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Die beiden

(Ziemlich frei nach Hugo von Hofmannsthal)

Sie standen an der Bahnsteigkante.
Kaum merklich er den Blick nur wandte.
Er trat sein Skateboard hin und her
und seine Kiefer malmten schwer.

Sie tippte in ihr Smartphone ein
des Tages Lust, des Tages Pein.
(Die Adressatin dieser Worte
stand zwanzig Meter von dem Orte.)

Doch als die U-Bahn scheppernd nahte,
zog er den Rücken ziemlich grade
und fragte: »Gehst du heute Fete?«
Vom Haaransatz stieg leise Röte.

Sie gab zurück: »Zu d e m Verein?
Ich müsste voll bescheuert sein!«
Dann Schweigen. Doch der Blick dabei
war ewig gleich und ewig neu.

Sylvia Börgens, Wölfersheim

 

Was mein Leben reicher macht

Unsere beiden e-bikes, mit denen wir Alten mühelos auch die steilsten Stuttgarter Anhöhen erklimmen können. Es freut uns, wenn die Mountain-Biker staunen.

Edith und Wolfgang Sorke, Stuttgart

 

Was mein Leben reicher macht

Ich bin ein junger Vater. Meine Tochter, fast noch ein Säugling, sitzt bei mir auf dem Schoß vor dem Fenster. Wir blicken in den Garten. Ich wiege sie und singe ihr Kinderlieder vor. Eifrig »singt« sie mit. Und alles ist gut. – Das war vor fast 30 Jahren. Heute sitzt mein Enkel auf meinem Schoß. Der Garten von damals ist ein anderer. Aber sonst hat sich eigentlich nichts verändert. Gut, dass es Dinge gibt, die bleiben.

Werner Niemeyer, Schöninghsdorf im Emsland

 

Straßenbild – selbst gezeichnet

® Gerhard Glück

Welch‘ eine erstaunliche Szene, die sich neulich vor unserer Haustür abspielte! Jedenfalls war ich sehr überrascht, dort den Weihnachtsmann und einen Engel anzutreffen. Dazu hatte sich eine beträchtliche Schneedecke auf die Erde gelegt, die bald darauf aber schon wieder verschwunden war. Die beiden machten in dem Moment, in dem ich sie entdeckte, gerade eine kleine Verschnaufpause. Wie man sehen kann, nutzte der Weihnachtsmann die kurze Ruhephase dazu, dem Engel einen Artikel aus der ZEIT vorzulesen. Dieser schien ihn fast schon zu amüsieren! Die interessante Zeitungslektüre bescherte den beiden aber sichtlich Entspannung. Ich denke, dass sie diese aber auch gut gebrauchen konnten, denn der gut gefüllte Sack, den sie da mit sich führten, war sicherlich nur der Anfang einer großen Bescherung …

Monika Lockowandt, Gehrden, Hannover

 

Zeitsprung


In einer alten Fotokiste fand ich die Schwarz-Weiß-Aufnahme, die meine 2003 verstorbene Oma als junge Frau am Frankfurter Mainufer zeigt. Meine Großmutter hatte ihre ganze Jugendzeit in Frankfurt verbracht und schwärmte später noch oft vom Radfahren auf der Bockenheimer Landstraße und dem in der Luft liegenden Kaffeeduft, von der Schirn, vom grünen Innenhof des Wohnhauses in der Marburgerstraße 23 und vom Taunus. Besonders gern ging meine Oma ins Kino am Römer: War sie drin, blieb sie einfach sitzen und sah sich den Film noch mal an. Und ständig war sie verliebt, meine Oma. Nach der Zerstörung Frankfurts zog sie über Umwege nach Sachsen und kehrte nie wieder nach Frankfurt zurück – auch wenn sie oft davon träumte. Sie wollte die Stadt so in Erinnerung behalten, wie sie einmal war. Und so war ich denn auf den Spuren meiner Oma in Frankfurt am Main unterwegs und habe gejubelt, als ich den Ort der historischen Aufnahme fand. Ich fühlte mich ihr plötzlich viel näher als an ihrem Grab in Dresden. Ein wenig habe ich mich in Frankfurt verliebt – so wie einst meine Oma.  Auch mein Schwager hat inzwischen dort Fuß gefasst, spielt Kontrabass in der Oper und fängt langsam an zu »babbeln«. Wie schön!

Stephan Bodinus, Dresden

 

Was mein Leben reicher macht

In der Fußgängerzone von Heide. Gerade noch schien die Sonne, jetzt prasselt ein Starkregenschauer vom Himmel. Alle rennen los und retten sich ins Trockene, so schnell es geht. Alle bis auf einen: Zurück bleibt ein Rollstuhlfahrer, der trotz größter Kraftanstrengung nicht schnell genug ist. Da spurtet eine junge Frau
mit Schirm zu dem Mann hin und gibt ihm Geleit. Beide lachen unter ihrem Rettungsschirm.

Gabriele Kleb, Osterrade

 

Liebe Büchergilde Gutenberg

in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als Eltern und Lehrer sich noch längst nicht vom Gedankengut der Nazis frei gemacht hatten, hast du uns Kindern mit den Büchern von Selma Lagerlöf, Kurt Held, James Krüss und anderen eine gerechte, tolerante Welt erschlossen, vielfältig und bunt, voll Lebensfreude und Völkerverständigung. Kalle Blomquist sorgte für Spannung, Lisa Tetzners Kinder aus Nr. 67 zeigten uns das
Leben in der NS-Zeit aus unterschiedlichen Perspektiven und impften uns gegen antisemitische Vorurteile, die in den fünfziger und sechziger Jahren in Deutschland nach wie vor kursierten. Immer noch voll Dankbarkeit

Barbara Hajek, Hamburg

 

Was mein Leben reicher macht

Jedes Mal wenn ich nach Hause komme, hat mein kleiner Bruder ein Geschenk für mich. So bin ich nun schon stolze Besitzerin einer Holzsphinx, einer von ihm und meinem Freund aufgenommenen CD und gestempeltem Briefpapier. Gerade sitze ich am Schreibtisch und blicke auf den besprayten Miniaturlaster, den er mir letztes Wochenende geschenkt hat. Und freue mich schon auf das nächste Mal.

Felizitas Steng, Wien

 

Kritzelei der Woche


Diese Kritzelei entstand als Gemeinschaftswerk zweier Bänke während des Französischunterrichtes, als plötzlich alle auf diesem Schmierzettel herummalten, statt nach vorn zu sehen. Man kann erkennen, was die beiden Jungs gemalt haben und was die Mädchen. Danke Frau Denzin, dass Sie uns so umgesetzt haben! Ich habe noch nie lustigere Französischstunden erlebt.

Antonia Schmidt, Dresden

 

Was mein Leben reicher macht

Seit ich vor zwei Jahren pensioniert wurde, fahre ich mehrmals wöchentlich in die Markthalle nach Hannover. Ich trinke einen Cappuccino, spaziere durch die Reihen der Marktstände, tauche ein in eine Welt der Genüsse und Gerüche – und trinke vor dem Heimfahren noch einen Cappuccino.

Reinhard Prusseit, Isernhagen