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Selbst gemacht

Salzzitronen Die Zeit der Leser 49/2013

Ich mache meine Salzzitronen selbst: Biozitronen über Kreuz ein-, aber nicht durchschneiden und in die Schnitte reichlich grobes Meersalz drücken. Die Zitronen in ein Einmachglas quetschen, dazwischen weiteres Salz geben, am Schluss den Saft einer ausgepressten Zitrone dazu. Das Glas verschließen, drei Wochen stehen lassen, dabei immer wieder schütteln. Nach den drei Wochen das Glas mit kochendem Wasser auffüllen, fest verschließen und weitere zwei bis drei Wochen stehen lassen. Die mitsamt der Schale fein geschnittenen Zitronen passen zur Verfeinerung in fast jedes Gericht. Die Lorbeerblätter im Glas kommen übrigens auch vom eigenen Bäumchen …

Marit Breede, Hildesheim

 

Was mein Leben reicher macht

Eine Verkäuferin stürzt aus einem Modegeschäft und ruft: »Haltet den Mann!« Doch es sind so viele Männer unterwegs, dass ich gar nicht weiß, wen sie meint. Sie nimmt also selbst die Verfolgung auf – trotz ihrer Stöckelschuhe. Als sie den Mann erreicht, entreißt sie ihm eine prall gefüllte Tüte: »Du klaust Bernds Sachen nicht!« Bernd ist ein Obdachloser. Er lebt mit seinen Habseligkeiten in einem überdachten Hauseingang in unserer Straße, gleich neben der Glasfront des Modegeschäfts.

Silke Werner, Hamburg

 

Was mein Leben reicher macht

Manchmal sind es nur Sekunden: Ich stelle die Tasse ab oder lege das Zwiebelmesser aus der Hand und stehe Augenblicke von Ewigkeit vor dem Vermeer-Bild Die Küchenmagd, dessen Reproduktion über unserer Mikrowelle hängt.

Angela Herkenrath, Siegburg

 

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(sehr frei nach Hermann Hesse, »Stufen«) 

Wie jede Amtszeit einmal endet und das schwarz-gelbe
Bündnis einem neuen weicht, blüht uns danach
Wie immer nach der Wahl dasselbe
Parteienschieben mit viel Krach.

Die Wartezeit darf nicht zu lange dauern,
Die Kanzlerin muss unter Fluchen
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Sich einen neuen Partner suchen,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In neue Bindungen zu geben.

Und jedem Anfang wohnt ein Zaudern inne,
Verhandlungen sich endlos zieh’n
Wird es Schwarz-Rot, wird es Schwarz-Grün?
Wie hält man sie, die Wahlversprechen?
Doch demokratisch ist es wohl zu schaffen:
Nur wer bereit zum Kompromiss ist in Gesprächen
Mag lähmendem Gezanke sich entraffen!

Indes, der Wähler schaut besorgt in diese Runde
»Nu macht mal hinne«, denkt er leicht beklommen.
Hauptsache ist es, wir bekommen
Bald ’ne Regierung, ’ne gesunde.

Rosemarie Roloff, Berlin

 

Der preußische Opa

zeit der leser 49/2013 wiedergefunden

Heute belegt ein Personalausweis, dass ich Deutscher bin. Im Jahre 1902 bescheinigte ein »Staatsangehörigkeits-Ausweis« meinem Großvater, dass »derselbe und zwar durch Abstammung die Eigenschaft als Preuße besitzt«. Der Geburtsort Bockhorn liegt in Schleswig-Holstein. Mein Großvater absolvierte seine berufliche Ausbildung in Hamburg, arbeitete später in Frankfurt und schließlich in Mannheim. Wenn ich ihn als Kind dort besuchte, hatte er immer viel Zeit für mich. Ich habe schöne und gute Erinnerungen an ihn. Seine »preußischen Eigenschaften« aber waren mir unbekannt – bis ich kürzlich dieses Dokument entdeckte.

Volker Wille, Hannover

 

Was mein Leben reicher macht

Am vergangenen trüben Donnerstag leuchteten mir vom Rand eines abgeernteten Feldes fünf rote Klatschmohn-Blüten entgegen. Jetzt, Mitte November! Augenblicklich waren Erinnerungen da an wunderschöne Sommertage. Meine Freude über die unerwarteten Ackerrain-Schönheiten hielt auch noch an, als hundert Meter weiter die ersten Regentropfen fielen.

Jutta Fink, Bonn

 

Inniglich: Mein Wort-Schatz

Vor Jahren saß ich mit meiner damals vierjährigen Tochter in der Vorweihnachtszeit am Küchentisch. Die Kerzen brannten am Adventskranz. Wir verzierten Spanschachteln, die wir an Tanten und Omas verschenken wollten. Der Kleinen gefiel das sehr. Sie blickte plötzlich auf, lächelte ganz selig und fragte: »Mama, fühlst du dich jetzt auch so inniglich?« Ja, auch ich fühlte mich so. Mein Mann kam aus dem Nebenzimmer, fotografierte seine beiden »Lieblingsfrauen« und fühlte sich wohl auch inniglich. Ein Jahr später teilte er mir mit, dass er uns verlassen würde. Er hatte sich in eine Arbeitskollegin verliebt. Am Tag vor Weihnachten zog er aus. Heute ist meine Tochter 22 Jahre alt und viel im Ausland unterwegs. Nie wieder hörte ich das Wort inniglich.

Ingrid-Maria Lux, Linz

 

Was mein Leben reicher macht

Nach einer langen, beschwerlichen, herrlichen Wanderung mit meiner Freundin durch das Taurusgebirge hält ein junger Türke mit seinem Auto neben uns an, fragt: »Hello ladies, are you tired?« und lädt uns zum Mitfahren ein.

Doris Schubert, Bremen

 

Was mein Leben reicher macht

Ein Schüler in der neunten Klasse Hauptschule fragt: »Herr Kiuntke, waren Sie beim Friseur?« Ich: »Ja, warum?« Er: »Bleiben Sie nächstens sitzen, bis der fertig ist!«

Johannes Kiuntke, Metzingen

 

Zeitsprung: Gruppenbild mit Künstler

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Zu Besuch in Amsterdam, wollte ich im frisch renovierten Rijksmuseum Rembrandts Nachtwache von 1642 sehen. Leider war es mir unmöglich, alleine davorzustehen. Wenn man bedenkt, dass das berühmte Werk im 20. Jahrhundert gleich mehrmals Opfer randalierender Besucher wurde (zweimal wurde es mit dem Messer, einmal mit Farbe, einmal sogar mit Schwefelsäure attackiert), freut man sich natürlich, dass Gäste dort weiter in so großer Zahl willkommen sind. Allerdings mindert die Belagerung ein wenig den Kunstgenuss. Während ich also in der Menge anstand, kam mir die Idee, die Menschenmassen (inklusive meiner Person) ins Bild zu integrieren, um meinen Lieben zu Haus einen Eindruck zu vermitteln. Rembrandt hätte vermutlich nichts gegen meine Fotomontage einzuwenden gehabt, angeblich soll er sich im Hintergrund des Bildes ja auch selbst verewigt haben …

Jürgen Rajh, Graz