Ein echtes Früherwort und schwer vom Aussterben bedroht ist Stanniolpapier. Allen Älteren von uns wurden von Müttern, Vätern oder Großeltern liebevoll zubereitete Stullen darin eingewickelt, und sie schmeckten einfach gut. Die heutige, etwas technokratisch klingende Variante »Alufolie« hat nicht das gleiche Aroma. Das Butterbrot mag gleich schmecken, aber die Welt drum herum war bei Stanniolpapier eindeutig leichter, sorgenfreier und fröhlicher.
Planungsbesprechung. Bauherr mit Lebensmittelpunkt Rheinland: »Dann brauche Haus noch eine Kabuff. Du wissen Kabuff?« Ich: »Ja, Abstellraum«. Er: »Woher du wissen?« Ich: »Komme aus Köln.« Er: »Ach wat!« Heimatliche Klänge aus dem Munde eines Süditalieners! Das erste Mal hörte ich diesen Begriff in den sechziger Jahren, als ich als kleiner Junge mit meinem Vater freitags zum Austeilen der Lohntüten die Baustellen abfuhr. Selbst im Studium war dies ein allseits bekannter Begriff. So war meine Verwunderung nicht gering, als in meiner Wahlheimat Bayern dieser Raum als »Speis« bezeichnet wurde – was damals auf den Baustellen auch der Maurermörtel war.
Vor allem im Süddeutschen ist das Wort ehrenkäsig auch heute noch verbreitet. So bezeichnet man einen Menschen, der oft bei Bagatellen seine Ehre verletzt fühlt. Kritisiert man jemanden als ehrenkäsig, so kann man sein Verhalten nicht akzeptieren. Mancher allerdings verwendet das Wort auch schmunzelnd und selbstironisch, um eine Sache zu bereinigen.
Das Wort strunzen kennt man kaum noch. In meiner Jugend- und Schulzeit mussten wir es oft hören, wenn wir übertrieben, prahlten oder angeberisch auftraten. Dann hieß es: »Strunz doch nicht so!« Der frühere FC-Bayernund Nationalspieler Thomas Strunz aber kann – trotz mancher Kritik von Trapattoni – wirklich mit seinen Erfolgen und Titeln strunzen.
Karl-Josef Mewaldt, Buxheim, Allgäu
(Anm. d. Red.: Im Westmitteldeutschen wird »strunzen« laut Duden Online salopp auch für »urinieren« verwendet.)
Wenn man schlecht geschlafen hat oder sich – wie es auf Neudeutsch heißt – völlig »ausgepowert« fühlt: Nichts trifft diesen Zustand besser als das Wort zergramattert. Meine Urgroßmutter aus Masuren benutzte dieses Wort häufig. Ich habe es nie wieder gehört.
Als kleines Mädchen habe ich gern mit Puppen gespielt. Meine Mutter war Schneiderin, und so lernte ich früh, meine Puppe »Hansele« selbst einzukleiden. Natürlich waren meine Näharbeiten nicht perfekt, und meine Mutter titulierte die Ergebnisse als Hanselearbeit. Diesen Begriff übertrug sie schließlich auf alle Arbeiten, die wir Kinder nicht fehlerlos erledigten. Bis heute hat sich »Hanselearbeit« in unserer Familie gehalten. Sogar im Freundeskreis macht er die Runde. Meine Freundin Renate sagte mir kürzlich: »Ich nähe mir meine Kleidung wieder selbst, aber das ist keine Hanselearbeit.«
Mein Wort-Schatz ist ein Wort, das es gar nicht gibt. Vor fast fünfzig Jahren lernte ich von meinem Bruder das Wort respensabel. Tatsächlich passt dieses Wort in fast jeden Satz mit einem Adjektiv. Das Gegenüber im Gespräch glaubt immer zu verstehen, was man meint. Mit Klassenkameraden zusammen übte ich, dieses Wort im Unterricht zu verwenden und wie selbstverständlich zu benutzen. Wie groß waren unser Erstaunen und unsere stille Freude, als wir eines Tages das Wort »respensabel« auch aus dem Mund eines Lehrers hörten!
Kürzlich las ich an dieser Stelle das Wort Ratzeputz. Dazu folgende kleine Geschichte: In den frühen achtziger Jahren lebte mein Freund David aus Plymouth, England, bei uns in Karlsruhe. Eines Tages kommentierte er seine Enttäuschung darüber, dass unser gemeinsamer Lieblingstee im Laden ausverkauft war, mit den Worten: »That chinese black tea was ratzeputzly gone!« Damit war für uns ein geflügeltes Wort geboren.
Ein Wort, das ich früher ab und zu von meiner sudetendeutschen Mutter hörte und inzwischen tot geglaubt hatte, ist der Pallawatsch. Meine Mutter benutzte diesen Ausdruck etwa, wenn sie durch Unachtsamkeit Durcheinander angerichtet hatte. Nun habe ich gegoogelt, und siehe da, in Österreich und zwar vor allem in den östlichen Bundesländern benutzt man ihn noch heute. Der Pallawatsch ist eine Verballhornung des italienischen balordaggine, wörtlich übersetzt »Tölpelei«. Das Wort erinnert an die Zeit, als Österreich noch bis an die Adria reichte.
Redete ich als Kind Unsinn, bekam ich von meiner Essener Omi prompt zu hören: »Was für ein Kokolores!« Gleiches sagte sie, wenn irgendetwas Merkwürdiges in der Zeitung stand oder wenn ihr sonst etwas nicht gefiel. Dieses zwar kraftvolle, doch nicht verletzende Wort habe ich seither aus keinem anderen Mund mehr gehört.