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Höllisch

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„Die Straße zum Fegefeuer ist geschlossen. Bitte begeben Sie sich über die Neue Straße direkt auf den Weg in die Hölle.“ – Dante hätte sicher seine helle Freude an der Verkehrsregelung in seiner Heimatstadt Florenz. Und unsereins hat große Schwierigkeiten, bei diesem Schild keine Assoziationen zur aktuellen Politik zu bekommen.

Ulrich Jobst, St. Wendel, Saarland

 

Was mein Leben reicher macht

Ende der achtziger Jahre lauschte ich als Student auf dem Weg zur Uni oft einem Straßenmusikanten, welcher in der Laimer Unterführung in München hingebungsvoll Querflöte spielte.

Neulich kam ich zu einem Geschäftstermin nach München und ging erstmals wieder durch das Tunnelgewölbe. Noch bevor ich ihn sah, hörte ich ihn. Da stand er zwischen geparkten Fahrrädern – nun wohl weit über 70 Jahre alt – und spielte virtuos wie vor 25 Jahren!

Peter Müller, Augsburg

 

Dankeschön nach Irland

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Dieses Buch mit Kinderzeichnungen entdeckte ich im Nachlass meiner verstorbenen Frau Mary. Es handelt sich um Dankesgrüße deutscher Kinder, die nach dem Krieg in Saarbrücken an der Schulspeisung teilnahmen. Die Lebensmittelspenden dazu kamen aus Irland. Ich weiß, dass meine Frau das Büchlein als Kind von einem Freund ihres Vater bekam und es ein Leben lang wie einen Schatz hütete. So beschloss ich, der Sache auf den Grund zu gehen. Mit der Hilfe der deutschen Botschaft in Dublin kam ich vergangenes Jahr in
Kontakt zur Saarbrücker Cecilienschule, wo die Bilder entstanden waren. Im April nun war ich in Saarbrücken zu einem Treffen mit ehemaligen Schülerinnen eingeladen, die damals an der Speisung teilgenommen hatten. Nur wie das Buch 1946 zu uns nach Irland gelangte, weiß ich leider immer noch nicht …

Tony O’Herlihy, Dublin

 

Der lyrische Otter

(nach Christian Morgenstern »Das ästhetische Wiesel«)

Ein Otter
fraß an einem Dotter
mitten im Flussbettschotter
Warum
denn nur?
Der Sonnen-Ur
erklärts mir stumm
im Regen:
Das hochgescheite
Tier aß Ei
der Verse wegen.

Andreas Gers, Nottuln, Nordrhein-Westfalen

 

Was mein Leben reicher macht

Gestern habe ich mein zehntes Kind verloren. Trotz gewisser Routine sitze ich am Frühstückstisch, und mir laufen die Tränen über das Gesicht. Da kommt meine dreijährige Tochter zu mir – das einzige meiner Kinder, das den Weg ins leben geschafft hat – und singt mir das Lied, mit dem sonst ich sie tröste.

Silke Ettling, München

 

Was mein Leben reicher macht

Der Blick unserer fünfjährigen gehörlosen Adoptivtochter, wenn sich der Papa nach dem noch etwas undeutlichen Ruf »Baba« tatsächlich zu ihr umdreht. Bis vor einem Jahr hat sie in völliger Stille in einem Kinderheim in Haiti gelebt. Jetzt lernt sie dank eines Implantats langsam Hören und Sprechen. Innigsten Dank allen, die uns dreien das ermöglicht haben.

Katinka Jäger, Mühlhausen bei Heidelberg

 

Was mein Leben reicher macht

Im Nachbardorf steht seit einiger Zeit ein einzelner Schuh auf einem Stromkasten. Sonne, Wind und Regen lassen ihn ausbleichen. Ich denke: »Der findet seine bessere Hälfte wohl nicht mehr!« – und was sehe ich heute? In dem Schuh steckt ein Strauß aus Kornblumen und Margeriten! Man kann auch ganz alleine aufblühen …

Vita Meyer zu Hörste, Altmark, Sachsen-Anhalt

 

Muckefuck: Mein Wort-Schatz

Das erste Wort beim Großelternbesuch: »Willste ’n süßen Kaffee?« und dann eilte Opa zum Herd und bereitet mir einen Becher Muckefuck zu, mit drei löffeln Zucker, mindestens. Diesen Ersatzkaffee gab es unter der Woche – den guten, teuren Bohnenkaffee nur sonntags. Aber wehe, wenn man dann sparsam war. Die gestrengen Tanten äugten in die Sammeltassen. Konnte man auf dem Boden durch den Kaffee hindurch das Blumendekor erkennen, gab es ein entrüstetes Schnauben. Das war dann Blümchenkaffee. Sammeltassen gibt es heute nur noch auf dem Flohmarkt. Und im Zeitalter von Latte Macchiato und Cappuccino führt der Muckefuck ein Schattendasein. Eine Geschäftsidee: der Muckefuck to go!

Marion Birkenfelder-Linn, Essen