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Ledergeld

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Im Nachlass meiner Eltern fand ich einige Geldscheine aus Leder. Das Notgeld aus den Jahren 1922/23 stammt aus Osterwieck, einem kleinen Ort zwischen Halberstadt und Goslar, in dem meine Mutter aufwuchs. Die Scheine fühlen sich samtweich an und sind immer noch schön anzusehen. Die Banknote über 100 Mark liebe ich besonders – weil meine Mutter nämlich das Gedicht in der Umrandung früher häufig zitierte:

In des Leders Werdegang
ist die Hauptsach der Gestank!
Kalk, Alraun, Mehl u. Arsen
machens gar recht weiß und schön.
Eigelb, Pinkel, Hundeschiete
geben ihm besondre Güte.
Drum bleibt stets ein Hochgenuß
auf den Handschuh zart ein Kuß.

Manfred Thönicke, Hamburg

 

Opas Führerschein

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In den Dokumenten meiner 1943 in Hamburg ausgebombten Tante fand ich den Führerschein meines Großvaters August Frank. 1908 bezahlte er für den Ausweis 50 Pfennig. Ihm wird bescheinigt, »mit der Bedienung von Kraftfahrzeugen mit Benzinmotoren bis zu 10 PS völlig vertraut« zu sein. Die Polizei hat überdies keine Bedenken, dass er eine zuverlässige Person sei. Ich weiß aus Erzählungen meiner Mutter, dass er einer der ersten Hamburger Taxifahrer war. Er fiel 1916 in Frankreich. Ich hätte ihn sehr gern kennengelernt.

Friedrich Kempcke, Hamburg

 

Tüte mit Erinnerungswert

Beim Einkauf in einem alteingesessenen Geschäft für Saatgut in Wismar zauberte mir die Verpackung spontan ein breites Lächeln ins Gesicht. Fast ein Vierteljahrhundert nach der Wende erhielt ich dort eine Papiereinkaufstüte aus der ehemaligen DDR. Sofort wurden Kindheitserinnerungen wach, zum Beispiel an Brötchen, die nur fünf Pfennige kosteten und die wir immer in diesen Tüten nach Hause trugen. Die wie frisch aus der Fabrik wirkende Tüte erhält einen Ehrenplatz an meiner Küchenpinnwand!

Manuela Bolze, Wismar

 

 

Das Fußballquartett

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So war Fußball in den fünfziger Jahren: ein Torwart, zwei Verteidiger, drei Läufer und fünf Stürmer. Libero, 4-4-2- und andere Systeme? Unbekannt! Und ob es nach Ende des Spiels heute auch noch so zugeht wie auf der Quartettkarte?

Heinz Grimm, Mainz

 

Wiedergefunden

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Beim Aufklaren gefunden: der Reisepass meines Großvaters Carl Grütter, ausgestellt anno 95. Aber nicht 1995, sondern 1895, in Hamburg. Personenbeschreibung: Statur mittel, Haare dunkel, Gesichtsform oval. Das genügte für den Identitätsnachweis. Kein Foto. Passnummer 478. Wer reiste damals schon zum Vergnügen? Reiseziel: Amerika. Nicht zum Auswandern im Zwischendeck, nur zum Besuch bei früher ausgewanderten Verwandten – die uns später Care-Pakete schicken sollten. Der Reisepass kostete ganze 25 Pfennig.

Walter Stephenson, San Pantaleo, Sardinien, Italien

 

Der Impfschein

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Die im Jahr 1840 siebeneinhalb Jahre alte Gesche Hansen war wohl meine Ururgroßmutter. Und geimpft wurde sie gegen die »Blattern«, ein alter Ausdruck für Pocken. Edward Jenner hatte in England im Jahre 1796 erstmals erfolgreich eine solche Impfung durchgeführt, aber erst 1980 konnte die WHO die Pocken endgültig für ausgemerzt erklären.

