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Versprechen

Mit abgeschlossenem Studium in der Tasche und dem ersten selbst verdienten Monatsgehalt auf dem Konto ziehe ich durch die Straßen. Und wenn sich dann manchmal die Zukunftsängste breitmachen, bleibe ich hängen an Schaufenstern wie diesen. Gesehen in Graz. Denn alles wird gut. Versprochen!

Katharina Kleiter, Stuttgart

 

Was mein Leben reicher macht

Meine Lebensgefährtin lebt in der Dominikanischen Republik, und ich besuche sie zwei- bis dreimal im Jahr. Am Tag vor meinem Hinflug telefonieren wir, und es fallen die im Alltag so oft benutzten Worte »bis morgen«. Hier sind sie wahre Magie. Der Flug geht über 7.500 Kilometer, und natürlich sagen wir: »Hasta mañana!«

Michael Weinhold, Herne

 

Die Weihnachtspost

Zu Weihnachten 1944 sandte mein Großvater diese auf dünnem Pergamentpapier gemalten Grüße an seine Familie ins Sudetenland. Damals war er als Funker in der Festung Saint-Nazaire an der Loire-Mündung eingeschlossen. Nach Kriegsende verbrachte er noch drei Jahre in französischer Gefangenschaft. Dieses Jahr aber feiert unsere Familie Weihnachten mit Gästen aus Frankreich: Mein ältester Bruder hat eine Französin geheiratet. Mit dem Baby Clara und den Schwiegereltern sind sie zu uns gekommen. Welch ein Wandel nach drei Kriegen zwischen Frankreich und Deutschland innerhalb eines Jahrhunderts!

Susanne Hönig, Oberankenreute, Baden-Württemberg

 

Bürzel, Burz und Knod: Mein Wort-Schatz

Dass Hühner, Enten, insbesondere Weihnachtsgänse einen Bürzel haben, ist bekannt. Meine Tochter besteht darauf, auch diesen zu servieren, da er eine Leckerei sei. Na ja. Nun ist hier im Schwabenland die Endung -el das Kennzeichen für etwas Kleines. Womit wir beim Burz wären, etwas Größerem, welches jedoch in keinem Lexikon steht. Was hat man sich darunter vorzustellen? Etwas vom Nashorn, womöglich vom Elefanten? Oder nur etwas vom Strauß oder Emu? Dass es was vom Hinterteil sein muss, ist klar. Gleichermaßen begeistert mich der Knod (nur als Wort!), vom Knödel abgeleitet: Von einem bayerischen Semmelknödel schaffe ich kaum einen ganzen, mit einem Knod bringe ich meine Feinde zur Verzweiflung. Valentins Frage nach der Anzahl der Semmeln für einen Knod hat eine klare Antwort: viele. Zum Glück hat sich in der Gastronomie durchgesetzt, nur noch Knödel, keinen ganzen Knod als Sättigungsbeilage zu servieren.

Georg Prüfer-Schönfelder, Heidenheim

 

Was mein Leben reicher macht

Erster Schnee in der Stadt. Die Straßen sind spärlich weiß. In der Fußgängerzone kommt mir ein kleiner Junge entgegen. Er hat einen großen Klumpen Schnee auf den Armen. Wo mag er den allen zusammengekratzt haben? Auf seinem Gesicht das Strahlen schönster Kindheitstage. Und alle Passanten steckt er damit an.

Monika Obrist, Bozen, Südtirol

 

Das ist mein Ding

Vor fast genau 30 Jahren stichelte mein Sohn in der Schule im Handarbeitsunterricht dieses Bild. Lernziel: verschiedene Stickstiche, Knüpfen, Knöpfeannähen. Zu Weihnachten schenkte er mir sein Werk mit den Worten: »Das bist du.« Seitdem hat dieses Porträt einen Ehrenplatz an der Schlafzimmerwand, und jeden Tag grüße ich es: »Ja, genau so sehe ich aus!«

Regina Allmer, Lüneburg

 

Gesocks: Mein Wort-Schatz

Eines meiner absoluten Lieblingswörter ist Gesocks. Ich kann mich nicht erinnern, das Wort je gehört zu haben, ohne lachen oder lächeln zu müssen. Kommt es wirklich von Socken? Es ist ein schelmisches Wort, denn es kann ohne einen rest Augenzwinkern gar nicht gesagt werden. Keiner würde die wirklich Üblen als Gesocks bezeichnen. Aber Gesocks in der Verwandtschaft, in der Nachbarschaft, ja in der Kirchengemeinde – wer wollte ernsthaft darauf verzichten?

Paul Jacobs, Delmenhorst

 

Was mein Leben reicher macht

Meine unvergleichliche Mitbewohnerin Rose, die nach einem turbulenten Jahr zurück nach Australien geflogen ist. Auf dem Küchentisch hat sie zwei kleine gelbe Rosen hinterlassen, daran ein Zettel: »Ersatz«. Ist es nicht, Rose! Komm zu uns zurück!

Anna Brixa, Berlin

 

Was mein Leben reicher macht

Unsere sechsjährige Enkelin Carlotta ist zu Besuch, ganz allein, darauf ist sie stolz. Weil sie »schon so groß« ist, will sie im Gästezimmer unterm Dach übernachten. Spätabends finden wir einen Brief im Treppenhaus: »Liebe Oma, ich kann nicht schlafen und möchte fragen, op ich unten schlafen kann. Bitte ankreuzen JA oder NEIN.« Wir lugen vorsichtig ins Dachzimmer: Lotti liegt in tiefem Schlaf.

Günter van Mark, Herford

 

Weltwende

(nach Jakob van Hoddis, »Weltende«)

Dem Hipster fliegt vom stumpfen Hirn der Mut,
In allen Medien hallt es wie Geschrei:
Die Welt zerfällt, das Leben ist vorbei!
Die Mayas, munkelt man, vergehn vor Wut.

Das Ende naht: Das letzte Blättchen zupfen
Wir vom Kalender. Lasst diesen Tag uns pflücken,
Als wenns der letzte wär. Dann lasst uns rupfen
die Gans und uns am nächsten Untergang
entzücken!

Andreas Goletz-de Ruffray, Ammersbek