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Was mein Leben reicher macht

Neulich fuhr ich mit dem Fahrrad erst zum Schwimmen, dann zum Einkaufen. Die Taschen waren gut gefüllt, plötzlich hatte das Hinterrad einen Platten … Ich schob wohl zwei Kilometer, da fragte hinter mir eine Stimme, ob ich Hilfe brauchte: ein älterer Herr auf einem Fahrrad mit einer Satteltasche voller Equipment! Ich danke dem Unbekannten – und fahre künftig auch nur noch mit Werkzeug an Bord.

Barbara Baartz, Rastede, Niedersachsen

 

Was mein Leben reicher macht

Abends an der Tankstelle im Dorf Diesel getankt, Preis: 1,45 Euro/ Liter. Am anderen Morgen bei der Fahrt zur Arbeit den aktuellen Preis erblickt: 1,53 Euro/Liter.

Johann Steinweg, Düren

 

Was mein Leben reicher macht

Am Rückgabeautomaten für Pfandflaschen stehe ich mit meinen beiden Flaschen hinter einem jungen Mann in Schlabberjeans und Schirmmütze. Er hat einen ganzen Sack leerer Flaschen dabei. Plötzlich dreht er sich um. »Ey komm, isch lass disch vor«, sagt er. »Das ist aber nett«, antworte ich und watschle – ich bin im achten Monat schwanger – an ihm vorbei. Im Vorbeigehen grinst er mich an und sagt: »Wegen deine Bauch!«

Helena Petzold, Hamburg

 

Telegramm vom Vater

Nach dem Tod meiner Mutter vor zwei Jahren fand ich die Liebesbriefe meines Vaters. Meine Eltern schrieben sich unbekannterweise über fünf Jahre, während mein Vater in Stalingrad und später in Sibirien in Kriegsgefangenschaft war. Sie hatten sich vorher kein einziges Mal gesehen. Sie waren sich aber sicher, dass sie füreinander bestimmt seien und eines Tages heiraten würden. Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft machte sich mein Vater todkrank zu Fuß auf den Heimweg. Allein die Liebe zu meiner unbekannten Mutter hielt ihn am Leben. In Frankfurt an der Oder gab er 1949 dieses Telegramm an sie auf: »Ich komme _ erwarte Dich _ Dein Helmut«. Sie trafen sich insgesamt drei Mal, bevor sie schließlich heirateten, sie bekamen vier Kinder und waren bis zum Tod glücklich miteinander.

Gisela Holle, München

 

Ferngespräch: Mein Wort-Schatz

Ferngespräch, das klingt nach etwas Besonderem, nach Ferne. Neulich stieß ich in einem Telefonat mit einem Freund auf dieses Wort. Er sagte zu einem Kollegen, als er mit mir telefonierte, er führe ein »Ferngespräch«. Reaktion: Verwunderung. Er wohnt im Westen, genauer in Walldorf bei Frankfurt, und ich lebe in Dresden, also im Osten. Wir necken uns gern mit den typischen Ost-West-Klischees. Erwähnen sollte ich wohl, dass wir beide zur Zeit der Wende um die zwölf Jahre alt waren. Heutzutage telefoniert man mit Flatrate sonst wohin und macht sich keine Gedanken mehr darüber. Aber in unserer Kindheit sah das noch anders aus. Gerade in der DDR gab es nur in wenigen Haushalten ein Telefon. Und so war es an der Tagesordnung, dass man als Telefonbesitzer Besucher hatte, die kamen, nur um ein Ferngespräch zu führen.

Marlen Arnold, Dresden

 

Was mein Leben reicher macht

Ich jobbe in einem Eisladen. Wegen der langen Schlange vor der Tür ist das ziemlich anstrengend, aber es gibt auch viel Schönes zu erleben, vor allem weil die Kinder immer so unglaublich glücklich aussehen, wenn sie endlich ihr Eis in Händen halten. Ein Junge bringt mich dabei regelmäßig zum Schmunzeln, weil er mit großem Ernst stets die gleiche Sorte bestellt. Und dann war da noch die Dame, die an einem heißen Tag ein Eis für ihren Hund kaufte …

Josefine Braunbeck, Berlin

 

Zeitsprung

100 Jahre liegen zwischen den beiden Fotos. Das obere zeigt die »Restauration« meines Urgroßvaters, der links neben der Treppe zu sehen ist. Nach seiner Müllerlehre und den Wanderjahren hatte er 1912 beschlossen, als Gastwirt tätig zu sein, und zog, frisch verheiratet, nach Oberhammer in Lothringen, um das Bahnhofslokal zu betreiben. Doch der Ausbruch des Ersten Weltkrieges durchkreuzte seine Pläne. 1914 konnte er Frau und Kind noch ins Badische schicken, er selbst wurde interniert. Das alte Bild hängt bei meinen Eltern im Wohnzimmer, und wir haben uns immer wieder gefragt, ob es diesen Ort noch gibt und ob das Haus die Kriege überdauert hat.

Vor Kurzem haben wir herausgefunden, dass Oberhammer heute La Forge heißt und in der Nähe von Sarrebourg liegt. Dort stießen wir auf einen Mann, der uns die Existenz des Weilers bestätigte mit dem Hinweis, es gebe dort allerdings nur ein einziges Haus. Als wir in La Forge ankamen, erblickten wir tatsächlich das Haus meines Urgroßvaters. Enkelin (76) und Urenkelin (43) ließen sich fotografieren.

Susanne Mautz, Mannheim

 

Was mein Leben reicher macht

In einer Kirche in Ostfriesland in einem Besucherbuch mit krakeliger Kinderschrift zu lesen: »Lieber Gott! Mach doch bitte, das alle Kinder Frieden kriegen. Und auch die Kinder, die fon den ihren Eltern nicht lieb gehabt werden, das die Frieden haben in Herzen und das das nicht mehr weh tut, weil du da bist und die doll lieb hast. Deine M. und K.«

Jörg und Gunda Kuebart, Untergruppenbach bei Heilbronn

 

Was mein Leben reicher macht

Es ist schon ein Ritual. Freitags im Fitnessstudio: Zwischen zwei Bauchmuskelübungen gehe ich in die Ecke, wo die ZEIT hängt. Dort lese ich diese wunderbarste aller Kolumnen. Nirgends gibt’s so gute Antworten auf die große Sinnfrage. Seelisch gestärkt mache ich weiter.

Martin Sobanski, Lübeck