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Nuckelpinne: Mein Wort-Schatz

Aus dem Begriff »Nuckel«, umgangssprachlich für Beruhigungssauger, und der Bezeichnung für den Hebel am Steuerruder, der »Pinne«, setzt sich eines meiner Lieblingswörter zusammen – die Nuckelpinne. Aber weder mit dem einen noch mit dem anderen hat diese witzige Wortkreation etwas gemein. In Wirklichkeit geht es um ein altes, klappriges Kleinfahrzeug, das zudem noch schwach motorisiert daherkommt.

Über die Gründe, warum diese liebenswerte Vehikelbezeichnung im täglichen Sprachgebrauch kaum noch anzutreffen ist, kann ich an dieser Stelle nur spekulieren. Möglicherweise gibt es heute keine untermotorisierten Autos mehr, und die Alten und Klapprigen unter den Kleinwagen hat womöglich die Abwrackprämie von der Straße geholt. Sollte man den Nuckelpinnen tatsächlich nur noch auf Schrottplätzen begegnen? Für die Autoindustrie wäre es ein Segen, für die deutsche Sprache aber ganz bestimmt ein herber Verlust.

Thomas Fürbaß, Bad Schönborn, Baden-Württemberg

 

Hühnerschreck: Mein Wort-Schatz

Gerade eben flitzte ein rüstiger Rentner auf seinem Pedelec (Elektrorad) surrend an mir vorbei auf dem Weg zum Gipfel. Da musste ich an meine Kindheit im ländlichen Spreewald denken und den in die Jahre gekommenen Postboten Otto, der mit seinem Hühnerschreck, einem Fahrrad mit Hilfsmotor, durch das Dorf knatterte…

Fred Kunze, Karlsruhe

 

Pedalieren: Mein Wort-Schatz

Als meine beiden Töchter das Radfahren erlernten, rief ich ihnen stets ermutigend zu: »Pedalieren!« Und sie setzten diesen Zuruf direkt in die entsprechende Handlung um. In Gesprächen mit anderen, wenn sie dieses für sie selbstverständliche Wort benutzten, wurden sie ungläubig, verdutzt, verständnislos angeblickt, belächelt oder gar des Worterfindens bezichtigt. Zu Hause darüber berichtend, verdächtigten sie mich als Mutter gar des Neologismus, bis ich ihnen mithilfe des Dudens den Beweis lieferte. Noch heute, Jahre später, amüsieren wir uns gelegentlich darüber. Es ist uns ein wunderbares Beispiel dafür, dass zu einem gelungenen Kommunikationsakt eben auch die Bedeutungsübereinkunft gehört.

Ursula Winkenjohann, Kassel

 

Reibach: Mein Wort-Schatz

Manchmal hörten wir als Kinder im Bergischen Land (wo es damals rechts und links des Schulwegs noch allerhand kleine Werkzeugmaschinenbauer gab) den Satz: »Mit dem neuen Auftrag hat der Nachbar ja einen schönen Reibach gemacht.« Ohne, dass es uns ein Erwachsener hätte erklären müssen, ahnten wir, mit welch gemischten Gefühlen von dem Gewinn eines anderen die Rede war. Im Reibach schwang eine Mischung aus Anerkennung und Unmut mit und wohl auch eine kleine Portion Neid. Dass das Wort aus dem Jiddischen stammt und eigentlich »Zins« (»rewach«) heißt, wusste ich damals noch nicht.

Anke Berlett, Neuss

 

Zubrot: Mein Wort-Schatz

Zubrot ist ein Wort, das auf keinen Fall untergehen sollte. Weil es bedeutet, dass man neben dem eigentlichen Einkommen noch ein Zusatzeinkommen braucht, wird dieses Wort sogar immer wichtiger in einer Zeit, in der mehr und mehr Menschen von ihrer Arbeit Lohn nicht ausreichend leben können.

Reinhard Hausmann, Marl

 

Zu Brot sein: Mein Wort-Schatz

Neulich teilte ich meinem 80-jährigen Vater voller Freude mit, dass mein Sohn nun endlich – nach Abi, Auslandsstudium und zwei Praktika – eine Anstellung gefunden hat. Darauf sagte der stolze Opa zu mir: »Mäken, nu kast die freun, nu is hei to Brot!« Ja, da war sie wieder, die alte Bezeichnung dafür, wenn jemand nach Schule und Ausbildung seine erste Anstellung erhält. Zu Brot sein – sich durch eigene Arbeit seinen Lebensunterhalt verdienen können. Ich hatte ganz vergessen, dass ich diesen wunderbaren bildhaften Ausdruck kenne.

Ute Weber, Reddelich, Mecklenburg-Vorpommern

 

Käpsele: Mein Wort-Schatz

Ein besonderes schwäbisches Wortschätz­chen ist Käpsele, was man mit »Sieben­gescheiter« übersetzen kann. Aber erklären Sie das mal auf Englisch einem Kilimand­scharoführer, den ein anderer Wanderer so betitelt hatte!

Georg Glöggler, Fronreute, Baden­-Württemberg

 

Wahrhaftig: Mein Wort-Schatz

Wahrhaftig – ist dieses Wort nicht schon fast verschwunden aus dem Sprach­gebrauch? Schade, ich denke an meine Großmutter, wie sie »Ja, wahrhaftig?« aus­ruft, weil ihre kleine Enkelin ihr etwas un­glaublich Interessantes erzählt. Es ist ein so kraftvolles Wort! Und es hat irgendwie etwas von Bullerbü­-Romantik. Ich werde es wieder benutzen, denn es ist wahrhaftig ein schönes Wort!

Sabine Hiller, Ludwigsburg

 

Mit Extra: Mein Wort-Schatz

»Mama, das hast du mit Extra gemacht!« Als meine Tochter als Kindergar­tenkind diesen Ausdruck zum ersten Mal gebrauchte, verbesserte ich sie nicht, weil mir der Ausdruck so gut gefiel und ich ihn für ebenso sinnvoll erachtete wie »mit Ab­sicht«. Dann merkte ich, dass sehr viele Kinder diese Formulierung benutzen, und da meine Tochter, heute 14, diesen Aus­druck immer noch verwendet, hat er sich inzwischen in unserer Familie eingebürgert.

Bärbel Altendorf-Jehle, Freudenstadt­Musbach, Baden­Württemberg

 

Augenmerk: Mein Wort-Schatz

Ich habe noch die Stimme meiner Mutter im Ohr, die meine beiden Brüder ermahnt, auf mich, das Nesthäkchen ein Augenmerk zu haben. Eigentlich dürfte ich mich in Anbetracht meines damaligen Alters nicht daran erinnern, dennoch (vielleicht aus Erzählungen?) habe ich die Situation genau vor Augen, in der ich im Graben landete und mir die Seele aus dem Leib schrie, weil meine Brüder Rennen mit mir gefahren waren. Mein Vater befreite mich dann aus meiner misslichen Lage. Später – und auch das ist auch schon wieder viele Jahre her, gab ich diesen Wortschatz an meinen älteren Sohn weiter, indem ich ihm einschärfte, »ein besonderes Augenmerk« auf seinen kleinen Bruder zu haben. Und weil auch das nicht gelang, sorgt das Wort auf Familienfeiern bis heute für Schmunzeleien.

Mariéle Runge, Esslingen