Lesezeichen
 

Was mein Leben reicher macht

Ein Rotweinabend – ich lese meinem zukünftigen Mann expressionistische Lyrik von Georg Heym vor. Wir malen uns die bunten, wilden, kriegerischen Bilder aus. Dann sage ich: »Der hat den Krieg übrigens nie erlebt. Ist vorher beim Schlittschuhlaufen ertrunken.« Daraufhin er: »So wie Karl Marx, der war ja auch nie im Wilden Westen.« Ich pruste los, nach einem Moment merkt auch er, dass da etwas nicht stimmte. Wir lachen Tränen. Ich liebe diese Prise Verpeiltheit an ihm!

Anna Mackenbrock, berlin

 

Was mein Leben reicher macht

Mein Sohn Benjamin, der mich – in der Babytrage an meinen Bauch geschnallt – selig anschnarcht, während ich zwischen Abwaschbergen in der Küche Songs der Red Hot Chili Peppers singe und Luftgitarren-Soli zum Besten gebe.

Leif Schomann, Bremen

 

Was mein Leben reicher macht

Die Trompetenklänge des Turmbläsers der Kirche St. Marien in Celle. Vom 75 Meter hohen Turm der Kirche begrüßt und verabschiedet der Turmbläser den Tag.

Hans-Peter Schäfer, Celle

 

Was mein Leben reicher macht

Auf dem Weg zu meiner Facharztprüfung in Düsseldorf haben wir eine Autopanne. Während mein Mann und meine kleine Tochter auf den Abschleppdienst warten, fahre ich mit dem Taxi. Ich bin fruchtbar angespannt, aber trotz mehrerer Staus schaffen wir es gerade noch. Als wir vor der Ärztekammer halten, nimmt der Taxifahrer sein Pausenbrot aus dem Handschuhfach und sagt: »Sie haben heute sicher nicht gefrühstückt.« So viel Freundlichkeit! (Und die Prüfung habe ich auch bestanden.)

Ina von Hedenström, Königswinter

 

Was mein Leben reicher macht

Ich bin untröstlich, weil ich meine superschöne Mütze in der S-Bahn verloren habe. Am nächsten Tag stehe ich am Bahnsteig, und meine Mütze läuft an mir vorbei! Auf dem Kopf eines Obdachlosen!! Irgendwie cool und plötzlich gar nicht mehr so schlimm.

Manuela Nothacker, Mainz

 

Was mein Leben reicher macht

Mein Sohn, 42 Jahre alt, lebt seit 20 Jahren in der Schweiz, und wir sehen uns leider nur ab und zu. Als er gerade bei mir zu Besuch in Münster war, erwischte ihn eine unangenehme Grippe. Mit Fieber lag er auf der Couch, und ich pflegte ihn – wie früher. »Wenn man schon unbedingt krank werden muss, was kann einem da Besseres passieren, als dass man zu Hause bei Mama krank wird«, flüsterte er mir mit heiserer Stimme zu.

Beate Mielke, Münster