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Was mein Leben reicher macht

Ich verbringe zurzeit ein Jahr als Austauschschüler in den USA, und besonders zur Weihnachtszeit war das nicht leicht. Doch dann kam das Weihnachtspaket meiner Eltern mit allen möglichen Leckereien, Comics und einem Pullover, selbst gestrickt von meiner Mutter. Als ich den auspackte, war ich einfach nur glücklich.

Tilmann Riemer, Westfield, USA

 

Das ist mein Ding

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»Was ist das denn?« Das Ding lag auf dem Küchentisch meiner Schwester, lang ist’s her, und stellte sich heraus als ein von einem befreundeten Hufschmied gefertigter Flaschenöffner. Er begeisterte mich sofort mit seiner bis auf den kecken Kringel schnörkellosen Schönheit und seiner perfekten Funktionalität. Weihnachten drauf hat sie ihn mir geschenkt, und seitdem öffnet er mir Flaschen, hebelt Kakao- und Teedosen auf und hält mir, quer drübergelegt, Bücher offen, ohne allzu viel vom Text zu verdecken. Dazwischen hängt er in der Küche zwischen all den durchgestylten Edelstahlutensilien, urwüchsig, schwer und ein bisschen trotzig.

Hans Carl von Werthern, Berlin

 

Kawuppdich: Mein Wort-Schatz

Wenn jemand keinen »Biss« hatte, keine »Energie«, keinen »Schwung« oder kein »Temperament«, sagte meine vom Niederrhein gebürtige Großmutter nur: »Der hat kein Kawuppdich.« Das hörte sich schön an, und außerdem war alles an Aussage drin: Man sah den Gemeinten, völlig schlaff, saft- und kraftlos, förmlich im Sessel versinken.

Wolfgang Pauls, Solingen

 

Tempus fugit

 

 

s74-strassenenbildUnd das Jahr 2012 ist auch schon wieder vorbei. Wahnsinn, wie die Zeit verfliegt! (Bildlich eingefangen beim Spaziergang am Strand.)

Winand Mühlethaler, Den Haag, niederlande

 

Was mein Leben reicher macht

Ein Spaziergang an der Elbe. Die Landschaft ist eingewickelt in eine weiße Schneedecke, der Himmel grau und wolkenverhangen. an meiner Lieblingssandbank setze ich mich in den Schnee, genieße die Ruhe, verfolge den Anflug eines Silberreihers am gegenüberliegenden Ufer und nehme plötzlich aus dem Augenwinkel eine Bewegung im Wasser wahr: Keine fünf Meter von mir ist aus dem Nichts der Kopf eines Bibers aufgetaucht. Minutenlang betrachtet er mich sehr intensiv. Ich wage fast nicht zu atmen, aus Angst um diesen verzauberten Moment. Dann lässt sich der Biber langsam weitertreiben und taucht ab.

Susanne Gruber, Kemberg, Sachsen-Anhalt

 

Was mein Leben reicher macht

Auf der Heimreise aus Italien spricht uns an einem hessischen Autobahnrastplatz ein junger Türke an. Der Fahrer eines schwarzen, sportlichen Mercedes fleht um zwanzig Euro. Der Tank seines Autos sei fast leer, die Scheckkarte gesperrt. Er bekommt kein Benzin mehr, um in seine Heimatstadt Bebra zu gelangen. Wir geben ihm in Urlaubslaune Geld und unsere Kontonummer. Wochen gehen ins Land. Ein Bekannter kommentiert, man könne an einem deutschen Autobahnparkplatz eben nichts glauben. Wir lachen. und dann treffen die entliehenen zwanzig Euro vom unbekannten »Cem« doch noch auf dem Konto ein!

Carsten Dette und Wolfgang Thiele, Hannover

 

Ewig schön: Mein Wort-Schatz

Mein Großvater hat in seinen Urlauben die täglichen Unternehmungen und Wanderungen in einem kleinen Heft mit einer wunderschönen Schrift festgehalten. Alle Seiten hat er nummeriert, und am Anfang gibt es eine genaue Inhaltsangabe. Bei einer Tour steht über den Anblick eines Gipfels, den er nicht zum ersten Mal sah: ewig schön. Diese Worte haben mich sehr berührt. Wie recht er hat!

Jutta Neff, Niedernhausen, Hessen

 

Was mein Leben reicher macht

Nach einer Party im Studentenwohnheim spontan mit Freunden aus Deutschland, Russland, Kamerun, der Ukraine und Pakistan indisch-pakistanisch kochen. Nachts um drei.

Lara Behling, Kiel0

 

Was mein Leben reicher macht

Donnerstag, Religionsunterricht. Ich versuche, so interessiert wie möglich zu wirken, damit ich dem süßen Reli-Lehrer imponiere. Und gleichzeitig möchte ich nicht rot werden, weil meine beste Freundin neben mir mir ins Ohr flüstert: »Fang jetzt bloß nicht an zu sabbern!« Dabei sabbert sie insgeheim auch!

Laura Stegmeyer, Cadolzburg, Mittelfranken

 

Der Junge in der Kamera

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s74-wiedergefunden-2-180Neulich kaufte ich mir ein gebrauchtes Exemplar der Kamera Box-Tengor von Zeiss Ikon aus den fünfziger Jahren. Als ich sie öffnete, fand ich darin zu meiner Überraschung noch einen belichteten Film, wie er nur bis zum Jahr 1960 produziert worden war. Meine Neugier war schier grenzenlos: Ob sich der Film wohl noch entwickeln lassen würde? Was würde sich auf den Negativen wohl verbergen? Und siehe da: auf allen Negativen war das gleiche Motiv zu erkennen, ein etwa dreijähriger Junge auf einem Dreirad. Ich nahm Kontakt zum Vorbesitzer der Kamera auf, und es stellte sich heraus, dass das Bild im Jahr 1962 aufgenommen worden war. Der Junge war ein Cousin der Frau des Verkäufers, sie hatten untereinander aber keinen Kontakt mehr. Es war ein magischer Moment. Ein Gruß aus der Vergangenheit.

Matthias Kistmacher, Hannover