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Zeitsprung

Im Frühling vergangenen Jahres habe ich meine Großeltern in Österreich besucht und das Bild aus dem Jahr 1946 entdeckt: mein Opa beim Springen mit einem Haflinger. Opa arbeitete schon als Kind auf dem elterlichen Hof mit Pferden, im Krieg leistete er Heimatdienst bei der Arbeit mit Pferdefuhrwerken – was ihm den Fronteinsatz ersparte. Ich habe die Liebe zum Reiten wohl von ihm geerbt: Das rechte Bild zeigt mich beim Herbstturnier 2005 in Sonsbeck am Niederrhein. Vermutlich hätte er sich sehr über diesen Zeitsprung gefreut. Leider bekam ich das alte Foto erst wieder in die Hand, als wir im Februar in Österreich waren, um meinen Großvater zu beerdigen.

Claudia Stangl, Duisburg

 

Zeitsprung

»Wir sind so klug, und dennoch spukt’s in Tegel«. So steht es in Goethes Faust, in der Walpurgisnachtszene. Und so wurde das Dorf Tegel in der Weltliteratur bekannt. 1920 wurde es von Groß-Berlin eingemeindet. Das alte Bild habe ich in einem Nachlass gefunden, es stammt etwa aus dem Jahr 1910, ist also mehr als hundert Jahre alt.
Ich habe leider die idyllische Zeit mit den Vor­gärten nicht mehr erlebt, aber als ich 1935 in dem rot geklinkerten Haus geboren wurde, fuhr noch die quietschende Straßenbahn von Tegel nach Heiligensee und Tegelort. Sie fuhr noch bis zum Jahr 1958.
Das Haus hat den Krieg gut überstanden, das Uhrengeschäft, das einst meinem Großvater gehörte, existiert auch noch, aber ansonsten ist die Berliner Straße zu einer vierspurigen Durch­gangsstraße geworden. Das im Jahr 1900 er­baute Haus wurde liebevoll renoviert und er­innert wenigstens äußerlich noch an die gute (?) alte Zeit.

Peter Schumacher, Hamburg

 

Zeitsprung

Unser Vater ist jetzt 60 Jahre alt. Auf dem Schwarz-Weiß-Foto sieht man ihn als den Kleinsten mit seinen beiden älteren Brüdern, seiner Cousine sowie dem Hund des Vermieters in Bierbergen 1954. Das Bild steht für vieles: Geschwister, die zusammenhalten, Tierliebe, aber auch für eine Flüchtlingsfamilie, die langsam wieder auf die Beine kommt. Auf dem anderen Bild sieht man uns, die drei Töchter, mit unserem Familienhund Gina im Jahr 1992. Auch dieses Bild steht für vieles, etwa für gemeinsame Ausflüge mit Papa, aber auch für seine Liebe zum Detail: Es hat ewig gedauert, bis wir standen, wie wir sollten.

Kira, Saskia und Corinna Geisler, Schlückingen, Nordrhein-Westfalen

 

Zeitsprung

Am Ostersonntag 2001 bekamen unsere Enkel, die damals dreijährigen Zwillinge Amir und Skander, je einen Porzellan-Osterhasen geschenkt, den sie in dem noch frühlingshaft kahlen Garten liebevoll umklammern. Zehn Jahre später, im Sommer 2011, erklärten sie sich nach einigem Zureden bereit, das ursprüngliche Bild am gleichen Ort nachzustellen.

Außer dem veränderten Hintergrund fällt auf, dass die Tierchen hinter den mächtig gewachsenen Händen fast vollständig verschwinden.

Hilde Schlömann und Werner Kullbach, Jülich

 

Zeitsprung

1993

2011

22 Jahre hatten wir in Berlin gelebt, da wurde uns kurz nach der Wende unser Atelier in einer Fabriketage gekündigt. Schließlich fanden wir hier, am nordwestlichen Harzrand, eine neue Bleibe: ein langes, schmales Bahngrundstück mit einem ehemaligen Getreidespeicher; im vorderen Teil eine reine Industriebrache, weiter hinten mit rudimentären Resten von Weiden und alten Obstbäumen. Achtzehn Jahre lang haben wir an der Renaturierung gearbeitet, haben Vogelschutzhecken, Obstbäume, diverse Gehölze, Blumeninseln und einen Rosengarten gepflanzt – und unser Grundstück ist ein Paradies für Flora und Fauna geworden. Zum Teil ist es in ein Landschaftsschutzgebiet mit Binsenbiotop eingebunden, zum Teil grenzt es an eine Gewerbezone.

Gudrun Petzold und W. Jo Brunner, Seesen

 

Zeitsprung

1962

2011

Im vergangenen Sommer entstand das Farbfoto von meiner dreijährigen Enkeltochter Hanna. Als ich es sah, musste ich an meine eigene Kindheit zurückdenken. Ich suchte in meinem alten Fotoalbum und wurde tatsächlich fündig: Auch von mir gibt es ein Bild in genau so einer Zinkwanne. Es stammt aus dem Sommer 1962 und zeigt mich als Vierjährige mit einem Nachbarsjungen. Ist es nicht schön, dass auch nach fast 50 Jahren so eine einfache Wanne, ein wenig Wasser und Sonne reichen, damit Kinder sich freuen?

