Lesezeichen
 

Was mein Leben reicher macht

Wenn mein Mann auf dem Klavier George-Gershwin-Stücke übt, die er mir zu meinem 70. Geburtstag als Ständchen spielen will. Gerade höre ich Somebody loves me…

Helga Stoß, Waldeck, Hessen

 

Die Fernseherin Lizzie

(nach Matthias Claudius, »Die Sternseherin Lise«)

Ich sehe gern nach Mitternacht,
Wenn ich mein Werk getan
Und keiner sonst im Hause wacht,
Mir alte Streifen an.

Sie funkeln mir ins Aug’, zerstreut
Wie Kurzschluss-Licht im Flur;
In Serie und aufgereih’t
Wie Perlen an der Schnur;

Sie flimmern alle stundenweit,
Und flackern hell und schön;
Ich schau auf meinen Flachschirm breit
Und kann nicht satt mich sehn.

Man fragt im Heft »Die Fernseh-Welt«,
Und das bewegt die Brust:
»Gibt’s Schön’res unterm Himmelszelt
Als all die Flimmer-Lust?«

Ich werf mich auf mein Boxbett hin,
Und lieg noch etwas wach,
Und denk doch über tief’ren Sinn
Nicht mehr sehr lange nach.

Lothar Schwarz, Troisdorf-Bergheim

 

Automatisch

s90-selbstgemacht

Warenautomaten findet man heute vor allem auf Bahnsteigen und in Raststätten. Aus dem Stadtbild sind sie weitgehend verschwunden, und auch die Vielfalt hat abgenommen. Ein seltenes Exemplar habe ich in Altenahr entdeckt und dabei unweigerlich im Geiste die Situationen durchgespielt, in denen es nötig war, sich für drei Mark schnell noch ein Paar Strümpfe zu ziehen.

Helmut Kessler, Mülheim an der Ruhr

 

Was mein Leben reicher macht

Uns mit Uschi an einem regnerischen Morgen zum Waldlauf treffen. Eine von uns ist am Vorabend zu spät ins Bett gegangen, die andere hat schlecht geschlafen, der Dritten tun alle Knochen weh. Wir laufen los, reden, schweigen, schauen. Und nach einer Runde bergauf, bergab spüren wir unsere Wehwehchen kaum noch – und der Regen hat vielleicht auch nachgelassen.

Barbara Finke-Heinrich, Witten

 

Fuckepüster: Mein Wort-Schatz

Es war in meiner Kindheit, in den sechziger Jahren. Unser Nachbar hatte ein neues Auto gekauft. Welches Auto der Nachbar denn erworben habe, wollte mein Vater abends von der Mutter wissen. Sie antwortete: »Das kann ich dir nicht genau sagen. Irgend so einen kleinen Fuckepüster.« Schon hatte mein Vater eine ungefähre Vorstellung von der Neuerwerbung. Ein »Fuckepüster« ist ein Fahrzeug, das nicht mit Schönheit oder Geschwindigkeit aufwarten kann, dafür aber umso mehr Lärm und Abgase produziert. Meine Mutter, inzwischen 85 Jahre alt, benutzt das Wort bis heute.

Annette Sangs, Düsseldorf

 

Was mein Leben reicher macht

Der Streik am Flughafen Frankfurt. Bei offenem Fenster durchschlafen, bis sich der Wecker meldet! Friedvolle Ruhe, freundliche Vögel, die begeistert die Stille nutzen. Kein quälendes Dröhnen und Heulen vom Himmel wie sonst zwischen 5 und 23 Uhr.

Paul Nilges, Mainz

 

Zeitsprung: In Deutschland

Aus dem Chinesischen übersetzt, bedeutet mein Name »in Deutschland«: Als ich geboren wurde, studierte mein Vater gerade in Berlin. Im Sommer 2000 bin ich das erste Mal mit meiner Familie nach Berlin gereist. Ich war stark fasziniert von der vielfältigen Kulturszene, und von da an stand für mich fest, dass ich auf jeden Fall wieder zurückkommen wollte. Zwölf Jahre später kam ich endlich als Austauschstudentin nach Berlin. Kurz vor meinem 21. Geburtstag besuchten mich meine Eltern, und da hatten wir spontan die Idee, das Bild mit der silberfarbenen Skulptur nachzustellen.

Fang-De Chen, Taipeh, Taiwan

 

Was mein Leben reicher macht

Morgens ein Sonnenaufgang am Meer eine Stunde am Strand laufen, im Atlantik schwimmen, auf der Terrasse frühstücken, abends im Fernsehen das norddeutsche Schmuddelwetter sehen – und mittwochs die ZEIT der Vorwoche lesen.

Uwe Reime, Lanzarote

 

Tingeling: Mein Wort-Schatz

Als mein Jüngster etwa drei Jahre alt war, experimentierte er gern mit der deutschen Sprache. Und erschuf den Tingeling. Dürfte ich nur ein Wort im Duden austauschen, so würde ich mit diesem Begriff den »Schmetterling« ersetzen, denn der war gemeint. Aber wie viel mehr tingelt doch dieser kleine Frühlingsbote durch die Lüfte, als dass er schmettert!

Bianca Mertin, Schönberg, Oberbayern

 

Was mein Leben reicher macht

Wenn wir einen regnerischen Tag mit Baklawa und Bier auf dem Bett ausklingen lassen. Draußen erledigt noch die Müllabfuhr ihre Arbeit, während wir schon Pläne für die nächsten Abenteuer im Großstadtdschungel schmieden.

Lorenz Betge, Bremen, zzt. Istanbul