeannähen jetzt nicht weiter hinauszögern durfte. Vorbei!

Gerhard Evers, Göppingen