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Zeitsprung: Lichtkunst

1984
1984

2013
2013

Auf dem ersten Bild bin ich zwei Jahre alt und stehe vor einer Installation des amerikanischen Künstlers Dan Flavin. Mein Vater hat die Aufnahme 1984 gemacht, beim Familienbesuch einer Ausstellung in Basel. Vater erzählt, dass ich zuvor verängstigt gewesen sei von den unheimlichen Figuren von Oskar Schlemmer und den lärmenden Maschinen von Jean Tinguely und Bernhard Luginbühl. Vor den Flavin-Neonröhren jedoch sei ich zur Ruhe gekommen und hätte lange staunend dort gestanden und ins Licht geguckt. Die Fotografie begleitet mich seither bei jedem Umzug, in jedem Leben. Das faszinierte Staunen ist eine Fähigkeit, die ich nie verlieren will. Kürzlich fand in Wien (wo ich seit zehn Jahren lebe), im Museum Moderner Kunst eine Dan-Flavin-Ausstellung statt: ein guter Anlass, das Bild zu »aktualisieren«, wenn auch die Arbeit von damals leider diesmal nicht ausgestellt war. Fotografiert hat diesmal mein Mann.

Simone Mathys-Parnreiter, Wien

 

Was mein Leben reicher macht

In der Kassenschlange eines Drogeriemarktes. Vor mir ein älteres Ehepaar. An  die Reihe gekommen, packt der Mann Drogeriewaren aus einer Einkaufstüte aus und legt einen Kassenbon daneben. Er erklärt der Kassiererin, dass er diese am Vortag erworben habe und dass er einen der Artikel nicht auf dem Bon wiederfände. Die Dame an der Kasse schaut verständnislos. »Ja, verstehen Sie denn nicht?«, sagt da die Frau. »Wir haben diesen Artikel gekauft, also wollen wir ihn auch bezahlen!«
Claus-Peter Ulitzner, Paderborn

 

Was mein Leben reicher macht

Palma de Mallorca, Fußgängerzone. Eine Frau hält, auf dem Pflaster sitzend, ihren kleinen Sohn umschlungen. Der Vater geht daneben nervös auf und ab. Drei uniformierte Männer sprechen in Sprechfunkgeräte. Plötzlich kommt ein Polizeibus heran. Die seitliche  Schiebetür öffnet sich, ein Mädchen springt heraus und umarmt die Frau. Die ganze Familie weint vor Glück. Alle Umstehenden freuen sich mit.

Bernd Blümlein, Heilsbronn, Mittelfranken

 

Zauberschön: Mein Wort-Schatz

Wann ist etwas zauberschön? Sind es Lichtstrahlen, die durch ein kleines Kirchenfenster kriechen und sich dann doch ganz ungewollt  den Weg ins Herz suchen? Kinderlachen, der tobende Nordwind auf einer Insel? Gerne geht man auf Entdeckungsreise zu diesen Dingen, zum Sehen, zum Lauschen, zum Staunen. Und egal, ob es dieses Wort nun tatsächlich gibt oder nicht. Es ist ein Geschenk, sagen zu  önnen: Es ist zauberschön!

Stephanie Kraft, Freising

 

Was mein Leben reicher macht

Ich sitze auf einem Hügel bei Ouzoud, im frühlingshaften Marokko. Da höre ich von einem anderen Hügel her einen Kuckuck rufen, und plötzlich beginnt ein Esel zu schreien. Vor fünfzig Jahren habe ich das alte Maienlied gelernt, jetzt wird es Wirklichkeit: »Der Kuckuck und der Esel, die hatten einen Streit …«

Marianne Winter-Blohm, Münster

 

Minnefürst

(nach Johann Wolfgang von Goethe, »Erlkönig«)

Wer schreibt denn so spät noch ein Gedicht?
Es ist Herr Goethe im Dämmerlicht;
Er wiegt die Reime wohl zärtlich fein,
Doch plötzlich, da fällt ihm nichts mehr ein.

Was stehst du so spät noch hier am Pult?
Fragt ihn Christiane voll Ungeduld.
Ich schreibe dir ein Liebesgedicht,
Doch meine Gedanken, sie fließen nicht.

Ach Liebster, lass doch das Dichten sein!
Ich lieg’ schon seit Stunden so allein.
Ich möcht’ nicht lesen von der Liebe,
Möcht’ spüren all die süßen Triebe!

Komm, mein Geliebter, folge mir nach!
Komm mit mir in unser Schlafgemach!
Hier kannst du rasten, kannst du schmusen
Und dich ergötzen an meinem Busen.

Da leistet er keinen Widerstand
Und folgt ihr gern in himmlisches Land.
Er öffnet ihr das feine Mieder,
Und alsbald sinken beide nieder.

Was sonst noch geschah in jener Nacht,
Hat Eckermann uns nicht überbracht.
Tags drauf schrieb Goethe mit leichter Hand:
»Von meiner Liebe so zartem Band.«

Am Abend liest er die Verse vor.
Christiane lauscht mit offenem Ohr,
Und hochbeglückt sie zu ihm spricht:
Das ist das schönste Liebesgedicht!

Mit all den Worten, die du findest,
noch fester du mich an dich bindest.
Oh Liebster, du bist ein Genie;
Im Bett und in der Poesie!

Wolfgang Lörzer, Berlin

 

Was mein Leben reicher macht

Im Eiscafé. Vor mir bestellt sich ein etwa fünfjähriges Mädchen eine Kugel Eis. Als sie das Eis gereicht bekommt, fragt sie, ob sie vielleicht noch eine Kugel drauf haben könne. »Klar!«, meint die Verkäuferin. Die Kleine nimmt ihre zwei Kugeln Eis und reicht der Dame einen Euro. Darauf diese: »Das reicht aber nicht!« Das Mädchen schleckt bereits, lächelt die Verkäuferin an, nickt und geht freudig aus dem Geschäft. Meine Tochter ist erst neun Monate alt, aber ich freue mich heute schon auf solche Situationen!
Daniel Gilde, Potsdam

 

Straßenbild

s80-strassenbild

Auf dem Weg über Tankenrade nach Lebatz fiel mir dieses »Wohnzimmer im Grünen« auf. Wer wohl schon alles auf diesem Sofa gesessen hat?
Heino Aron Veldhoen, Strenglin, Schleswig-Holstein