Benno R. Schwartz, Helmstedt

 

Die Bezugskarte

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Neben vielen alten Super-8-Filmen, die wir Geschwister inzwischen digitalisieren ließen, fand ich im Nachlass meiner Eltern auch diese alte Bezugskarte, die sie im Sommer 1943 erhalten hatten, nachdem sie im Hamburger Feuersturm ausgebombt worden waren. Ganz lapidar wurde dieses Wahnsinnsereignis, der Bombenteppich auf meine Heimatstadt, auf den Begriff »Fliegerschaden« und wir Ausgebombten auf »Fliegergeschädigte« reduziert. Auf der Rückseite der Karte hielt mein Vater übrigens akribisch fest, wofür die sieben Bezugsscheine verwendet werden sollten: »1 Trägerhöschen, 1 Gamaschenhose, 1 Jacke, 1 Hemdchen, 1 Höschen oder Schlüpfer, 2 Paar Strümpfe, 1 Schlafanzug oder Nachthemd«. Und so kam ich als knapp Einjährige in den Genuss einer kompletten neuen Garderobe …

Ute Reincke, Hamburg

 

Bilder aus Hamburg

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Mein Großvater diente im Zweiten Weltkrieg bei der Luftwaffe. 1943 wurde er nach Hamburg verlegt, wo es zwischen dem 25. Juli und dem 3. August heftige Angriffe gab; an die 40 000 Menschen kamen dabei um. Die sogenannte Operation Gomorrha, mit der die Briten und Amerikaner die zweitgrößte deutsche Stadt auslöschen wollten, stellte das bis Dato schwerste Bombardement in der Geschichte des Luftkrieges dar. Die Abteilung meines Großvaters war in der Innenstadt stationiert, und zwar an einer Flak (Flugabwehrkanone) auf dem Dach des Pressehauses am Speersort. (in dem Gebäude hatte damals das Hamburger Tageblatt seinen Sitz, nach dem Krieg waren die Redaktionen von Spiegel, stern und ZEIT dort untergebracht, letztere ist bis heute im Pressehaus geblieben, Anm. d. Red.). Während eines der letzten Angriffe in der Nacht vom 2. auf den 3. August fing das Dach Feuer. Die Flammen griffen auch auf das Munitionslager sowie ein Fotolabor im Inneren des Hauses über, bevor die Geschützmannschaft sie mit Sand löschen und sich – wie durch ein Wunder – in Sicherheit bringen konnte.

Gregor Mönnig, Düsseldorf

 

Der verlorene Brillant

In diesem Winter war ich mit drei meiner Kinder beim Schlittschuhlaufen auf dem See: Mützen, dicke Handschuhe, das volle Programm. Am Abend entdecke ich, dass aus dem Ring an meinem Finger ein Stecknadelkopfkleiner Brillant fehlt. Keine Chance, den je wiederzufinden, dachte ich. Nun, Wochen später, sehe ich zwischen Dreck und Kieselsteinchen auf der Fußmatte meines Autos ein helles Glitzern… Riesenfreude!

Franziska Leidinger, Eskilstuna, Schweden

 

Dankeschön nach Irland

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Dieses Buch mit Kinderzeichnungen entdeckte ich im Nachlass meiner verstorbenen Frau Mary. Es handelt sich um Dankesgrüße deutscher Kinder, die nach dem Krieg in Saarbrücken an der Schulspeisung teilnahmen. Die Lebensmittelspenden dazu kamen aus Irland. Ich weiß, dass meine Frau das Büchlein als Kind von einem Freund ihres Vater bekam und es ein Leben lang wie einen Schatz hütete. So beschloss ich, der Sache auf den Grund zu gehen. Mit der Hilfe der deutschen Botschaft in Dublin kam ich vergangenes Jahr in
Kontakt zur Saarbrücker Cecilienschule, wo die Bilder entstanden waren. Im April nun war ich in Saarbrücken zu einem Treffen mit ehemaligen Schülerinnen eingeladen, die damals an der Speisung teilgenommen hatten. Nur wie das Buch 1946 zu uns nach Irland gelangte, weiß ich leider immer noch nicht …

Tony O’Herlihy, Dublin