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Was mein Leben reicher macht

Nach vier Monaten, in denen einiges in unserer Beziehung schiefgelaufen ist, wieder fast jeden Abend liebevoll an die große Liebe meines Lebens zu schreiben. Mit der Gewissheit im Herzen, dass ich nur mit ihr vor dem Kamin im Haus in der Provence liegen will.

Martin Postel, Darmstadt

 

Was mein Leben reicher macht

In der Kölner Philharmonie, die letzten Töne der Eroica sind verklungen. Die Konzertreihe ist zu Ende. Fortsetzung (leider erst) im November. Die Nachbarin zur Rechten wünscht mir eine gute Heimfahrt. Die Dame zur Linken sagt: »Na dann, einen schönen Sommer! « Musik verbindet!

Sebastian Hahn, Remscheid

 

Söller: Mein Wortschatz

Nicht der Speicher, nicht der schick ausgebaute Dachboden, nein: der Söller ist der Ort meiner Kindheit, auf dem ich mit meinem Bruder in den fünfziger Jahren eintauchte in eine andere Welt. Schummrig beleuchtet durch nur eine kleine Dachluke und eine am Dachfirst pendelnde Glühbirne, unheimliche Ecken unter der Dachschräge, Spinnweben und Staub, ein leichter Duft von Mottenkugeln und Muff: Dort war das Refugium der abgelegten Dinge, von denen sich meine Eltern in der Nachkriegszeit nicht trennen konnten. Regale mit alten Büchern, Zeitschriften, Poesiealben in alter, unlesbarer Schrift, Pappkartons voller welliger, nicht eingeklebter Schwarz-Weiß-Fotos, Schubladen mit Krimskrams; nicht zu vergessen ein alter Kleiderschrank, dessen quietschende Türen uns den Blick auf alte Kleider, Hüte und Taschen öffneten, mit denen wir uns gern verkleideten. Der Söller war für mich ein heimeliges Eintauchen in die Vergangenheit unserer Eltern.

Johanna Gossel, Mönchengladbach

 

Was mein Leben reicher macht

Mein achtjähriger Sohn möchte Erfinder werden. Jeden Tag hat er neue Ideen, um die Welt zu verbessern. Gestern sagte er: »Ich werde einmal Panzer erfinden, die nicht schießen, sondern die anderen nur erschrecken.« Das stimmt mich sehr zuversichtlich für die Zukunft.

Cäcilia Senfter, Innsbruck

 

Was mein Leben reicher macht

Kapstadt, Anfang des Jahres, mein erster Besuch in dieser wunderbaren Stadt. Ich sitze mit meinem Freund in der Sonne am Greenmarket Square und bestelle einen Cappuccino. Der Ober reicht die Tasse meinem Freund und sagt: »Geben Sie ihr den Kaffee!« Wir schauen irritiert. Da sehe ich den Milchschaum. Da steht: »I love you darling«.

Conny Lammel, Kassel

 

Zeitsprung

1993

2011

22 Jahre hatten wir in Berlin gelebt, da wurde uns kurz nach der Wende unser Atelier in einer Fabriketage gekündigt. Schließlich fanden wir hier, am nordwestlichen Harzrand, eine neue Bleibe: ein langes, schmales Bahngrundstück mit einem ehemaligen Getreidespeicher; im vorderen Teil eine reine Industriebrache, weiter hinten mit rudimentären Resten von Weiden und alten Obstbäumen. Achtzehn Jahre lang haben wir an der Renaturierung gearbeitet, haben Vogelschutzhecken, Obstbäume, diverse Gehölze, Blumeninseln und einen Rosengarten gepflanzt – und unser Grundstück ist ein Paradies für Flora und Fauna geworden. Zum Teil ist es in ein Landschaftsschutzgebiet mit Binsenbiotop eingebunden, zum Teil grenzt es an eine Gewerbezone.

Gudrun Petzold und W. Jo Brunner, Seesen

 

Was mein Leben reicher macht

Der erste wirkliche Frühlingsmorgen. Ich bummle die Maximilianstraße in Augsburg entlang. Von fern höre ich das Glockenspiel im Perlachturm: »Winter ade!« Der Frühling kann kommen!

Jutta Frick, Großaitingen

 

Was mein Leben reicher macht

Als Bewohner eines Binnenlandes habe ich eine große Sehnsucht nach dem Meer. Deshalb fahre ich jedes Jahr an die Nord- oder Ostsee. Die Vorstellung, jeden Tag am Strand entlanglaufen zu können, sobald in ein paar Jahren auch die zweite Tochter aus dem Haus ist, wird stärker und konkreter. Was mache ich nur, wenn sich meine Frau bis dahin nicht umstimmen lässt?

Christian Georg Gruber, Korneuburg bei Wien

 

Der Glotzer

(Nach Rainer Maria Rilke, »Der Panther«)

Sein Blick ist längst vom Hin und Her der Schaltung
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Was man versprach: gediegne Unterhaltung.
Was man ihm zeigt: schlecht imitierte Welt.

Der Gang der Handlung (stets die gleichen Schritte),
der nur im allerengsten Kreise treibt,
enthält geschmacklich so viel Defizite,
dass er betäubt und ratlos sitzen bleibt.

Doch bald schon schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos zu –. Kein Bild geht mehr hinein.
So lernt er doch noch, durch Distanz und Stille,
wenn auch im Schlafe, wieder Mensch zu sein.

Bernhard Blanck, Duisburg

 

Was mein Leben reicher macht

Als Aufsatzthema bekam meine Enkelin die Frage: »Sind alte Leute langweilig?« Für Lina war die Antwort einfach. »Meine Oma«, schrieb sie, »ist nicht langweilig. Sie fährt mit uns im Parkhaus immer bis ganz nach oben.«

Ulrike Lah, Bayreuth