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Wiedersehen mit Oskar

Spaziergang: Hinter einer Hecke stand ein älterer Mann und wir grüßten einander. Ja, kein Zweifel: die kleine Narbe über dem Auge. „Sie sind Oskar, nicht wahr?“ „Das stimmt, und wer sind Sie?“ Ich stellte mich vor. Vor vielen Jahren hatten wir in der gleichen Firma gearbeitet, „Was ist eigentlich aus Herrn N. geworden?“ – wie zwei alte Kollegen sich so austauschen. Oskar berichtete vom Neuanfang nach der Flucht aus Pommern. Wie er mit seinen Eltern dieses Haus gebaut hatte. Er erzählte von seiner Karriere und vom Handball, auch davon, dass er seine Frau verloren hatte und wie schwer das Leben nun sei. Den ganzen Abend bewegte mich dieses Gespräch, die Geschichte von Menschen, die sich immer wieder aufrichteten.

Detlef Witt, Pinneberg

 

Augsburger Zufälle

Auf der Fahrt nach München, um einen meiner Söhne zu besuchen, in Augsburg Station gemacht. Hab mich an die Augsburger Puppenkiste erinnert, die in meiner Jugend an Sonntagen nicht wegzudenken war. Das Theater gibt’s noch, jedoch: ausverkauftes Haus. Hab versucht, an der Abendkasse noch eine Karte zu bekommen. Irgendjemand hatte seine zurückgegeben. Erste Reihe. Wie viele tolle Zufälle doch zusammentreffen können!

Herbert Behr, St. Ingbert

 

Freundlichkeit in Jantarnyj

Auf „ZEITreise“ In Palmnicken, heute Jantarnyj: Es ist heiss. Nach einem Picknick am Strand steige ich langsam die Treppen zur Straße hinauf. Dort hat meine Reisegruppe die Fahrräder abgestellt und dort wartet eine Bus, der uns
nun nach Kaliningrad bringen wird. Ein Mann holt mich ein, nickt mir fragend zu und deutet auf meine Fahrradtasche. Ich nicke zurück und drücke sie ihm in die Hand. Mündlich verständigen können wir uns nicht. An der Straße angekommen überreicht mir mein Begleiter die Tasche. Wir verabschieden uns mit einer freundlichen Verbeugung.

Karin Thümmler, Kassel

 

Der Ruheberg

Der Baum, unter dem wir dereinst begraben werden, hat die Nummer 250. Als der Forstbeamte, der uns auf den Ruheberg begleitete, mit stolzem Lächeln verkündete, dass man von hier eine prima Aussicht habe, stand unsere Entscheidung endgültig fest. Sieben Menschen finden unter dem riesigen Bergahorn Platz, fünf Namensschilder hängen schon, die Nächsten sind wir. Muss ja nicht morgen sein.

Christel und Jaroslav Olejar, Sexau, Baden

 

Lob der Enkelinnen

Antonia (2) und Blanca (5) sind zum ersten Mal 6 Tage alleine bei Oma und Opa – 700 Kilometer von zu Hause entfernt. Am letzten Tag erklärt Blanca im Rückblick auf die vergangenen Tage: „Die Woche bei Oma und Opa war auch ohne Mama richtig schön.“ – Kann es für Großeltern ein beglückenderes Feedback für eine intensive „Verantwortung auf Zeit“ geben ?

Hans und Sabine Freudenberg, Unna

 

Pilze sammeln

Pilze sammeln im Wald mit unserer siebenjährigen Tochter, eine fast vergessene Kunst. Es ist wunderbar, zu sehen, mit welcher Begeisterung ein Kind im Wald sucht und findet: Pilze, Vogeleierschalen, von Eichhörnchen abgeknabberte Tannenzapfen, Ameisenstraßen, Gewölle, Spuren von Tieren aller Art. Und danach gemeinsam kochen…

Kerstin Celina, Kürnach, Unterfranken

 

Wie die Kulturen verwachsen

Die siebenköpfige kurdische Familie, die ein Doppelhaus mit mir teilt: Sie bringt mir Respekt und Ehrfurcht entgegen, nicht weil ich alt bin, sondern weil ich ein langes Leben gelebt habe, wie mit der 18-jährige Visdan erklärte. Firkrie, die Mutter, bringt mir von ihren Speisen, und ich lerne wieder die alte Kunst des Ausleihens, sei es eine Zwiebel oder eine Tasse Zucker. Mit Busra, der einzigen Tochter, kann ich mich über Politik unterhalten, sie hat viel Ahnung und interessiert sich für die Rolle der Frau, sowohl in Kurdistan als auch in Deutschland. Umut, der Erstgeborene, ist ein zorniger junger Mann, schön wie ein Gott. Wenn ich Kuchen rüberbringe, legt er zum Dank in einer unnachahmlichen Geste seine rechte Hand auf sein Herz und verbeugt sich leicht. Med, 14, und Ahmed, 12, führen mich in die Welt des Fußballs ein, und so bleibe ich im wahrsten Sinn des Wortes am Ball. So erleben wir Nähe und Distanz, zwei Kulturen, die sich gegenseitig bereichern. Als Symbol dafür steht unser gemeinsamer Gartenzaun: Die Kapuzinerkresse auf meiner Seite verbindet sich mit dem Wein auf der anderen – harmonisch und schön. Herr Sarrazin sollte uns einmal besuchen! Aber ich glaube, meiner Kapuzinerkresse würde das nicht gefallen.

Clara Squarra, Münster

 

Sonnenuntergang auf der Autobahn,

heiß im Auto, auf den Rastplatz abbiegen und meine Freundin anrufen – ihr von Freiheit lachen und singen, ihre Musik einlegen und sie ihre Lieder mitflüstern hören. Danach klebrige warme süße Cola, aussteigen und durch den plötzlichen Regenschauer laufen vor Glück.

Anita Chasiotis

 

Eine neue Freundschaft

Es ist nicht so leicht, im fortgeschrittenen Alter noch neue Freundschaften einzugehen mit all den alten Lasten, die wir so mit uns tragen. Mit Mitte 50 habe ich in Marianne eine Freundin entdeckt. Dieses Heranwachsen eines neuen Vertrauensverhältnisses, das allmähliche Entdecken der Seelenverwandtschaft und diese Freude am Zusammensein ist Glück pur.

Annedore Reich-Brinkmann, Wipperfürth