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Wegverzehrung: Mein Wort-Schatz

Es muss etwa 30 Jahre her sein, dass meine Kinder dieses Wort erfanden. Wir machten uns auf den Weg von Kiel nach Plön (etwa 30 Kilometer), und sie wollten einen Picknickkorb packen: »Ja, wir brauchen Wegverzehrung!«

Katrin Witzleb, Köln

 

Vom Pollen benommen

(nach Emanuel Geibel, »Der Mai ist gekommen«)

Der Mai ist gekommen, die Pollen schwirren aus.
Da bleibt, wer vernünftig, mit Kleenex zu Haus.
Wie die Wolken auch wandern am himmlischen Zelt,
es gibt kein Entrinnen in der blühenden Welt.

Der Mai ist gekommen, den Apotheker es freut:
»Oh wie lieblich und lohnend ist die Heuschnupfenzeit.«
Frischauf drum, frischauf, es blühet das Gras.
Es kribbelt, es krabbelt, es läuft manche Nas.

Der Mai ist gekommen. Du lustiger Spielmann du,
Ergreif deine Fiedel, ich nies den Takt dazu.
Und find ich keine Ruhe, so lieg ich zur Nacht
mit tränenden Augen und halte die Wacht.

Im Wind rauscht die Linde, schließlich schlafe ich ein,
und mein Traum lässt mich sacht im September schon sein.

Susanne Steinhagen, Dortmund

 

Was mein Leben reicher macht

Mein Söhnchen in der Obhut seines Papas lassen und (zum ersten Mal seit einem halben Jahr wieder) auf meinem geliebten Mountainbike radeln: eine Runde um den Circus Maximus und zurück zur Familie – fast nicht außer Atem.

Antonia Weber, Rom

 

Was mein Leben reicher macht

Montagmorgen. Ich habe nach dem Duschen das Fenster geöffnet und muss niesen. »Gsundheit!«, ruft eine mir unbekannte Stimme von der Straße herauf. »Merci!« Die Woche kann beginnen.

Carsten Knigge, Solothurn, Schweiz

 

Zampel: Mein Wort-Schatz

Ich bin in Berlin geboren, aber in Norddeutschland aufgewachsen und entwickelte eine ausgeprägte Affinität zu Hamburg, dem Hafen und den dazugehörigen Ausrüstungsgeschäften. Wir trugen schwere Dufflecoats, rauwollene Rollkragenpullover, und vor allem einen Zampel. Das war der Beutel, in dem die Schauerleute im Hafen bei der Arbeit alles Notwendige bei sich trugen – und nach Feierabend ein bisschen Kaffee, Tabak und Rum mit nach Hause brachten. Bis heute benutzen meine Frau und ich diesen Begriff für Nylontragetaschen, die wir zusammengefaltet für unvorhergesehene Einkäufe mit uns führen.

Kristian Neumann, Berlin

 

Was mein Leben reicher macht

Mein Schulfreund Paul, nach einem Gehirnschlag für lange Zeit maskenhaft erstarrt, gefesselt an Bett und Apparate. Gestern komme ich, da sitzt er im Rollstuhl, ein Leuchten geht über sein Gesicht. Ich mache Witze, was für tolle Kerle wir vor 58 Jahren im Gymnasium waren. Und Paul, oh Wunder, versteht mich. Wir lachen im Duett. Als ich gehen will, zeigt er auf einen Blumentopf, nickt energisch mit dem Kopf, ich soll ihn mitnehmen. Er, der nichts hat, will mich beschenken. Ich kann meine Freude nicht beschreiben.

Wolfgang Kitzhöfer, Diez, Rheinland-Pfalz

 

Zeitsprung: Mütter

Es kommt ja selten vor, dass gleich drei Frauen einer Familie synchron schwanger sind. Diese Situation trat bei uns 1999 ein und wurde von mir auf dem linken Foto dokumentiert. Das rechte Bild zeigt die Beteiligten (und die Insassen der Bäuche) 16 Jahre später.

Günter Pfützenreuter, Nordwalde, Nordrhein-Westfalen

 

Was mein Leben reicher macht

Am Ende unseres Abendgebetes frage ich meine Tochter (drei Jahre): »Für wen möchtest du noch beten?« Sonst kommt an dieser Stelle meist »für Oma und Opa« oder »für meine Cousine«, doch diesmal nicht: »Darth Vader«, sagt sie, »der soll auch gut schlafen.«

Robert Minge, Wendelstein, Franken

 

…erwacht stets zu neuem Leben

s86-freund-baum

Auf dem alten Göttinger Stadtfriedhof steht diese Zierkirschen-Allee, die zu einem Brunnen führt. Das steinerne Denkmal in seiner Mitte zeigt die drei Nornen (Schicksalsfrauen), die den Lebensfaden in Händen halten und schließlich abschneiden. Im Frühling erblüht diese Allee jedes Jahr aufs Neue und setzt damit zu dem grauen Denkmal einen farbigen Kontrapunkt, der erwachendes Leben und damit Hoffnung symbolisiert.

Meine Lieblingsbäume …

Hans Günter Mischkowski, Göttingen