Ich sitze in der S-Bahn, Stuttgart stadtauswärts. Es ist ruhig, die Fahrgäste lesen, schauen aus dem Fenster, aufs Handy – das Übliche. Plötzlich ertönt die Stimme des Zugführers: »Guten Tag an Bord der S4 auf dem Weg von Stuttgart nach Marbach!« Es folgt eine ausführliche Ansage über eine Fahrplanänderung, die mit den Worten schließt: »Ich wünsche Ihnen eine angenehme Weiterfahrt. Unser nächster Halt ist, falls die Bahnsteige nicht geklaut worden sind: Stuttgart-Nord.« Gemeinsames Lachen im S-Bahn-Wagen über diesen gut gelaunten Zugführer.
In Bogotá Frau Lilly Ungar begegnet zu sein, der Inhaberin der Librería Central. Sie ist die Seele ihrer Buchhandlung und fast täglich dort anzutreffen, obwohl sie an die 94 Jahre alt ist. 1938, kurz vor ihrem 18. Geburtstag, hat sie aus ihrer österreichischen Heimat nach Kolumbien fliehen müssen. Aber noch heute klingt ihr Wienerisch so unverfälscht, als ob sie die Stadt nie verlassen hätte.
Meine sechsjährige Tochter Sophia, die mich immer ganz erstaunt und neugierig anschaut, wenn mir beim Lesen der Was mein Leben reicher macht-Rubrik ein lautes Lachen oder eine Träne der Rührung rausrutscht. Und die dann fragt: »Mami, was ist denn los?«
Paddeln im schwedischen Schärengebiet. Vor 50 Jahren sind Lars und ich die Strecke Kalmar–Västervik in einem Faltboot gefahren. Seit 25 Jahren hat mein Kamerad die fürchterliche Krankheit ALS. Er kann kaum noch laufen, und man kann ihn nur schwer verstehen. Aber er kann immer noch paddeln! Im August setzen wir uns wieder in den Doppelkajak, um Teile der alten Strecke zurückzulegen.
Der Auftritt einer alten Dame, die forschen Schritts auf mich zukommt: »Können Sie mir bitte gaaanz schnell drei Fahrkarten zum Hauptbahnhof aus dem Automaten lassen?« Sie hält mir einen Geldschein unter die Nase, und ich erledige den Auftrag. Da kommen zwei junge Erwachsene aus dem Parkhaus gerannt. Die Dame wedelt triumphierend mit den Tickets: »Sagte ich doch, Kinders: kein Problem für eure Omi!«
Auch unsere »Kleinen« (5, 9 und 16) haben Spaß an Gameboy und iPhone. Doch mit den Nachbarskindern aus dem zweiten Stock tauschen sie sich über den Balkon per Brief und Schnurpost aus. Hurra!
In der Berliner S-Bahn höre ich zu, wie sich zwei Germanistik-Studenten unterhalten: »Wie weit biste?« – »Viertes Semester!« – »Wat lest ihr denn jrade im Seminar?« – »Fontane, Effi Briest.« – »Soll furchtbar sein!« – »Schlimmer!!!«
Herbert Schüngeler, Hückelhoven-Brachelen, Nordrhein-Westfalen
Philemon und Baucis in einem Hotel: Ein älteres Ehepaar wartet auf den Fahrstuhl. Als dieser hält, ist nur noch Platz für eine Person. »Wir lassen uns nie allein«, lässt die alte Dame würdevoll vernehmen, während sich das Paar an den Händen hält. Noch nach Tagen kann ich nur mit Rührung an diese Szene zurückdenken.
Der Schornsteinfeger, der jeden Morgen an mir vorbeifährt, wenn ich mit meiner Hündin spazieren gehe, und der mich seit einiger Zeit freundlich grüßt, hielt heute neben mir an, ließ die Scheibe herunter und gab mir ein kleines Schornsteinfegermännchen. Mehr Glück kann man an seinem Geburtstag gar nicht haben!