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Was mein Leben reicher macht

Straßenmusik im New Yorker U-Bahnhof Union Square. Ein kleiner Junge löst sich von der Hand des Vaters, holt eine Plastikgitarre
aus seinem Rucksack, wippt im Takt der Musik und tut, als spiele er selbst. Der Musiker lächelt den Jungen an. Doch der ist viel zu sehr in »seine« Musik vertieft.

Georg Langheld, Chicago, USA

 

Die Kritzelei der Woche

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Nachdem ich im Internet gelesen habe, dass Kreidemalerei auf der Straße eine Ordnungswidrigkeit darstellen kann, möchte ich als Erziehungsberechtigter das Werk meiner Tochter Natalie (13) als mutmaßlich illegale Kritzelei der Woche zur Selbstanzeige bringen. Wie Sie sehen, gelang es der Delinquentin leider überdies, sich aus dem Beweisfoto davonzustehlen.
Was ist zu ihrer Verteidigung vorzubringen? Es war einer der ersten warmen Frühlingstage, als Natalie nach der Schule Hausaufgaben und sogar Facebook sausen ließ und sich, mit einem Eimer Straßenmalkreide bewaffnet, über den Lindenweg hermachte. Wieso, frage ich als Vater, ist solch gefährliches Tatwerkzeug eigentlich überhaupt noch für den Handel zugelassen?

Mathias Priebe, Elsterheide, Sachsen

 

Was mein Leben reicher macht

Der Geruch des frisch gemähten Rasens auf dem Campus. In Gedanken noch beim Système syntaxique de la phrase française, muss ich plötzlich an zu Hause denken und an die »Kühlschrankinhaltspicknicks« auf dem Gras, nachdem mein Papa mit dem Mähen fertig war.

Louisa Holz, Göttingen

 

Pedalieren: Mein Wort-Schatz

Als meine beiden Töchter das Radfahren erlernten, rief ich ihnen stets ermutigend zu: »Pedalieren!« Und sie setzten diesen Zuruf direkt in die entsprechende Handlung um. In Gesprächen mit anderen, wenn sie dieses für sie selbstverständliche Wort benutzten, wurden sie ungläubig, verdutzt, verständnislos angeblickt, belächelt oder gar des Worterfindens bezichtigt. Zu Hause darüber berichtend, verdächtigten sie mich als Mutter gar des Neologismus, bis ich ihnen mithilfe des Dudens den Beweis lieferte. Noch heute, Jahre später, amüsieren wir uns gelegentlich darüber. Es ist uns ein wunderbares Beispiel dafür, dass zu einem gelungenen Kommunikationsakt eben auch die Bedeutungsübereinkunft gehört.

Ursula Winkenjohann, Kassel

 

Was mein Leben reicher macht

Morgens ganz früh, unsere 22 Monate alte Tochter kann nicht mehr schlafen. Wir kuscheln uns auf dem Balkon dick in Decken ein. Vor uns am dämmernden Himmel leuchtet der Morgenstern. Die Vögel geben ihr Konzert. Und ich erlebe mit diesem kleinen, warmen, daumennuckelnden
Bündel auf meinem Schoß einen magischen Moment.

Rebecca Chevillard, Darmstadt

 

Très chic

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Charlotte (elf Jahre) hat ihre französische Großmama gemalt und ihr das Bild geschenkt. Die Oma ist eine gute Freundin von mir. Und weil ich in Handarbeit Puppen nach Kinderzeichnungen herstelle, bat sie mich, ihr eine Puppe zu machen.
Ohne mich selbst loben zu wollen, finde ich, »Madame Chapuis« sieht tatsächlich aus, wie man sich eine ältere Dame aus Südfrankreich vorstellt: très chic et très élégante.

Dorothee Thoma, Saarbrücken

 

Was mein Leben reicher macht

Ich räume gerade in meinem Leben auf – gerne, aber nicht ganz freiwillig.
Dabei sortierte ich Magazine und Bücher aus und kam schließlich bei der Kiste mit uralten selbst aufgenommenen Kassetten an. Ich lauschte der Musik, als ich plötzlich zwischen den Liedern die Stimme meines vor 27 Jahren verstorbenen Papas hörte. Gerade jetzt bedeutet mir dieses Relikt aus der Vor-YouTube-Zeit, das einzige akustische Zeugnis meines Vaters sehr viel.

Stephanie Carstensen, Hagen im Bremischen

 

Die Kritzelei der Woche

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Vor dem Einschlafen las ich eine Erzählung über einen Löschzugführer der Berufsfeuerwehr. Gegen fünf Uhr morgens wachte ich schweißgebadet auf. Ein Albtraum: Alle Schläuche der Feuerwehr im Einsatz. Alles voller Wasser. Aber aus den Schläuchen kam nichts. Und wo war das Feuer? Kein Feuer! Noch halb im Schlaf stöpselte ich den USB-Adapter in mein Ohr. Aktivierte das Speichermedium und schlief wieder ein.

Dann, später am Morgen: Ich echt geschlaucht, aber das Traumbild war noch da: Im Computer, auf dem Bildschirm… Alles bloß geträumt? Hier ist es!

Rainer Karliczek, Münster/Westfalen