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Das ist mein Ding

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Von meinem Großvater habe ich dieses Schränkchen geerbt. Er hatte es 1918 aus Trümmern angefertigt, die er nach der Schlacht von Armentières aufgesammelt hatte, und es als Hausapothekenschränkchen sehr in Ehren gehalten. »Armentières« steht auch über dem Kreuz. Aus Neugier habe ich dieses Wort neulich gegoogelt. Ich wusste vorher nichts von dem unsäglichen Leid und der grauenvollen Zerstörung, die die deutsche Armee dort angerichtet hat. Als Mennonit hatte mein Großvater den Dienst mit der Waffe verweigert und war im Train eingesetzt. Er war Glasermeister in Durlach, die Bleiverglasung hat ein Kamerad angefertigt, der Kunstglaser war. Mehr hat der Großvater nie erzählt. Jetzt, nachdem ich eine Vorstellung von Armentières bekommen habe, verstehe ich, dass das Schränkchen mehr ist als eine nette Antiquität. Es hat ihm wohl geholfen, das Grauen zu überwinden.

Elisabeth Kludas, Bochum

 

Was mein Leben reicher macht

Semesterferien, ich fahre nach Hause. Es regnet in Strömen, und ich warte auf meine Eltern, die mich vom Bahnhof abholen wollen. Plötzlich hält ein Bus neben mir, obwohl hier keine Haltestelle ist. Die Tür geht auf, und mein ehemaliger Schulbusfahrer fragt, ob er mich mitnehmen soll.

Greetje Baden, Schneverdingen, Niedersachsen

 

Keck: Mein Wort-Schatz

Gestern schoss mir beim Anblick einer schief aufgesetzten Baskenmütze das Wort Keck durch den Kopf. Was für ein schönes, selten gebrauchtes Wort! Man sieht förmlich, wie es das Köpfchen reckt, das Kinn ein bisschen nach vorne geschoben, die Augen blitzend: »Na, wie weit kann ich wohl gehen?« Keck ist die kleine Schwester von Kühn und Mutig, hat noch nicht deren Ernst, und entfernte Kusine des etwas unbedarften Tollkühn, der, obwohl schon älter, irgendwie nicht richtig erwachsen werden will. Keck aber ist noch jung, unbekümmert, verspielt wie ein junger Hund. Für Keck ist noch alles leicht.

Charlotte Bensch, Weimar

 

Was mein Leben reicher macht

Neulich bei meinem Hausarzt. Die Sprechstundenhilfe telefoniert mit einem Patienten: »Nein, der Doktor hat heute keinen Termin frei, erst morgen wieder… Nein, tut mir echt leid.« Und dann: »Ich werde Sie in mein Abendgebet einschließen.« Danach lacht die Sprechstundenhilfe laut auf. Als sie aufgelegt hat, frage ich sie nach dem Grund. Und sie: »Der hat gesagt: ›Dafür, dass Sie mich in Ihr Gebet einschließen, kraule ich Ihnen den Rücken. Da, wo Sie nicht drankommen.‹«

Antonie Secker-Adams, Bad Honnef

 

Aus einem März

(nach Rainer Maria Rilke »Aus einem April«)

Wieder zwitschert ein Spatz.
Es klingeln die bimmelnden Glocken
mit Schwung die Schwermut hinaus, die meiner Seele Grau war;
zwar sah man noch durch das Fenster den Frost, wie er rau war, –
aber nach vielen, eisenden Fahrradfahrten
kommen die tauübersprengten
zarteren Stunden,
in denen schillernd auf grünen
Wiesenfluren
alle die runden
Blüten sehnsüchtig Sonne erwarten.
Dann wird es warm. Sogar die Katze wird rege,
streckt biegend schmiegsamtene Pfoten aus.
Frohe Gedanken eilen hinaus
und bringen die Ahnung von Frühling zuwege.

Beate Hugenschmidt, Freiburg

 

Was mein Leben reicher macht

Wenn ich aufwache und meine Mutter mir via WhatsApp bereits einen guten Morgen gewünscht hat – mit viel zu vielen Smileys. Erst vor Kurzem hat sie sich ein Smartphone angeschafft. Aber sie blüht mit ihm und seinen vielen Möglichkeiten total auf.

Wolf-Fabian Hungerland, Berlin

 

Zeitsprung: Auf den Spuren von Uwe Johnson

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Im Juli 1996 begab ich mich auf meiner ersten privaten Spurensuche in Sachen Uwe Johnson in den Klützer Winkel zwischen Lübeck und Wismar. Damals parkte ich Auto und Hund im Städtchen Klütz, das bei Johnson »Jerichow« heißt, im Schatten eines baufälligen Speichers und sah mich im Ort und auf dem Friedhof um. Im August 2012 war ich wieder dort, und siehe da: Aus dem Speicher war inzwischen das Uwe-Johnson-Literaturhaus geworden. Toll!

Regina Dehmel, Scharnebeck, Niedersachsen

 

Die Kritzelei der Woche

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Während eines Telefongesprächs mit einem guten Freund über Zukunftspläne, Träume und Ideen hatte ich den Artikel eines alten Magazins über meine Generation und ihre twenty­ something crisis im Kopf und unter dem Kugelschreiber.

Katja Müller, Lüneburg