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Was mein Leben reicher macht

Eine Nachricht von unserer russischen Freundin Olga. Sie wohnt in einem hässlichen Plattenbau in der Stadt Pskov. Kürzlich besuchte Putin die Stadt. Olga schrieb uns danach: »Unser Haus wurde neu gestrichen. Im Treppenhaus hat man die kaputten Postkästen durch neue ersetzt. Der Hof wurde mit Grasrollen bedeckt. Für die Kinder wurde eine bunte Rutsche aufgestellt. Die ganze Nacht wurde die Straße gewaschen und geputzt. Hoffentlich besucht uns Putin bald wieder!«

Erik Herfurth, Lübeck

 

Was mein Leben reicher macht

In der S-Bahn das Gespräch zweier Jugendlicher zu verfolgen, die sich über die Hochschulen in ihrer türkischen Heimat und in Deutschland unterhalten. Beide tragen ein T-Shirt mit der Aufschrift: »Abi 2011 – wir haben es geschafft.«

Alexander Castle, München

 

Was mein Leben reicher macht

Heute Morgen, in der Dorfbäckerei, fragt mich ein Mann, offenbar wegen meiner »naturkostigen« Kleidung: »Kennen Sie Rudolf Steiner?« Ich bejahe. Da wird aus dem schnauzbärtigen Vertretertyp in Sekundenschnelle ein Bub mit strahlenden Augen: »Ich war Waldorfschüler! « Und er hebt an, aus dem Prolog im Himmel zu deklamieren: »Die Sonne tönt nach alter Weise in Brudersphären Wettgesang …« Als ich mit einstimme, schüttelt die Verkäuferin belustigt den Kopf. Und mein Tag ist dank der gemeinsamen Liebe zur Literatur gerettet!

Elisabeth Wagensommer, Salem-Weildorf

 

Was mein Leben reicher macht

Zu beobachten, wie eine mit Lernmaterial vollbepackte Studentin in der Universitätsbibliothek am Zeitungsständer
stehen bleibt, die Bücher und Ordner ablegt und sich drei Minuten Zeit nimmt, um stehend die letzte Seite der ZEIT zu lesen. Eine Oase der Entschleunigung in der stressigen Klausurenphase am Ende des Semesters. Auschecken aus der wissenschaftlichen Welt, eintauchen in das wirkliche Leben!

Teresa Maria Tropf, Düsseldorf

 

Was mein Leben reicher macht

Ich hatte Sommerurlaub und entschloss mich daher, trotz Sommerregens und ohne bestimmtes Vorhaben, nach Trier zu fahren. Dort angekommen entsschloss ich, mir im ersten Konfektionsgeschäft eine zusätzliche Jacke zu kaufen, um nicht weiter frieren zu müssen. Da ich auf die Schnelle nichts Passendes fand, entschloss ich mich für die günstigere Variante. Gut gerüstet bezog ich Platz auf der Terrasse der gegenüberliegenden Eisdiele. Die stabilen Sonnenschirme und Möbel schützten die Gäste vor Regen. Hier wollte ich mich von innen wärmen, mit einem Kaffee und einem heißen Apfelstrudel mit Vanillesoße. Ich studierte die Karte von oben nach unten und fand keinen Strudel auf der Karte. Trotzdem bestellte ich ihn bei der netten Bedienung, einer Italienerin im fortgeschrittenen Alter. Sie machte mich freundlich und in gebrochenem Deutsch darauf aufmerksam, dass jetzt die Sommerkarte aktuell sei, Strudel sei ein Angebot der Winterkarte – auch wenn man bei den momentanen Temperaturen durchaus annehmen könnte, dass Winter sei. Gut, ich bestellte Käsekuchen und Kaffee. Beim Bezahlen verabschiedete sie mich mit den Worten. „Wenn du dich noch an Apfelstrudel auf der Karte erinnerst, warst du lange nicht mehr da. Komme wieder, bevor die Winterkarte kommt.“, so als seien wir gute Bekannte und ich ein Stammgast. Diese herzlichen Worte haben mich berührt und den ganzen Tag gewärmt.

Beate Niewel, Saarburg

 

Was mein Leben reicher macht

Rushhour vor dem Frankfurter Hauptbahnhof. Ich helfe einem blinden Jungen, gerade mal ein paar Jahre jünger als ich (24), in die richtige Tram. Ich möchte ihm einen Sitzplatz suchen, doch er lächelt nur und meint, er steige gleich wieder aus. Er steigt aus, ich beobachte ihn und frage mich, ob er alleine mitten in diesem Getümmel klarkommt.
Mein Herz wird schwer. Die Tram fährt weiter, und ich sehe, dass er von einem Mädchen abgeholt und zu ein paar Jugendlichen geführt wird, die ihn herzlich begrüßen. Er sieht glücklich aus. Und ich bin es auch.

Akima Spatz-Safidine, Hanau

 

Was mein Leben reicher macht

Mein Freund Jörg, der wie selbstverständlich zwei Wochen lang mit mir den Nachlass meines Vaters geregelt hat. Und meine Freundin Kirsten. Als sie die Nachricht vom Tode meines Vaters bekam, ließ sie spontan ihren Mann und drei kleine Jungs zu Hause und fuhr 150 Kilometer – nur, um bei mir sein zu können.

Elke Pelzer, Eelderwolde, Niederlande

 

Was mein Leben reicher macht

Das Gewitter, das sich mit taghellem Wetterleuchten in der Nacht bemerkbar machte und dann mit enormem Grollen aus den Rocky Mountains ins Tal rollte. Der Bär, der im Frühnebel nach dem Gewitter vor dem Haus auftauchte und sich quer über die Wiese in Richtung Sportplatz trollte. Auf dem gepflegten Rasen des Sportplatzes fand ein Fußballturnier für Mädchen statt. Die Luft war voll von begeisterten Rufen und Freundlichkeit. Die Eltern saßen auf dem Rasen, feuerten ihre Kinder an und trockneten auch die Tränen der Gegner. Ein Mädchen schoss den Fußball aus dem Spielfeld,  ich schoss ihn unbeholfen über den Zaun zurück und entschuldigte mich dafür bei ihr. „Macht nichts. Du hast den Ball über den Zaun zurückbekommen. Das ist toll.“

Gerade spielte eine Frauenmannschaft in Deutschland Fußball. Vielleicht haben sie einmal Fußball gespielt wie diese Mädchen.

Sigrun Seidel-Petry, Rostock

 

Was mein Leben reicher macht

Unsere wundervolle Hebamme. Dank ihrer Begleitung und Unterstützung konnten wir unseren jüngsten Sohn Benno dort bekommen, wo er hingehört: in unserem Wohnzimmer in unserer Mitte. Fernab jeglicher Hektik und Klinikroutine
kam er gesund und friedlich zur Welt.

Heidi Huckert, Landsberg

 

Was mein Leben reicher macht

Mein Sohn, ein gestandener Mann, Mitte dreißig, war kürzlich mit seinem Wagen auf Urlaub in Frankreich. Als eine Warnlampe aufleuchtete, rief er mich an. Ich solle bei einer hiesigen Firma erkunden, was es zu bedeuten habe. Und per Internet herausfinden, wo in Orléans eine Fachwerkstatt zu finden sei. Man braucht mich noch immer! Das ist Balsam für die Seele eines ehemals alleinerziehenden Vaters mit drei Kindern.

Wolfgang Schlüter, Münster