Ein typischer Tag in Hamburg: Ich gehe bei Sonnenschein in den Supermarkt, als ich ihn zehn Minuten später verlassen will, regnet es. Ich verdrehe die Augen. »So ein nerviges Wetter!« Da kommt ein kleiner Junge auf dem Fahrrad vorbei und ruft: »Cool, so ein schöner Regen!« Und plötzlich ich freue mich auch.
Mein Sohn ist geistig behindert. Alle zwei Wochen kommt er nach Hause. Dann machen wir sonntags einen Spaziergang durch den Ort, bei dem wir auch in der Eisdiele einkehren. Nun wechselte dort der Besitzer – und als wir wieder hinkamen, begrüßte der neue Chef meinen Sohn mit Vornamen! Christian war völlig erstaunt und freute sich unglaublich. Offensichtlich wurde er beim Übergabegespräch mit übergeben. Das ist Inklusion!
Ich radle mit meinem Enkel (sechs Jahre) nach seiner Kletterstunde durch den Park von Sanssouci heim. Vom Kindersitz aus stellt er Fragen über Fragen: zu Königen, Prinzen und den Schlössern im Park. Ich versuche redlich, sie alle zu beantworten – dann kommt die ultimative Frage: »Wie wurde der allererste König zum König?« Mein kurzes Zögern nimmt er beschwichtigend auf »dann können wir das ja mal zu Hause googeln…«
Meine fünfjährige Tochter. Sie kommt ins Zimmer und sagt »Papi, hug!« Wir umarmen uns etwa 20 Sekunden, bis sie sagt: »enough«, das Zimmer verlässt und sich wieder dem iPad zuwendet.
Ich paddle in Kreuzberg den Landwehrkanal entlang. An den Ufern dösen Sonnenanbeter, und im Wasser treiben Flaschen. Ich fasse mir ein Herz und fische sie aus dem Wasser. Das Boot ist schnell voll. Die Ladung scheppert bei jedem Schlag des Paddels, was mir irgendwie peinlich ist. Doch kaum ist die Ladung gelöscht, verdrängt die Freude, die ich den Berliner Flaschensammlern damit bereite, jegliches Gefühl von Peinlichkeit.
Mein frisch gebackener Rhabarber-Kuchen. Das Rezept stammt aus dem Kochbuch meiner Patentante. Den Rhabarber haben wir vergangenes Jahr in unserem neuen Garten auf Anregung meines Mannes gepflanzt. Nun ernte ich die ersten Stangen und genieße das süßsaure Geschmackserlebnis.
Das Teenager-Pärchen, das ich (fast) jeden Morgen zur Schule radeln sehe – er die linke Hand am Lenker, sie die rechte, und in der Mitte halten die beiden Händchen. Wenn der Tag so anfängt, denke ich mir, kann ihnen nichts wirklich Schlimmes mehr passieren…