In der Schule nannten wir solche Leute Angeber; meine Mutter pflegte diesen Typ Mensch als Aufschneider zu bezeichnen. Meine Großmutter dagegen sagte eher Prahlhans und benutzte das Wort auch manchmal für Mobiliar. Das fiel mir ein, als ich neulich – voller Freude – den Begriff mal wieder hörte, und zwar angewandt auf eine in der Neuzeit nachgebaute Biedermeier-Hängevitrine (voller Sammeltassen mit Hamburg-Motiven) …
Wir haben einen Zwerghasen und ein Meerschweinchen in unserem Garten. Unsere achtjährige Tochter Samira kümmert sich um die beiden. Und eines Tages stellte sie fest, dass wir den Käfig für die Tiere dringend mal wieder an einen anderen Platz stellen müssen, da an der Stelle, an der er damals schon eine Weile stand, alles verhoppelt sei. Seitdem ist »verhoppelt« ein Wortschatz in unserem Leben, den wir auch gerne selbst verwenden.
Kordula und Richard Riedlberger, Steindorf, Bayern
Bereichert und erfrischt von einer sehr angenehmen Wanderung im Gebirge (dort oben war es ja viel kühler als im heißen Talgrund), kam mir das Wort bewandert in den Sinn. Ursprünglich bedeutete es, laut Herkunftswörter- buch des Dudens, eigentlich »viel gereist«. Heute muss man nicht die Füße bewegen, um »bewandert« zu sein. Aber ich frage mich, bringt ein bisschen Herumschmökern in Wikipedia tatsächlich so viel Erkenntnisgewinn wie das sinnliche Erleben?
Ich bin im Mecklenburg der Nachkriegszeit aufgewachsen. Und da wurde uns auf den dreikilometrigen Schulweg immer eine Klappstulle mitgegeben. Dieser Name hat für mich deshalb noch heute einen fast magischen Klang. Dagegen klingt das Wort »Pausenbrot« doch sehr funktionsbezogen.
Eigentlich hat man die Klappstulle nie selbst gegessen, denn auf dem Schulhof hieß es immer: »Lass mal beißen!« So wurde dann Biss gegen Biss getauscht. Das war spannend, und niemand guckte dann bärbeißig.
»Du bist ein Rübensüßchen«, habe ich kürzlich zu meiner kleinen Enkelin gesagt, als sie charmant und keck, aber auch etwas frech und penetrant das abendliche Zubettgehen in die Länge ziehen wollte. Diesen liebevollen Ausdruck habe ich in meiner Kindheit in Ostwestfalen-Lippe häufig gehört. Gibt es ihn sonst noch irgendwo?
Neulich sagte eine frühere Schulkollegin zu mir: »Du hast bei mir noch etwas im Salz liegen.« Im Rheinland wurde dieser Ausdruck früher oft verwendet, wenn unausgesprochene Dinge zu klären waren oder wenn jemand noch eine alte Rechnung zu begleichen hatte. Ich hatte den Satz nun aber schon ewig nicht mehr gehört, weshalb er mich sofort an meine Jugendzeit erinnerte.
Als Kinder liebten meine drei Geschwister und ich (Jahrgang 1948) es, wenn unsere Eltern am Abend ihren olbligatorischen Spaziergang »Einmal um den Pudding« machten. Eine Stunde, in der wir tun und lassen konnten, was wir wollten. Ich weiß nicht, ob man diesen Ausdruck in Bremen immer noch benutzt. Ich, mittlerweile in Frankfurt lebend, gehe oft und gerne »mal eben um den Pudding«.
Mit »So ein Saftladen!« drückte ich kürzlich ganz spontan meinen Unmut über eine Einrichtung aus, die mir Ärger bereitete. Da Säfte aller Art auf meinen Geschmacksknospen eher positiv ankommen – eigentlich liebe ich Säfte –, fragte ich mich dann, wie der Saftladen zu seinem schlechten Ruf kam. Ich fand heraus, dass man in und um Berlin im 19. Jahrhundert Apotheken mit ihrer bitteren Medizin in Fläschchen als Saftladen bezeichnete. Anfang des 20. Jahrhunderts waren es dann die zwielichtigen Spelunken mit ihren Schnapsflaschen, die nicht selten Unglück über die Familien brachten.
Vor einigen Tagen erklärte mir mein Mann, weshalb er von Geselligkeit in Biergärten und auch sonst nicht allzu viel hält: »Ich bin eben bärbeißig.« Ich musste mehrere Minuten lang laut lachen – das Wort hatte ich seit ewigen Zeiten nicht mehr gehört. Ich assoziiere es mit bärtigen, ungepflegten, grantigen Männern, vielleicht noch mit Kapitän Haddock von Tim und Struppi. Sicherlich nicht trifft es auf meinen Mann zu, den sensiblen, liebevollen, der mir jeden Morgen den Kaffee ans Bett bringt.
Kürzlich wurde ich hier im Allgäu nach einer Beerdigung zum anschließenden Mahl eingeladen. Die Gäste versammelten sich bei Kaffee und Kuchen, um nach der Trauerfeier beim Imbiss den Blick wieder in die Zukunft zu wenden. Bei dieser Gelegenheit kam mir das aus meiner Jugend im Rheinland bekannte Wort Reuzech wieder in den Sinn. Auch dabei folgte man einer gebräuchlichen Tradition. In diesem Ausdruck steckt »Zeche«, also Essen und Trinken, gleichzeitig aber auch das Wort »Reue«; vielleicht die Reue über etwas, was man dem Verstorbenen angetan hatte?