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Was mein Leben reicher macht

Es ist kurz vor Mitternacht und meine 16-Quadratmeter-Wohnung platzt aus allen Nähten. Auf einmal stürzen alle auf mich zu: »Verdammt Lukas, du bist jetzt 20!« Ich werde umarmt und blicke in Gesichter, die mir bei Beginn des Studiums vor drei Monaten noch völlig fremd waren. Nun kommt es mir so vor, als hätte ich sie schon immer gekannt.

Lukas Knauer, mannheim

 

Was mein Leben reicher macht

Abends im Österreichurlaub. Unser dreijähriger Sohn Elias entdeckt Kerzenlicht im Fenster eines Bauernhofes und ruft erfreut: »Der Bauer hat eine Kerze angemacht. Die Kühe feiern Geburtstag!«

Michael Klotz, Stuttgart

 

Was mein Leben reicher macht

Wir kamen aus dem Urlaub eingeflogen. Auf dem Flughafen in Frankfurt am Main simsen wir unseren Nachbarn: »Sind gut gelandet«. Unser Zug fährt in den Erfurter Bahnhof – und in der Halle steht der Nachbar und meint: »Wir kamen grad aus Jena und waren noch angezogen. Da bin ich gleich losgefahren.« Zu Hause erwartet uns seine Frau mit Glühwein, Fettbroten und Apfelkuchen.

Susanne Wagner-Schröer, Erfurt

 

Was mein Leben reicher macht

Wenn ich an kalten Tagen – wie immer ein paar Minuten zu spät – das Haus verlasse, um zur Arbeit zu fahren, und sehe, dass mein Mann die Autoscheiben für mich freigekratzt hat.

Eva Steinhagen, Seligenstadt

 

Was mein Leben reicher macht

Der Winter hat Einzug gehalten, die Tiere frieren, wir menschen auch. meine Frau holt die Gartenschuhe aus der Kälte herein. In einem Schuh hat eine große Fliege Unterschlupf gesucht. Sie ist fast bewegungsunfähig. Dietlind, die keiner Fliege etwas zuleide tut, aber auch keine in der Wohnung duldet, nimmt die erstarrte Kreatur behutsam in die Hände und trägt sie an einen geschützten Platz auf der Terrasse. Danke, Dietlind, ich liebe dich, auch dafür!

Peter Listemann, Eschen, Fürstentum Liechtenstein

 

Was mein Leben reicher macht

Nach fünf Tagen Zugreise von Innsbruck nach Athen erreichen wir am Sonntagabend den Hafen von Piräus. Vergeblich versuchen wir, Brot zu kaufen. eine Frau am Postkartenstand schenkt uns einen Laib aus ihrem eigenen Vorrat. Später finden wir dann noch einen Händler, der uns Zaziki und Oliven verkauft. Bei Dunkelheit, an Deck der Fähre nach Kreta genießen wir dieses Festmahl.

Hannah Spielmann, Innsbruck

 

Was mein Leben reicher macht

Ich verbringe einige Monate als Stipendiatin in der Cité Internationale des Arts Paris. ein großes Glück für eine Malerin! Und besonders schön ist es, immerzu mit »Madame« angesprochen zu werden (auch wenn man gar nicht so elegant gekleidet ist wie die Pariserinnen).

Dora Wespi, Paris/Luzern

 

Was mein Leben reicher macht

Nach langjährigem Kinderwunsch und überstandenem brustkrebs meine vier monate alte Tochter in den Armen zu halten. Ich genieße jeden Tag mit diesem kleinen menschlein.

Meike Ottersbach, Greifswald

 

Was mein Leben reicher macht

Ich bin seit drei Jahren HIV-positiv, was zu der ein oder anderen Ablehnung führte. Es gibt nichts Schöneres als das Gefühl, dass es nun jemand auf der Welt gibt, der mich nimmt, wie ich bin – auch wenn er ein paar hundert Kilometer entfernt ist…

Marcel Dams, Köln

 

Was mein Leben reicher macht

Ich stehe am Fähranleger und warte auf das Anlegen der Fähre. Die Zeit tropft. Dann endlich erreicht mein Freund das Eiland und nimmt mich in die Arme. Ein Wochenende liegt vor uns: Die Zeit beginnt zu fließen.

Birte Martin, Hallig Langeneß, Schleswig-Holstein