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Was mein Leben reicher macht

»Moin«, grüßte der Gemeindebedienstete, kletterte von seinem qietschgelben Strandbulldozer und klatschte dreimal kräftig in die Hände. Und hast du’s nicht gesehen, robbte der eben noch so hilflos daliegende Heuler munter über den breiten Spiekerooger Strand in Richtung Meer. Wir Spaziergänger, die via Handy und unter Vermittlung der Polizei die Rettungsaktion mit viel Herzblut betrieben hatten, schauten nur verblüfft und sprachlos hinterher. Hatte uns der kleine Seehund etwa veräppelt? Egal. Danke allen, die unsere Sorge teilten und mit Rat und Tat unterstützten!

Christel und Jaroslav Olejar, Sexau, Baden

 

Je: Mein Wort-Schatz

Ich liebe das Wörtchen je, vor allem verbunden mit Aufzählungen. Das fällt mir immer wieder auf, besonders wenn ich am Wochenende Brötchen hole.
Der typische Dialog:
»Ich hätte gern je zwei Kraftprotz-, Rosinen- und Sechskornbrötchen.« Man hört hinterm Ladentisch die Gehirnwindungen arbeiten:
»Ein Kraftprotz?«
»Nein zwei!«
»Noch was?«
»Ja, Rosinen-Brötchen!«
»Eins?«
»Nein zwei!«
»Noch was?«
»Ja, Sechskornbrötchen!«
»Eins?«
»Neeein, zwei!!!«

Kurt-Peter Schmidt, Berlin

 

Was mein Leben reicher macht

Nach einem inspirierenden Tag auf der Frankfurter Buchmesse müde in den Sitz des Reisebusses zu fallen und die Eindrücke des Tages an sich vorübergleiten zu lassen: die vielen Menschen, die Atmosphäre, die interessanten Lesungen, der kurze Blick in ein Buch. Es bleibt die Gewissheit, nächstes Jahr wieder dabei zu sein. Aber dann mit der ganzen Familie!

Anne-Sophie Schulze, Oberkochen

 

Was mein Leben reicher macht

Dass mein Mann nach acht Jahren Fern- und Wochenendbeziehung – in zehn Jahren Ehe – einen Arbeitsplatz gefunden hat, der »nur« 50 Kilometer entfernt ist. Jetzt sehen wir uns jeden Abend und können ganze Wochenenden miteinander in unserem kleinen Haus mit Garten genießen.

Kathrin Duhsl-Schulz, Braunschweig

 

Fragen einer Goethe lesenden Frau

(Nach Bertolt Brecht, »Fragen eines lesenden Arbeiters«)

Wer schrieb den vielgerühmten »Faust«?
In den Büchern steht der Name von Goethe.
Warum gab es zu seiner Zeit kaum schreibende
Frauen?

Und den oft von Krisen geschüttelten Dichter –
Wer baute ihn so viele Male wieder auf? Bei wem
Im gastlichen Weimar suchte er Zerstreuung?
Wohin ging an dem Abend, als der »Faust«
beendet war,

Sein Schöpfer? Das kleine Weimar
Ist voller Denkmäler. Wo steht
Ein Denkmal für Goethes Geliebte?
Der gute Goethe reiste nach Italien.
Wohin reiste seine Frau?
Jedes Goethewerk ein Triumph.
Wer kochte den Festschmaus?
Goethe war ein großer Mann.
Wer bezahlte dafür?

So viele Frauen,
So viele Fragen.

Silvija Rink, Uttenreuth, Mittelfranken

 

 

Zeitsprung

Obwohl sich die zwei Bilder auf den ersten Blick überhaupt nicht ähneln, ist doch auf beiden ein und derselbe Ort zu sehen: die sogenannte »Brunst« im Böhmerwald – bis 1946 die Heimat meiner Großeltern. Meine Großmutter war erst zwölf Jahre alt, mein Großvater ein junger Mann von 20 Jahren, als sie ihren Geburtsort verlassen mussten. Beide gehörten zu den Sudetendeutschen, die nach Kriegsende ausgesiedelt wurden. Und auch wenn von ihrer Heimat nur noch ein paar alte Bäume übrig sind, pflegen sie bis heute eine tiefe Beziehung zu diesem Flecken Erde. Regelmäßig fahren sie »hoam«. Vor einigen Wochen hatten nun meine Schwestern und ich endlich die Möglichkeit, sie dabei zu begleiten. Bei dieser Gelegenheit zeigt uns unsere Großmutter (Foto unten), wo früher ihr Geburtshaus (Bild oben) stand. Für mich war und ist es faszinierend, wie man nach fast 70 Jahren noch eine solch innige Verbundenheit zu einem Ort herstellen kann, von dem man so harsch vertrieben wurde. Doch es ist wohl wahr, dass die Kindheit den Menschen am meisten prägt.

Martina Bauer, Regensburg

 

Was mein Leben reicher macht

Wenn der Mann meines Lebens mich frühmorgens, mitten in der Fußgängerzone, um ein Tänzchen bittet. »Ein Tag ohne Tanz ist ein verlorener Tag«, sagt er. Reicher kann das Leben gar nicht sein.

Sophia Fahrenkamp, Ulm

 

Mit dem Fahrrad auf Tour

(Nach Erich Kästner, »Im Auto über Land«)

An des Herbstes nassen Tagen
ist der Himmel sozusagen
wie aus grauem Packpapier.
Und er lässt von ganz weit oben
Tropfen auf uns niedertoben.
Ob er weiß, wir fahren hier?

Der Radler fühlt sich nicht gehoben,
dauernd blickt er schräg nach oben,
spricht ein lautes: So ein Mist!
Nass wird es auf allen Wegen,
nässer er von all dem Regen,
schließlich wird er Fatalist.

Wütend tritt er in die Pedale,
träumt vom warmen, trockenen Saale,
und den Pedalen geht es schlecht.
Wir schließen mit dem Sturm Bekanntschaft,
erblicken gar nichts von der Landschaft.
Und der Landschaft ist es recht.

Uns’re Wut nach Kräften pflegend
und uns rhythmisch fortbewegend,
strömen wir durch das Revier.
Manchmal meldet sich der Magen,
und wir hör’n uns alle sagen:
»Warum sind wir denn nur hier?«

Im Hotel dann angekommen,
wird ein Essen eingenommen,
und das Fahrrad ruht sich aus.
Bedröppelt schauen wir nach draußen,
sehen dort das Wetter hausen,
und morgen müssen wir wieder raus.

Gerd Hupfeld, Eschwege, Hessen

 

Was mein Leben reicher macht

Mein über 80 Jahre alter Nachbar, der sich ausgiebig Zeit lässt, seine Leiter am Apfelbaum zu positionieren (dabei jede Hilfe ablehnt), dann sehr behutsam hochklettert, nach einer gefühlten Ewigkeit wieder absteigt und strahlend das Paar Äpfel in seiner Hand betrachtet.

Matthias Kempf, Herzogenaurach