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Der Schulfreund

Als ich 1961 ans Gymnasium im schwäbischen Geislingen kam, wurde ich als Neuankömmling erst einmal kritisch beschnuppert. Nur ein Schüler nahm gleich Kontakt zu mir auf und führte mich in die Gepflogenheiten des Klassenverbandes ein: Herbert Borlinghaus. Durch einen beruflichen Wechsel meines Vaters verließ ich die Klasse jedoch schon im folgenden Jahr wieder und ging danach in Hessen zur Schule. So verloren Herbert und ich uns aus den Augen.

Doch nun, während eines Urlaubs auf Gran Canaria lernten meine Frau und ich ein Ehepaar aus dem Schwarzwald kennen, das mir bei einer Unterhaltung auch von einem guten Freund – Herbert Borlinghaus – erzählte. Ich war wie vom Donner gerührt, als ich den Namen hörte. Ich fragte nach seiner Telefonnummer, rief ihn gleich nach meiner Rückkehr an. Und so führten wir, nach 53 Jahren, ein sehr bewegendes und emotionsgeladenes Gespräch.

Rolf-Jürgen Löffler, Laubach, Hessen

 

Was mein Leben reicher macht

Ich wurde als Achtjährige adoptiert und bin seit neun Jahren in Deutschland. Meine Schwester Schenja lebt in Russland. Plötzlich habe ich auf dem Handy eine Sprachnachricht von ihr. Schenja fragt, ob ich Gedichte mag und ob sie eines für mich schreiben soll. Leider habe ich mein Russisch fast verlernt, aber ich bin happy, ihre Stimme zu hören.

Nadja Ruwald, Bammental, Baden-Württemberg

 

Was mein Leben reicher macht

Wir studieren beide Medizin. Und seit fünf Jahren trennt uns die Entfernung Wien – Tübingen. Jeden Abend um zehn Uhr treffen wir uns auf Skype. Doch nun haben wir es fast geschafft. Noch drei Monate, dann beginnen wir unser Praktisches Jahr im österreichischen St. Johann. Gemeinsam. Ich freue mich riesig!

Mareike Heidemeyer, Tübingen

 

Zeitsprung: Gealtert

Zuerst
Zuerst

Kurz darauf
Kurz darauf

Vor Kurzem verbrachten meine Schwester und ich zusammen ein paar Tage in Barcelona. Auf der Plaça de Sant Pere, einem wunderschönen Ort, legten wir eine Pause ein und beobachteten das Treiben. Ein kleiner Junge tat dies ebenfalls, ganz in unserer Nähe. Ich fotografierte ihn; schien es doch, als würde das Blau seines T-Shirts aus dem Blau des Fahrradreifens wachsen. Als mein Blick wenige Augenblicke später erneut in diese Richtung fiel, saß an derselben Stelle plötzlich ein älterer Mann in gleicher Position. Es war, als wäre die Zeit innerhalb weniger Minuten um Jahrzehnte vorangeschritten – wie im Zeitraffer.

Eva Höschl, Regensburg

 

Lebe: Mein Wort-Schatz

Lebe ist ein uraltes Abschiedswort in unserem sonst so derben Dialekt. Jedes Mal, wenn ich die alte, pflegebedürftige Cousine meines Vaters im Altenheim besuche, höre ich zum Abschied: »Lebe«. Das tut so gut.

Heike Riedmann-Hofer, Lustenau, Österreich

 

Wiedergefunden: Weiter Weg

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Nach den schweren Luftangriffen auf Hamburg im Juli 1943 wurde unsere Schule nach Bayern evakuiert, zuletzt nach Vohenstrauß, Oberpfalz. Im Mai 1945 besetzten amerikanische Truppen diesen Ort. Jetzt gab es keine Institution mehr, die sich um uns kümmerte, insbesondere gab es nichts mehr zu essen. So wurden wir in Gruppen von vier Schülern nach Hause geschickt, ich als Ältester, gerade 14 Jahre alt, war für die drei Jüngeren verantwortlich. Auf dem Passierschein, den wir mit auf den Weg bekamen, hieß es auf Englisch: »Das Schullager wurde von den Behörden geschlossen und den Knaben befohlen, Hamburg oder ihre Verwandten zu Fuß zu erreichen. Deshalb wurde der Obengenannte am 6. Juni 1945 nach Hamburg in Marsch gesetzt.« Viele Teilstrecken gingen wir tatsächlich zu Fuß, das letzte Stück legten wir auf einem beladenen Kohlenzug zurück. Völlig erschöpft und kohlengeschwärzt erreichten wir 14 Tage nach dem Aufbruch unser Zuhause.

Helmut Beutel, Hamburg

 

Herzlichst

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Unterwegs in einem Zug des KiwiRail von Kaikoura nach Christchurch, Neuseeland, entdeckte ich durch Zufall dieses Wald-Herz. So still und herzlich wurde ich beim Zugfahren noch nie gegrüßt.

Walter Voser, Zürich

 

Schmusare, Krassissimo! Mein Wort-Schatz

Unsere Kinder sind zweisprachig aufgewachsen – mit einer genuesisch-italienischen Mutter und einem hamburgisch-deutschen Vater. Dabei haben sie beide Idiome kreativ zu einer hochkommunikativen Sondersprache kombiniert, die bei uns in der Familie »Italiesco« heißt. Sie hält so schöne Wortschöpfungen bereit wie Schmusare, die mediterrane, öffentlich-herzliche Version des in Deutschland bisweilen zurückhaltend ausgeübten Liebesbeweises. Italiesco hat auch den Vorzug, deutsche Adjektive bis in Regionen steigern zu können, in denen dem deutschen Superlativ selbst in seiner jugendlichen Version längst die Ausdrucksfähigkeit fehlt. Das ist natürlich irgendwie ungerecht, um nicht zu sagen: Krassissimo!

Axel Jürs, Berlin

 

Was mein Leben reicher macht

Mein Nachbar Norbert, der warme Sommerabende mit dem Klang seiner Gitarre erfüllt. Er begleitet damit beispielsweise die Gartenarbeit seiner lieben Frau. So lässt es sich locker Unkraut zupfen!

Heike Hatzfeld-Graf, Marbach am Neckar

 

Die Kritzelei der Woche

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Die Zeichnung entstand im Wirtshaus Lautenschläger in Neutsch. Dorthin verschlägt es mich und meinen Freund Michael immer wieder, weil man da so gemütlich sitzt und man immer nett unterhalten wird. Obendrein gibt’s leckere Odenwälder Spezialitäten. Beim Warten auf den Handkäs mit Musik griff ich aus Lust zu Block und Kuli und fing an zu kritzeln. Mehr und mehr verdichteten sich Bembel, Rautengläser, Besteck, Sterne, Blumen, die karierte Tischdecke – und ein Esel. Lange schon wünsche ich mir einen kleinen, grauen Hausesel. Aber es wird wohl ewig nur ein »Spleen« bleiben, wie auf diesem Blatt zu lesen ist.

Sibylle Maxheimer, Darmstadt