1908 weilte der Urgroßvater meiner Kinder, der Maler Franz Holper, in Davos, da er an Tuberkulose erkrankt war. auch dort fertigte er diverse Bilder an und verkaufte sie, um den Aufenthalt in dem Schweizer Luftkurort zu finanzieren. Dabei muss er auch das »rote Hüsli« in Maienfeld gemalt haben. Wir besitzen leider nur ein Foto von dem Gemälde (oben), aber im vergangenen Jahr machten wir bei einer Radtour in Maienfeld Station. Meine Frau hatte das Bild schon mehrfach gezeichnet, und so fanden wir das Haus denn auch schnell – und nach über 100 Jahren fast unverändert (unten). Wir erkannten es vor allem an der roten Farbe und den ovalen Fenstern. Jetzt wüssten wir noch gerne, wo sich das Original befindet, und würden uns freuen, wenn der Besitzer sich vielleicht bei uns meldet…
Das Bild oben zeigt meinen Vater (77 Jahre) im Frühjahr 2012 bei der Bestellung seines Gartens. Die bearbeitete Scholle liegt im 1000-Seelen-Dorf Keyenberg bei Mönchengladbach. Zum unteren Bild: Bedauerlicherweise gehört Keyenberg zum rheinischen Braunkohle-Abbaugebiet Garzweiler II. Im Jahr 2018 soll die Zwangsumsiedlung der Bewohner beginnen. 2022 wird das Dorf wohl nur noch Geschichte sein.
Das Foto links stammt aus dem Jahre 1942 und zeigt das Kaufhaus Univermag in Stalingrad. Es diente im Zweiten Weltkrieg als letztes Hauptquartier von Generalfeldmarschall Friedrich Paulus, der auf Befehl Hitlers die Kapitulation auch dann noch ablehnte, als seine Truppe im Januar 1943 vollständig von russischen Soldaten eingekesselt war. Knapp 70 Jahre später habe ich die rechte Aufnahme von dem Gebäude gemacht, dessen runder Eingang trotz der vielen Anbauten noch zu erkennen ist. Das Foto entstand bei einem Vorbereitungsbesuch, denn bald wird das Osnabrücker Symphonieorchester, dem ich als Geiger angehöre, als erstes deutsches Ensemble nach dem Krieg in die Stadt reisen, die heute Wolgograd heißt. Zusammen mit dem dortigen Philharmonischen Orchester gedenken wir am 3. Februar in einem gemeinsamen Konzert der Opfer der furchtbaren Schlacht. auf meine Frage, ob deutsche Musiker an diesem Tag überhaupt erwünscht seien, antwortete mir bei meinem ersten Besuch eine Überlebende: »Sie sind herzlich willkommen! Wir lieben die Deutschen, und wir hassen die Faschisten« – was mir die Tränen in die Augen trieb.
Mein erster Urlaub mit Freunden führte mich 1980 im Käfer von Hamburg nach Norwegen. Dabei entstand das Foto oben. Damals konnten wir noch ganz nah an den Gletscher wandern. Als ich dann 2010 meiner Frau und unserem Sohn den Briksdalsbreen zeigen wollte, präsentierte sich uns ein deutlich anderes Bild. Klimaveränderung, ganz persönlich erfahrbar.
Oma Elsbeth ist nicht die leibliche Großmutter, sondern die Wahloma unserer Söhne – wir treffen sie immer am zweiten Weihnachtsfeiertag. Das obere Foto entstand 2003, damals war Elsbeth 86 Jahre alt. Das untere Bild haben wir mit ihr – nun 95-jährig – am vergangenen Weihnachtsfest nachgestellt. Die Jahre haben Jung und Alt verändert – die Freude am jährlichen Wiedersehen ist geblieben. Ob das Treffen noch einmal stattfindet? Der Gedanke bewegt uns alle.
Karl Guckenbiehl, Kottweiler-Schwanden, Rheinland-Pfalz
Dieser Mann schlief bereits an der Kreuzung von Daniel-Street und Ha’Yarkon-Street, als ich 2009 das erste Mal nach Tel Aviv kam. 2011 fotografierte ich ihn, und im November 2012 lag er immer noch an derselben Stelle. Vielleicht ist er der personifizierte Tel Aviver, der sich in seinem Leben durch die Krisen in der Region nicht beeindrucken lässt. Nach den jüngsten Raketenangriffen von Hamas aber war es mit der Ruhe vorbei; in der Stadt war das deutlich zu spüren. Auch das Massenblatt Jedi’ot Acharonot schrieb: »Kvar lo ha’buah« – »Tel Aviv ist keine Seifenblase mehr.« Ob der Mann wohl aufgewacht sein wird, wenn ich ihn das nächste Mal sehe?
Das linke Bild zeigt meinen Vater auf dem Gipfel des 998 Meter hohen Ganekogorta bei Bilbao. Es dürfte um 1925 entstanden sein. Mein Vater war kurz nach dem Ersten Weltkrieg nach Spanien ausgewandert, hatte dort meine Mutter kennengelernt und geheiratet und arbeitete in der familieneigenen Druckerei. Obwohl er gebürtiger Bayer war, trug er alsbald eine Baskenmütze, die auch auf dem Foto zu sehen ist. Als ich im vergangenen Jahr 80 Jahre alt wurde, nahm ich mir vor, im Laufe des Jahres mindestens so oft auf den Berg zu steigen, wie ich alt wurde. Dies ist mir auch gelungen. So stehe ich auf dem rechten Bild auf dem gleichen Berggipfel, den mein Vater in seiner Jugend so oft bestiegen hat. Mein Sohn hat mich an dem Tag bis zum Gipfel hoch begleitet und das Foto gemacht.
Vor rund 20 Jahren hatten wir uns entschlossen, einen kleinen »japanischen Garten« auf unserem Grundstück anzulegen. Die Pflanzen waren damals alle sehr klein, aber man sieht, es hat sich gelohnt. Vor wenigen Tagen, mit dem frischen Schnee auf den Pflanzen, hatten wir die Idee für diesen Zeitsprung. Wir suchten in den alten Aufnahmen und fanden das Bild aus dem Frühjahr. So hat jede Jahreszeit im Garten ihre schönen Seiten.
Diese beiden Fotos fielen mir jetzt beim Aufräumen wieder in die Hände. Als wir Weihnachten 1993 unsere Tochter beim Spielen mit dem neuen Puppengeschirr fotografierten, erinnerte ich mich, dass es von mir ein ähnliches Foto gab. So hatte sich in 30 Jahren an der geschlechtsspezifischen Erziehung, zumindest was die Weihnachtsgeschenke anbetraf, offensichtlich nicht viel geändert. Inzwischen ist die Tochter aus dem Haus, und ich freue mich darauf, wenn ich von ihrem Kind, das sie hoffentlich mal bekommen wird, gleich Tochter oder Sohn, auch wieder so ein Bild werde machen können.
Vor 46 Jahren, als wir das linke Foto aufnahmen, war es oft nur am Sonntag möglich, die Familie zu vereinen, denn mein Mann war Exportkaufmann und die Woche über auf reisen. Heute sind es die Kinder: Friederike, Anne Kathrin, Calle, die beruflich viel unterwegs sind – als Künstlerin, DAAD-Referentin und Filmemacher. Aber zum 87. Geburtstag ihres Vaters in diesem Jahr haben sie es geschafft, mit uns zwei Alten das Foto von 1966 nachzustellen.