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Was mein Leben reicher macht

Mein über 80 Jahre alter Nachbar, der sich ausgiebig Zeit lässt, seine Leiter am Apfelbaum zu positionieren (dabei jede Hilfe ablehnt), dann sehr behutsam hochklettert, nach einer gefühlten Ewigkeit wieder absteigt und strahlend das Paar Äpfel in seiner Hand betrachtet.

Matthias Kempf, Herzogenaurach

 

Was mein Leben reicher macht

Wenn ich als Exil-Bayerin in Frankfurt meine türkische Änderungsschneiderei betrete und auf meine Begrüßung anstatt des üblichen »wenn ich ihn sehe« ein herzliches »Grüß Gott« zurückerhalte.

Eva Segner, Frankfurt/Main

 

Was mein Leben reicher macht

Frühmorgens in der Arztpraxis. Außer mir sind noch keine Patienten da. Zwei Assistentinnen arbeiten am Bildschirm. Eine dritte legt mir ein Gerät an, das ich einen Tag später zurückbringen soll. »Wieder um halb acht?«, frage ich. Ich muss einen recht kläglichen Eindruck gemacht haben, denn sie sagt mitleidsvoll: »Es kann auch erst gegen neun sein.« Da entfährt mir erleichtert der Ausruf: »Küsschen-Küsschen.« Alles lacht.

Günter Apsel, Münster

 

Was mein Leben reicher macht

Der ICE am Samstagmorgen nach Frankfurt – ein blindes Pärchen tastet sich elegant durch den Waggon – meine Nachbarn und ich, wir zwinkern uns zu: RESPEKT!

Gunther Ruettiger, Frankfurt/Main

 

Was mein Leben reicher macht

Der Schuhhändler im süditalienischen Lecce, der mir weiche, handgefertigte Ledersandalen über die pflastermüden Füße streift und mir erklärt, wie die billige Ware aus China ihm das Leben schwer mache. Er lächelt stolz: »Du erwirbst mit diesen Schuhen ein Produkt höchster Qualität. Sie werden dich tragen, egal wie weit. Und wenn du das nächste Mal nach Lecce kommst, dann besuch mich und erzähl mir, wie es dir ergangen ist.«

Cornelia Hickmann, Dresden

 

Was mein Leben reicher macht

Nach dem Abstieg vom Huayna Picchu kehren wir in der Dämmerung ins Ausgangslager zurück, setzen uns ans Bachufer und tauchen unsere geschundenen Füße ins Wasser. Unter dem Eindruck der Erlebnisse stimme ich – mitten in Peru – ein deutsches Volkslied an: »Abendstille überall.« Da erklingt vom anderen Ufer die Fortsetzung des Lieds: »Nur am Bach die Nachtigall.« Überraschung! Leider haben wir die Sängerin nicht kennengelernt, denn inzwischen war die Sonne ganz untergegangen.

Werner Göpel, Kaufbeuren

 

Was mein Leben reicher macht

Große Distanzen dank moderner Technik überwinden: Meine Mutter in Deutschland ruft via Internet im weit entfernten Oman an: »Haaalloooo, Schätzchen, hörst du mich?« Wie schön, und wie vertraut!

Marina Tsaliki, Maskat, Oman

 

Was mein Leben reicher macht

Ein sonniger Nachmittag im Garten. Unser Sohn, zweieinhalb Jahre mit Downsyndrom, steht das erste Mal alleine auf und läuft vier Schritte in meine Arme.

Heye Christiansen, Linden, Hessen