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Was mein Leben reicher macht

Die Fahrradstadt Göttingen im Herbst: Ich radle bei Sonnenschein ins Büro, verlasse es im Wolkenbruch. »Mist!«, denke ich, denn ich habe morgens vergessen, den Regenschutz über den Fahrradsattel zu ziehen. Finde mein Rad mit einer Plastiktüte über dem Sattel vor und kann – dank dieser freundlichen Geste – mit trockenem Po nach Hause fahren.

Barbara Schaff, Göttingen

 

Was mein Leben reicher macht

Nach einem langen Gartenaufräumtag sitze ich mit leichten Rückenschmerzen im Lesesessel, daneben mein lieber Mann, auch etwas »rückenmarod«. Jeder von uns hat ein Glas herrlichen Lagrein Riserva in der einen Hand und einen Teil der Zeitung in der anderen. Der alte Hund Didi schnarcht, eine Fliege summt.

Romana Prinoth, Innsbruck

 

Was mein Leben reicher macht

Das gleichmäßige Ticken meiner hölzernen russischen Schachuhr, hergestellt in den fünfziger Jahren, benutzt im Leningrader Schachclub von den führenden Großmeistern, erworben 1992 in Petersburg anlässlich eines Amateurturniers. Welch ein Gegensatz zu den seelenlosen digitalen Geräten aus Hartplastik, die heutzutage stumm ihren Dienst verrichten!

Joachim Rothmund, Biberach

 

Was mein Leben reicher macht

Einen Teil der Ferien verbringen meine beiden Enkel immer bei mir. Sie fühlen sich in meinem Haus und im Garten sehr wohl. Spontan fragt der sechsjährige Linus, der Jüngere von beiden: »Omma« – sie kommen aus dem Pott –, »wer bekommt dein Haus mal?« Ich antworte: »Na, ihr, meine Familie!« Längere Pause. »Omma, wann stirbst du?«

Georgia Kieck, Hamburg

 

Was mein Leben reicher macht

Erste Herbsttage: Jonagold, neue Ernte. Behutsam setze ich das Messer an. Kann ich die Schale in einem einzigen langen Kringel lösen? Nein, sie bricht. Aber ein anderer Kreis schließt sich, ganz unverhofft: Für einen Wimpernschlag sitze ich wieder neben dem Großvater. Er hat den großen Kringel mühelos geschält. Und reicht mir Apfelschnitz um Apfelschnitz.

Carola Nürnberg, Kirchheim bei München

 

Was mein Leben reicher macht

Samstag in meiner süddeutschen Heimatstadt. Ein klassischer Tag zum Autowaschen und -polieren. Auf dem Parkplatz des Edelitalieners sehe ich eine Menge schneller, schöner Autos. Vor einem BMW steht eine Gruppe junger Männer. In der Mitte der Wagenbesitzer, der voller Stolz sein Baby auf der Kühlerhaube wickelt. »Heilix Blechle!« Wie schön sich die Zeiten doch manchmal ändern.

Renate Maier-Scheffler, Plochingen, Baden-Württemberg

 

Was mein Leben reicher macht

Ich habe heute Morgen auf dem Weg ins Büro den charmantesten Busfahrer Berlins erlebt! »Die Hübschen dürfen auch vorne aussteigen!«, sagte er. Und er meinte tatsächlich mich.

Stefanie Kraus, Berlin

 

Was mein Leben reicher macht

Im Berner Bahnhof falle ich samt meinem neuen Elektrofahrrad rückwärts die Rolltreppe runter. Drei junge Türken stoppen die Treppe, stellen mein Velo auf die Räder und mich auf die Beine, und einer zeigt nach rechts: »Mann, dort hat Lift!«

Charles Haldi, Bern