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Was mein Leben reicher macht

Nach der – gelungenen – Entfernung eines Gehirntumors ging es mir vor der anschließenden Chemotherapie nicht besonders gut. Ich war ängstlich, verzagt und weinerlich. bis zu einem Gespräch mit meinem damals 18-jährigen Neffen: »Ich sag’s dir, weil es dir sonst keiner sagen wird – Selbstmitleid hilft hier nicht weiter! Die Chemo ist dein Freund, nicht dein Feind.« Patrick, du hast mir so geholfen!

Renate Utzschmid, Brüssel

 

Zeitsprung: Damen auf der Durchreise

Es gibt nur wenige Fotos, die unsere ganze Familie zeigen – was damit zu tun hat, dass wir Zeit unseres Lebens viel unterwegs gewesen sind. Das linke Bild entstand 1952, wenige Jahre nach der Flucht aus Oberschlesien. meine beiden älteren Schwestern Ingrid und Brigitte (von links) sind noch dort geboren, ich kam »unterwegs« zur Welt, Heidrun, das Nesthäkchen, dagegen schon in dem Bauernhaus im Niederrheinischen Wachtendonk, das man uns zuteilte, als mein Vater aus der russischen Gefangenschaft entlassen wurde. Weil die Verhältnisse dort so beengt waren, pflegte er Spaßeshalber zu sagen, dass wir alle mit spätestens 20 Jahren aus dem Haus sein müssten. Interessanterweise kam es wirklich so. Sowohl meine älteste Schwester (Hotelkauffrau) als auch meine jüngste (Fotolaborantin) führte das Leben bis nach Afrika. Brigitte heiratete einen Marineoffizier und ging nach Schleswig-Holstein. Ich selbst (wie Brigitte gelernte Schneiderin) zog mehrfach zwischen Norddeutschland und Franken hin und her. Dennoch versuchen wir alle zwei Jahre ein Geschwistertreffen zu organisieren, beim jüngsten – 2012 in München – entstand dann das rechte bild.

Astrid Deckelmann, Glattbach, Franken

 

Die Kritzelei der Woche

»Hast du meine Notizen gesehen?« – »Welche?«, frage ich scheinheilig. »Na, die mit den Fischaugen! Ich hatte sie neben den Computer gelegt, aber da sind sie nicht mehr«, ruft meine Frau hörbar genervt aus ihrem Zimmer. »Worum handelt es sich denn?«, will ich wissen. »Sag ich nicht, schließlich geht es auf Weihnachten zu«, lautet die Antwort. »Stand da ein Preis drauf?«, hake ich nach. »Ja, und genau darum geht es, ich habe etwas ausgehandelt, und jetzt bin ich mir des Betrages nicht mehr sicher. Und wie der Kerl hieß, weiß ich auch nicht mehr, Kleist oder Keil oder … Herrgott, wo ist denn das Ding?« Kunstdiebstahl ist ja eigentlich verwerflich, denke ich. Andererseits kommt die Kunst in diesem Fall wenigstens unter die Leute. PS: Den Fisch unten rechts finde ich zum Küssen, meine Frau übrigens auch, gerade jetzt, wo es auf Weihnachten zugeht … Und verhandeln kann sie! 1.390 euro für einen echten Klee sind doch ein Schnäppchen, oder?

Rudi Kynast, Reckingen, Schweiz

 

Was mein Leben reicher macht

Als ich abends am Bett unseres sechsjährigen Enkels saß, schob er seine normalerweise zum Einschlafen benötigten Kuscheltiere plötzlich weg und legte meine Hand unter seine Wange. Dieses Gefühl wird mir lange in Erinnerung bleiben! Kürzlich hat ein Freund mir aufwendig eine alte Videokassette digitalisiert. Gewöhnt daran, dass es Leistungen nur für Gegenleistungen gibt, fragte ich ihn, was er als Dankeschön haben wolle. er schlug vor: »Sag einfach Danke.«

Sandra Gilles, Aachen

 

Was mein Leben reicher macht

An einem regnerischen Abend auf der Weserfähre mit meiner Tochter und meinem Patenkind und dann festzustellen, dass das Portemonnaie fehlt! Doch der Fährmann winkt uns freundlich durch, und wir müssen keinen Umweg über Bremen fahren!

Katja Ohlrogge, Hannover

 

Das ist mein Ding

Dieser Engel gehörte meiner Mutter. Jedes Jahr in der Adventszeit bekam er seinen Platz im Wohnzimmer. Ich fand ihn schon immer sehr schön, und nach dem Tod meiner Mutter vor vier Jahren fiel er mir bei der Haushaltsauflösung wieder in die Hände. Nur ein kleiner Gegenstand, auch nicht von materiellem Wert, aber für mich mit vielen guten Erinnerungen verbunden. Jetzt steht er bei mir am Fenster. Jeden Tag sehe ich ihn an und freue mich, dass ich ihn hier habe.

Gisela Eschment, Hermannsburg, Niedersachsen

 

Was mein Leben reicher macht

Meine Eltern, die sich nach über 40 Jahren Ehe offensichtlich noch so lieb haben, dass sie zu zweit auf einer 90-Zentimeter-Matratze geschlafen haben, obwohl ich ihnen (da wir kein Doppelbett haben) zwei Zimmer mit einzelnen Schlafstellen gerichtet hatte.

Petra Schmid, Köln

 

Was mein Leben reicher macht

Es ist kurz vor Mitternacht und meine 16-Quadratmeter-Wohnung platzt aus allen Nähten. Auf einmal stürzen alle auf mich zu: »Verdammt Lukas, du bist jetzt 20!« Ich werde umarmt und blicke in Gesichter, die mir bei Beginn des Studiums vor drei Monaten noch völlig fremd waren. Nun kommt es mir so vor, als hätte ich sie schon immer gekannt.

Lukas Knauer, mannheim

 

Geschöpf: Mein Wort-Schatz

Als moderne Menschen haben wir das Glück, Individuen zu sein. Wir sind frei, selbstständig und selbstbestimmt. Als Subjekte nehmen wir unser Leben selbst in die Hand, sind souverän im Denken und Handeln. Das heißt aber auch: Vereinzelung, Einsamkeit, Verkapselung in sich selbst. Wie viel Schöneres verspricht doch der Begriff Geschöpf? Ich liebe dieses Wort, weil es uns anzeigt, dass wir nicht rein aus uns selbst existieren können, sondern immer in einem größeren Zusammenhang leben, als (durch jemand oder etwas) Geschaffene. Dieser gemeinsame Ursprung stiftet die Beziehung zwischen uns.

Martin Mann, münchen

 

Gruß zum 12.12.

Beim Ordnen des Nachlasses meiner kürzlich verstorbenen Mutter fand ich diese Postkarte. Gerichtet ist sie an meinen damals 27-jährigen Großvater. 1912 verlobte er sich mit meiner späteren Großmutter, die auch die Postkarte abschickte. Es erscheint wie ein kleines Wunder, dass ich die 100 Jahre alte Karte gerade jetzt gefunden habe! Sie hat alle Kriege und politischen Umbrüche des Jahrhunderts dazwischen unbeschadet überstanden – auch den Bombentreffer auf das Haus meiner Großeltern in Magdeburg.

Anna und Gunnar Möhring, Niederndodeleben, Sachsen-Anhalt