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Was mein Leben reicher macht

Fünf Tage mit Arzu, Bernhard, Joachim, Kerstin, Klaus, Marita, Norbert, Tanja und Tobias auf Selbsterfahrungskurs im Kloster Schöntal. Teilhabendürfen aneinander, sich aufeinander einlassen und einander tief berühren. Zuhören und mitfühlen, wie das Leben manchmal läuft. Und zum Abschluss alles singend und betend unserem Höheren hinhalten – er trägt nicht für alle denselben Namen.

Christa Will, Lahn, Emsland

 

Was mein Leben reicher macht

Abends hungrig nach Hause kommen, Kartoffeln mit Quark machen, am Tisch sitzen und genüsslich essen. Alles andere wird unwichtig. es gibt nur diese herrlichen warmen Kartoffeln und mich. Einfach kann so gut sein!

Wiebke Jäkel, Mannheim

 

Violoncello: Mein Wort-Schatz

Violoncello ist mein Lieblingswort, solange ich denken kann: diese Eleganz, diese Leichtigkeit, dieses Tremolo zu Beginn, um nach den geradezu artistisch anmutenden Zungenbewegungen der ersten drei Silben, in die man sich am besten mit geschlossenen Augen kopfüber hineinstürzt, nun das einzige »e« des Wortes elegant, ein wenig lasziv und in aller Ruhe ins Delta des »o« fließen zu lassen. Der Klang nimmt mich mit in mondäne Badeorte, ich denke an Positano, an galante Herren und geheimnisvoll lächelnde Damen, an Strohhüte und an Musikkapellen mit dem Schmelz jener Tage im Repertoire. Kann man da noch schlechter Laune sein? Ich jedenfalls bin gegen den Zauber dieses Wortes vollkommen wehrlos.

Angela Detmers, berlin

 

Was mein Leben reicher macht

s90-fahrschein

Als ich die Memoiren meines Vaters, des Leutnants Hans Joachim Seidel, aus dem Ersten Weltkrieg für eine Veröffentlichung vorbereitete, fiel mir sein Heimatfahrschein wieder in die Hand. Nach einem fast tödlichen Absturz seines Flugzeugs war mein Vater monatelang in Lazaretts in Nazareth, Afule und Damaskus gewesen und gerade einigermaßen geheilt worden. Ganz kurz vor dem Zusammenbruch der türkischen Front in Palästina und der alliierten Landung im Balkan, welche die Eisenbahnverbindung unterbrach, konnte er noch zweiter Klasse nach Deutschland zurückfahren.

Michael Seidel, San Diego, Kalifornien, USA

 

Was mein Leben reicher macht

Heidi, meine Frau, geht morgens früher aus dem Haus und liest daher die Tageszeitung vor mir. Und wenn ich dann später die Seiten aufschlage, finde ich jeden Tag einen netten Gruß, zwischen den Zeitungsberichten versteckt. Ich liebe diese Botschaften – und meine Frau!

Wolfgang Hauke-Taukert, Neustadt/Aisch, Bayern

 

Weiland: Mein Wort-Schatz

In einem Lesebuch, verlegt 1899, las ich über den Verfasser »weil. Professor am Königlichen Gymnasium zu Wiesbaden«. Die Abkürzung »weil.« stand für weiland, doch dieses Wort gibt es nicht mehr. Man sagt »einst« oder vielleicht auch »einstmals«. Wenn man aber das Wort Weiland noch benutzen würde, könnte man sich an den Dichter Ch. M. Wieland erinnern, der weiland in Erfurt und Weimar wirkte.

Karl-Josef Mewaldt, Buxheim (Schwaben)

 

Der Wahlkrampf

(nach Rainer Maria Rilke »Das Karussell«)

Mit Autos, Hubschraubern und Bussen dreht
sich eine kleine Weile der Bestand
von Kandidaten, alle aus dem Land,
das hoffentlich so bald nicht untergeht.
Zwar manche haben nicht sehr viel Format,
doch alle haben Mut in ihren Mienen;
eifrige Helfer gehn mit ihnen
und dann und wann ein Spitzenkandidat.

Sogar das Fernsehen ist da mit Team,
das filmt die Wahlveranstaltung in Gänze;
und mancher Kandidat würd gern intim.

Dann denkt er aber doch an seine Wähler
und hält in seiner großen heißen Hand
das Mikrofon und spricht tagtäglich greller.

Und dann und wann ein Spitzenkandidat.

Und auf den Märkten kommen sie vorüber,
auch Frauen, helle, die es mal versuchen,
größere Wahlerfolge zu verbuchen,
als Männer von sehr viel kleinerem Kaliber –
Und dann und wann ein Spitzenkandidat.

Und das geht hin und eilt sich, dass es endet,
und kreist und dreht sich nur und hat ein Ziel:
Rot-Grün oder Schwarz-Gelb abgewendet,
die sonstigen Parteien zählen nicht so viel –,
Und manches Mal Attacken, schnell versendet,
in Presse, Facebook, Fernsehn eingeblendet –
noch bis September dauert dieses Spiel …

Brigitte König, Ingolstadt

 

Was mein Leben reicher macht

Feierabend. In der vollen S-bahn lese ich auf meinem E-Book-Reader. Eine alte Dame und ihre junge Enkelin beobachten mich. als die Oma leise fragt, was ich denn da mache, antwortet das Mädchen: »Das, was ihr früher mit euren Büchern gemacht habt, Oma. Das zeig ich dir heute Abend zu Hause auch mal.« Die Oma strahlt und ruft: »Oh, gerne!«

Ömer Ayranci, berlin