In der heutigen Welt, in der es alle eilig haben, liest und schreibt man als Steuerberater sehr häufig das Wort »schnellstmöglich«. Viel lieber verwende ich das deutlich weniger stressig klingende alsbald, das mir vor vielen Jahren in einem Brief aus der Schweiz begegnet ist, einem Land, das nicht gerade für die Kultivierung von Zeitdruck bekannt ist. Es ist eben sehr viel gemütlicher und angenehmer, etwas nur so bald als (= wie) möglich machen zu sollen, als dies schnell, schneller und sogar schnellstens tun zu müssen.
»Mama, ich will schlupfen!« sagt Jakob, dreieinhalb Jahre alt, und krabbelt mit seiner kleinen Hand flink in den Ärmel meines Pullovers. Mit dem Schlupfen wirft er zuverlässig seinen Anker in sicherem Hafen, wenn er traurig ist, sich wehgetan hat und besonders als letzten Akt vor dem Gute-Nacht-Sagen. Schlupfen hilft immer.
Kürzlich blätterte ich wieder einmal in der gewichtigen Dissertation meines Freundes Jörg Riecke Die schwachen jan-Verben des Althochdeutschen, die er mir 1996 geschenkt hatte als »Erinnerung an jene Jahre, da die Bibliothek noch uns gehörte«. (Wir waren immer die Letzten gewesen im Lesesaal der UB in Regensburg.) Mein Blick fiel auf Seite 230: Naffazzen, ein Wort, das ich als Kind noch von der Oma in Niederbayern gehört hatte: »Sei still, der Opa naffazzt.« In den sechziger Jahren bedeutete es immer noch wie im 9. Jahrhundert »schläfrig werden, einschlafen«. Keineswegs »Nur ahd.«, lieber Jörg!
Vor Kurzem bin ich beim Lesen auf das Wort Kochkiste gestoßen. Das erinnerte mich an meine Kindheit in der DDR und an die Zeit, in der Brennmaterial knapp war. Unsere Kochkiste war allerdings ein Bett, in das unser Essen zum Warmhalten oder Nachgaren gestellt wurde. Meine Mutter wickelte den Topf in eine Wolldecke und deckte ihn dann mit dem Oberbett zu. So blieb das Essen warm, bis wir aus der Schule kamen.
Einem Gast aus den neuen Bundesländern boten wir eine bei uns beliebte Speise an. Ihm schmeckte sie jedoch nicht. »Das ist nicht meine Strecke«, sagte er. Dieselbe Redewendung hatte ich schon wiederholt von Bekannten gehört, die die DDR-Zeiten durchlebt haben. Wie mag sie entstanden sein? Der Duden kennt sie nicht. Stammt sie von einem Hundertmeterläufer, der diese Strecke, aber nicht 3000 Meter trainiert hat? Oder ist es die Jagdbeute, die ein Nimrod zur Strecke gebracht hat? Die Bezeichnung »Strecke« gibt es aber auch im Bergbau.
Berlin, Nikolaiviertel: In einem der Läden dort bestellte ich eine Spitzengardine. Ich musste ein bisschen warten, bis die Stickerinnen im Sächsischen damit fertig waren. Dann kam der Anruf aus dem Laden: »Ihre Gardine ist da. Kommen Sie doch demnächst mal vorbeigeschlundert!« Seitdem schlundere ich gern auf Einkaufswegen – statt herumzuschlendern.
An einem wundervollen August-Tag saß ich mit meinem Mann auf einer Bank am Würzburger Schenkenturm, und wir blickten in das abendliche Maintal. Mein Mann sagte auf einmal: »Mir schwant da was, ich glaube, es braut sich ein ordentliches Gewitter zusammen. Komm, lass uns gehen.«
Nun kann man ja im Duden lesen, dass der Ausdruck »schwanen« durch eine Scherzübersetzung entstand, bei der lateinisch olere = riechen mit lateinisch olor = Schwan verknüpft wurde. Dazu kann ich nur sagen, dass es nicht Mainschwäne sondern eher Gewitterwolken waren, die meinen Mann zu dem Ausspruch veranlassten.
Mich selbst erinnert diese Redewendung an meine Kindheit: Meine Oma verwendete den Ausdruck nur allzu gern, wenn sie Unangenehmes befürchtete.
Ich gehe mit meinem Sohn und seiner hochschwangeren Partnerin spazieren. Ein Windstoß kündigt das nahende Gewitter an. Heike erinnert an das vergessene Wort dafür: Eilung. Wir beeilen uns, um nicht nass zu werden, und wissen nun, dass der Wind es uns gleichtut. Danke, Heike!
Nach einem vierjährigen Toskana-Aufenthalt zurück in Deutschland, erweiterte unser neuer Nachbar unseren Wortschatz durch einen Begriff für den morgendlichen Nebel im Frühherbst, der in Oberhessen als Quetsche-Nivvel, also als Pflaumennebel, bezeichnet wird.
Mein Vater Friedrich Evers, der vor zwei Jahren in Ratzeburg verstarb, sprach als gebürtiger Fehmaraner stets plattdeutsch. Besonders liebte er es, vertrackte Angelegenheiten »eine vigelinsche Sache« zu nennen – ob in der Garage beim Werkeln oder auf dem heimischen Sofa beim Sudoku. Schon als Kapitän zur See und später als Seelotse auf dem Nord-Ostsee-Kanal gab es genügend vigelinsche Situationen zu meistern. Im Himmel ist hoffentlich nichts mehr kniffligverzwickt, sondern alles nur klar und eindeutig…