Petra Riemerschmid, Reichertsheim, Oberbayern

 

Zeitsprung

1989
2010

Als ich mit immerhin 45 Jahren erstmals Laufschuhe anzog, ahnte ich nicht, wie sehr sich mein Leben ändern würde. Ein Arbeitskollege hatte gefragt, ob ich mit ihm joggen gehe auf den Sportplatz, als Ausgleich zum Büroberuf als Buchhalter. Nach Runde 15 machte er schlapp – ich aber lief und lief … Zwei Jahre darauf, 1989, gelang mir in Hamburg mein 1. Marathon (Foto 1). Ende April 2012 geht es nun wieder an die Elbe – Marathon Nr. 89. Und natürlich träume ich davon, die 100 zu schaffen! Gelaufen bin ich unter anderem auf Usedom und Terschelling, in Barcelona, Zürich, Berlin, Rom (Foto 2); oft gewann ich in meiner Altersklasse, meine Bestzeit war 2:48:19 Stunden. Nebenher koordiniere und betreue ich Lauftreffs. Aber denken Sie nun bitte bloß nicht, dass ich mich für den Sport kasteie! Ich habe einen großen, wunderbaren Familien- und Freundeskreis, genieße das Leben, schlemme beim Italiener, feiere gern, gehe oft ins Kino, lese viel und sitte meinen Enkel Jakob (3), fühle mich fit und wohl und trinke meinen guten Rotwein.

Leonhard Doetsch, Essen

 

Zeitsprung

1970

2011

Wir besuchten das Dorf Molekuleta in Liberia zum letzten Male im Jahr 1971, bevor wir das Land verließen. Ich war damals angestellter Lehrer an der Deutschen Auslandsschule der Bong Mining Co. (BMC), eines Eisenerz-Bergbaubetriebs mit deutscher Beteiligung. Das Foto stammt von 1970, es zeigt Old Man Abraham, den Town Chief von Molekuleta, mit unserer kleinen Tochter Katharina auf dem Arm. 1990 stellte der Betrieb seine Produktion ein. Es folgten 14 Jahre schrecklicher Bürgerkrieg. Im Jahre 2011 besuchte ich mit unserer Tochter das Krankenhaus der damaligen Siedlung, in dem sie geboren worden war. »Made in Bong Town 1968« steht auf ihrem T-Shirt – das machte dort großen Eindruck! Und wir besuchten die ehemalige Schule der Bong-Mining-Arbeiter. Viel mehr war von unserer Siedlung und dem Industriebetrieb nicht übrig geblieben. Aber wir trafen dort eine gute Freundin von damals wieder, Margaret Stewart, nun die Schulleiterin! Wir gründeten den Verein Bong AID e.V. (www.bongaid.de) und helfen jetzt dem Krankenhaus und der Schule.

Hartmut Welzel, Ratekau-Kreuzkamp

Anm. d. Red.: Uns erreichte der Hinweis, dass die Bong Mining Co. den Betrieb bereits 1990 und ncht 1992 einstellte. Wir haben den Fehler korrigiert.

 

Tintos Zeitsprung

2011

2012

Unsere Katze Tinto scheint ein gewisses Interesse an Politik zu haben; vielleicht ist es aber auch nur das unwiderstehliche Rascheln der grossformatigen ZEIT. Jede Woche macht Tinto ihren eigenen „Zeit-Sprung“ und landet auf einer der ersten Seiten sobald ich mit der Lektüre beginne. Mittlerweile ist sie ausgewachsen, posierte aber bereits im Januar 2011 im Alter von zwölf Wochen mit Joachim Gauck – damals wie heute Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten.

Regina von Fürstenberg Ruffieux, Rechthalten, Schweiz

 

Zeitsprung

16:12

16:13

Unser erster Urlaub mit Emil führte uns nach Dänemark. Er war drei Monate alt, und in diesem Alter liegen Freude und Kummer oft nah beieinander. An jenem Tag haben wir ihn lange umhergetragen, weil er irgendwie unzufrieden war. Wie so oft war es uns unerklärlich, was genau ihn so quälte – und wie er dann so schnell in einen seligen Schlaf finden konnte. Denn zwischen den beiden Aufnahmen liegen tatsächlich nur wenige Sekunden! Nun ist Emil fast schon ein Jahr alt, und seitdem gab es immer mal wieder kleinere und größere Wutausbrüche. Doch die beiden Fotos vom Strand mahnen uns immer zu Geduld und Ruhe, denn meist gehen diese Ausbrüche so schnell wieder vorbei, wie sie gekommen sind.

Antje Julius und Eike Peltzer (Foto), Köln