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Was mein Leben reicher macht

Ich eile durch Bonn, als mich ein Rollstuhlfahrer anspricht. Er müsse dringend auf die Behindertentoilette und bräuchte dabei Unterstützung. Dort angekommen, will ich mich verabschieden. »Nein, Sie müssen mit reinkommen. Allein geht es nicht.« Ich atme tief durch. »Sie müssen mir auch die Hosen runterziehen.« So setze ich ihn also auf den Thron. »Aber abwischen müssen Sie alleine«, sage ich. »Ja, das kann ich.« Als ich ihn danach noch zur U-Bahn fahre, höre ihn sagen: »Ach, geht es mir gut. Gott sei Dank!«
Ich bin Priester im Ruhestand und denke mir, wie man einen Menschen heutzutage doch zu einem Gebet animieren kann!

Wolfgang Teichert, Meiningen, Thüringen

 

Was mein Leben reicher macht

Ich sammele Nüsse auf. Als winziges Pflänzchen zur Geburt meines Enkels gesetzt, steht da jetzt ein kräftiger Nussbaum, der mich fürs ganze Jahr versorgt.

Sibylle Korber, Odenthal, Nordrhein-Westfalen

 

Was mein Leben reicher macht

Neulich in unserem Kindergarten: Ich lausche einer Erzieherin, die zwei Jungen dabei erwischt hat, wie sie ein Buch aus dem Bestand des Kindergartens zerlegten. Die Erzieherin setzt sich mit beiden zusammen und fragt – nachdem diese ihren Fehler eingesehen haben –, was sie denn tun könnten, um das Getane wiedergutzumachen. Einer der beiden Fünfjährigen überlegte kurz und sagte dann unvermittelt: »Ich könnte – nur für dich alleine – eine Ü berschwemmung machen!«

Robert Vedder, Lingen

 

Was mein Leben reicher macht

Leicht verärgert nach einem Zugausfall und 45 Minuten Wartezeit, bin ich endlich am Ziel. Ein älterer Herr sagt zu mir: »Sie haben einen sehr hübschen Hut auf!« Und dann der Nachsatz: »Ich bin schon 90, mir können Sie es glauben!« Es wurde ein schöner Tag.

Helga Laabs, Bonn

 

Was mein Leben reicher macht

In dieser Jahreszeit schafft es die Sonne morgens kaum über die Dächer der Nachbarhäuser. Aber wenn sie dann zu uns ins Wohnzimmer schaut, malt sie durch das Kristall unseres Kronleuchters hindurch lauter Glitzerpunkte und Regenbogenfische auf die Zimmerwände. Und wenn ich dann noch auf den Stuhl steige und den Leuchter ein bisschen anstupse, beginnen die Fische zu tanzen. Ich freue mich wie ein Kind über diesen Zauber.

Katharina Reinhard, Hildesheim

 

Was mein Leben reicher macht

Ganz unverhofft habe ich jemanden kennengelernt, der mich jeden Tag lächeln lässt. Und wenn ich jetzt Hans Albers höre und er singt: »Flieger grüß mir die Sonne, die Sterne und den Mond«, dann bleibe ich nur zu gerne hier, im kalten nassen Berlin und lass die anderen in die Ferne schweben, weil ich angekommen bin!

Franziska Feldmann, Berlin

 

Was mein Leben reicher macht

Gehen und dann wieder Pausen machen, weitergehen und schauen, gehen und ge­nießen. Die Sinne offenhalten. Gehen und sich austauschen mit anderen Menschen, die auch gerne gehen oder gerade mit ei­nem mitgehen.

Karl Brunner, Klagenfurt, Österreich