In meiner Kindheit hörte ich zuweilen meine Mutter bei der Arbeit singen: »Im schönsten Wiesengrunde ist meiner Heimat Haus …« Das Wort Wiesengrund gefiel mir und blieb mir im Gedächtnis. Jahrzehnte später hörte ich das Wort wieder: In der Unfallklinik Murnau kümmere ich mich ehrenamtlich um Patienten wie den querschnittsgelähmten Herrn G. Aufgrund einer Komplikation war er monatelang ans Bett gefesselt. In dieser Zeit hat er mir viel aus seinem Leben erzählt – von seiner Familie, von sonntäglichen Wanderungen in seiner schwäbischen Heimat, von einem Wiesengrund, auf den er von einem Hügel hinabblicken konnte. Aufgrund seiner Behinderung sind die meisten dieser Orte für ihn heute unerreichbar. Herr G. las viel; niemals hörte ich ihn klagen. Er erträgt seine Krankheit mit Würde und Geduld.
Wiesengrund – ich stelle mir vor: ein grünes, schattiges Tal, ein gewundener Bachlauf, die Ufer gesäumt von Erlen und Weiden. Das laut Duden »veraltende« Wort wird wohl bald ganz vergessen sein. Doch seit ich es von dem schwerbehinderten Herrn G. wieder hörte, erinnert es mich an Kindheit und eine noch junge singende Mutter, an Heimat und Sommer, an die Schönheit auch des Alltäglichen, an das Glück eines ganz normalen Lebens.
Montagmorgen in der Teeküche der Reha-Klinik. Während der Wasserkocher ächzt, entdecke ich an der Pinnwand eine kleine Sammlung von Was mein Leben reicher macht. So liebevoll und zugleich eine so starke Geste. Ich bin gerührt und weiß, dass ich hier gut aufgehoben bin.
Beim Fotografieren fasziniert mich die Veränderung der Natur im Zeitablauf. Das Bild links habe ich im November 2011 an einem Bergsee in Tirol aufgenommen. Der Berg im Hintergrund ist die Hohe Salve. Die Wolken werden vom Licht der Stadt Wörgl beleuchtet. Das Bild rechts zeigt die Spuren der Sterne am Himmel rund um den Polarstern. Es entstand in den 150 Minuten nach der ersten Aufnahme durch eine Serie von Belichtungen im 30-Sekunden-Takt, die, übereinandergelegt, die Bewegungen der Himmelskörper dokumentieren.
Vier wunderbare Jahre in unserer Studenten-WG, nun zieht meine Mitbewohnerin aus. Wir stehen im leeren, frisch gestrichenen Zimmer und schauen uns traurig an. Die Erinnerungen bleiben.
Skizzieren ist für mich seit meinem Studium (Architektur) eine lebensbegleitende Tätigkeit. Nun bin ich rentneralt und auf dem Fahrrad unterwegs in der Landschaft. Eine Miniausstattung an Zeichenzeug habe ich immer dabei. Besonders schön sind die Montage, wenn alle wieder an die Arbeit gegangen sind und in der Welt Stille eingekehrt ist. Dann mache ich gelegentlich in einem Café halt, wo lauter Leute wie ich sitzen – die im arbeitsfreien Alter.
Nach zwei Jahren Vorsprechen mit vielen Enttäuschungen, meinen Traum leben zu dürfen: das Studium an einer Schauspielschule! Ein unbezahlbares Gefühl, das zu machen, was einen erfüllt!
Meine weltbesten Kollegen, die heimlich das verflixt teure Ersatzteil besorgt und mein Motorrad repariert haben. Nun macht es wieder Motormusik und mich sehr, sehr glücklich.
Der tägliche Gang zum Grab unseres Kindes. Vor vier Monaten kam Samuel zur Welt, doch aufgrund vieler Fehlbildungen war er nicht fürs Leben bestimmt. Unser Sohn ist zu einem Engel für uns geworden.
Vergangenes Jahr hatte ich Sonnenblumen ausgesät, die leider so dünnstielig waren, dass sie von der Schwere der Blüten umgerissen wurden. In diesem Sommer nun siedelte sich eine von selbst bei uns an – in einer Ritze zwischen den Steinplatten unseres Balkons. Ihre Blätter sind von Raupen zerfressen, aber sie hält tapfer durch. Und die beiden Bienchen, die entspannt auf ihrer Blüte hocken, lassen sich durch nichts und niemanden stören, sondern wackeln nur zwischendurch mal mit dem Popo.