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Stumme Bewegungen, glückliche Gesichter

Morgens, wenn ich meinen kleinen Sohn zum Kindergarten auf dem Gelände einer evangelischen Stiftung bringe, kommen wir an einem Gruppenraum vorbei, in dem jeden Morgen Menschen verschiedenen Alters, unterschiedlicher Statur und Grazie tanzen. Manche im Rollstuh dabei. Im Winter sind die Fenster geschlossen. Stumme Bewegungen, glückliche Gesichter. Im Sommer sind die bodentiefen Fenster geöffnet. Sambaklänge, Popmusik oder Klassik und dazu die sich wiegenden, rappenden, hopsenden Körper. Oft tanzen Tilman und ich ein paar Schritte mit. Der Rhythmus und die Freude begleiten uns durch ganzen den Tag. 
 
Anneke Hoppensack, Hamburg
 

 

Stadionfieber

Freunde nennen es Stadionfieber. Es bricht regelmäßig aus. Immer dann, wenn ich mit ihnen blau-gelb-weiß kostümiert durch das Paradies gehe, wobei ich meist angespannt-aufgeregt (eindeutiges Symptom!) vorneweg renne und zur Belustigung der Gruppe stets zum zügigen Aufschließen der Selbigen mahne. Ungeduldig sehne ich mich den kommenden 90 Minuten in der Kurve entgegen, deren bratwurst- und biergeschwängerte Luft beruhigend auf mich einwirkt. Erst nach Abpfiff klingt es langsam ab. Dieses Fieber ist chronisch. Dennoch mag ich es.

Philipp Kückhoven, Jena

 

Was mein Leben reicher macht

Dass meine Kinder auch noch mit fünfzehn und elf Jahren an die Haustür stürzen und „Papa!“ rufen, wenn ich von einer Reise nach Hause komme.

Uli Manschke, Norderstedt

 

Pianomusik, Schnee, Ruhe

Kerpen. Im kleinen Café sitzen wir wie im zweiten Wohnzimmer und hören live Pianomusik von Christian Willisohn. Wir lassen uns von Blues und Jazz inspirieren, am Ende reißt es alle zum Beifall von den Plätzen. In der sternenklaren Nacht stapfen wir dann nach Hause, durch Schnee und Ruhe.

Günther Wyrwoll, Meckenheim

 

Bobo Siebenschläfer

Papa Siebenschläfers drollig resigniertes Gesicht, wenn der kleine Bobo es mal wieder geschafft hat, ihn vom Zeitunglesen abzuhalten. Ähnlich sehe ich wohl aus, wenn meine zweijährige Tochter ebenso erfolgreich ist. Außerdem: Hier zeigt sich mal wieder, dass richtig gute Kinderbücher immer auch etwas für Erwachsene sind!

Maja Kleine, Monheim am Rhein
„Bobo Siebenschläfer“ von Markus Osterwalder ist bei Rowohlt erschienen

 

Wieder auf Skitour

An Heiligabend 2010 eine einsame Langlaufski-Tour durch den verschneiten Winterwald machen: Die Tannen links und rechts von mir sind bestimmt so hoch wie unser Kirchturm im Dorf. Und mich an die gleiche Skitour an Heiligabend 1980 erinnern. Damals reichten mir die Tannen gerade bis zum Knie! Drei Jahrzehnte Lebenszeit – doch die Freude am Skilanglaufen ist die gleiche geblieben.

Waltraud Günther, Glatten, Schwarzwald

 

Trost

Eine Zeit lang lebte ich in Bordeaux. Einmal fuhr ich mit der Straßenbahn, fühlte mich hundemüde, allein und war wohl deshalb auf einmal dem Heulen nahe. Neben mir saß ein Mann: Mitte dreißig, riesige Hände, dreckige Fingernägel, Piercings überall, Bomberjacke – ein Bauarbeiter. Er streckte mir ein paar Blätter Klopapier hin, lächelte. An der nächsten Haltestelle stand er auf, gab mir zum Abschied die Hand, meine Finger zerbrachen fast unter dem kräftigen Händedruck. Er machte ein unverständliches Geräusch, lächelte wieder, klopfte mir auf die Schulter und ging. Er war ganz offensichtlich stumm.

Nina Guérin, Stuttgart

 

Was uns beide glücklich macht

Jeden Morgen: Ich auf einem Hocker, mein prächtiger Kater mit dem Po zu mir, die Schnauze tief im Futternapf. Mit dreierlei Bürsten bearbeite ich sein herrliches Fell. Er knackt sein Trockenfutter und schnurrt dabei sehr laut. Falls ich mal Pause mache, schaut er sich um mit diesem Blick: „Was ist?“ Irgendwie hat er mir dieses Ritual beigebracht. Es macht uns beide sehr glücklich.

Dorothea Manusch, Itzehoe

 

Opa ist da!

Wie an jedem Donnerstag: Besuch bei den Enkelkindern. Rebecca, zweieinhalb, öffnet die Tür und strahlt übers ganze Gesicht, großes Hallo. Bei der Begrüßung nimmt sie mir bereits die Mütze vom Kopf und beginnt, meinen Mantel zu öffnen. „Opa, ausziehen“, sagt sie dann und bringt alles schnell zur Garderobe. Nur so ist sie offenbar sicher, dass ich bleibe.

Berthold Stötzel, Siegen