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Was mein Leben reicher macht

Dass meine 24-jährige Tochter Katharina Lust hat, mit mir drei Wochen lang mit Rucksack durch Kenia zu reisen. Ich darf aus der Nähe erleben, wie sehr sie ihrem verstorbenen Vater ähnelt. So lebt er weiter. Welch ein Trost!

Karin Hartmann, Jork

 

Was mein Leben reicher macht

Neulich an der Kasse in einem Kreuzberger Bioladen. Kunde zum Kassierer: »Grüß Gott!« Kassierer: »Oh, Besuch aus Bayern!« Pinkhaarige Tochter des Kunden: »Quatsch! Der tut nur so. Der ist aus Braunschweig.«

Herta Kinder, Berlin

 

Erfrischungsraum: Mein Wort-Schatz

Erfrischungsraum. Mein Lieblingswort bezeichnet kein stilles Örtchen, sondern eine laute Lokalität der sechziger Jahre, wo schmatzende und schwatzende Menschen in Eile – man war ja beim Einkauf oder in der Mittagspause – Bratfisch, Bratwurst oder Boullion zusammen mit blassen Toast-Dreiecken vertilgten. In späteren Zeiten wurden die Erfrischungsräume von Selbstbedienungsrestaurants und Schnellimbissen abgelöst. Auf mich als dreizehnjährige Fahrschülerin übte der Erfrischungsraum im Untergeschoss bei Karstadt auf dem Westenhellweg in Dortmund eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus. Hier begann meine lebenslange Amour fou zu »Pommes mit« (damals Mayo, heute lieber Ketchup), hier blieb zwischen Unterrichtsschluss und dem nächsten Zug nach Hause so mancher Groschen meines knapp bemessenen Taschengeldes. Und was nicht im Erfrischungsraum umgesetzt wurde, landete in der ebenfalls erinnerungsträchtigen Milchbar…

Helga Bothe, Kierspe

 

Was mein Leben reicher macht

Wenn ich donnerstags von der Arbeit komme, sitzt am S-Bahnhof Alexanderplatz manchmal ein alter Mann und verkauft Landgemüse oder wilde Blumen aus einer kleinen Kiste: ein Strauß Maiglöckchen für einen Euro fünfzig, drei Sonnenblumen für einen Euro, riesige Schmorgurken für ein paar Cent. Es bricht mir jedes Mal das Herz, wie er da im Strom der vorbeieilenden Pendler sitzt und still seine Blumen hält. Ich frage ihn, ob die Blumen aus seinem Garten sind. »Nee, die hab ick heute Morgen auf dem Feld jepflückt.« Ich nehme einen üppigen Strauß aus Mohn- und Kornblumen mit gelben Ähren und Kamillenblüten dazwischen. Ein Euro ist viel zu wenig, ich gebe ihm fünf. Da drückt er mir strahlend auch noch die restlichen beiden Sträuße in die Hand. »Feierabend! « Er packt seine Kiste, schüttet das Blumenwasser in den Ausguss, erhebt sich mühevoll aus seinem Rollstuhl und humpelt los. Danke für die Blumen!

Katharina Abels, Berlin

 

Was mein Leben reicher macht

Auf beiden Fotos geht es ums Gleiche: ums Getreidedreschen. Doch an selbst fahrende Mähdrescher war in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch nicht zu denken.  Mein Vater (auf dem linken Bild der Vierte von rechts) erinnert sich noch heute gut an die Getreideernte in seiner Kindheit: Mit ihrem »Mähdrescher« Super-Claas waren sie damals  Vorreiter im Dorf, auch wenn diese Maschine mit den heutigen Hightech-Geräten nur wenig zu tun hat. Das Gerät wurde von einem Traktor gezogen, auf dem Dreschgerät standen zwei weitere Personen, die das gedroschene Korn in Säcke abfüllten und auf dem Acker ablegten. Nach der Ernte mussten die Säcke wieder eingesammelt werden. Um wie vieles ist die  Getreideernte heute einfacher geworden! Der Fahrer sitzt in einer kühlen und sauberen Kabine, das Schneidewerk mit knapp sieben Metern Breite schafft ein Vielfaches von der damaligen Menge. Da kann sogar ein studierter Lateinlehrer wie ich (siehe Foto rechts) für eine kurze Strecke zum Mähdrescherfahrer werden.

Andreas Graf, Eichstätt, Oberbayern

 

Kritzelei der Woche

Nach einem dichten Arbeitstag in der Klinik entstand dieses Bild am Abend während einer Vorstandssitzung unseres Schweizerischen Fachverbandes für Gestaltende Psychotherapie und Kunsttherapie. Etwa drei Stunden lang habe ich meinen Stift leicht rhythmisch über die gesamte Rückseite der Einladung bewegt. Ich mag die Sicherheit in der Strichführung, die der Kugelschreiber mir dabei vermittelt. Das Zeichenspiel mit dem Kugelschreiber habe ich hier für mich (und vielleicht auch für meine kunsttherapeutische Arbeit) neu entdeckt.

Nelson Ramos Pereira, Windisch, Schweiz

 

Was mein Leben reicher macht

Nach einer wunderschönen Klettertour im Alpsteingebirge die Nacht mit meinem Seilpartner im Gebirge zu verbringen. Es ist Vollmond, die Berge rundum glänzen, und der Bergsee  liegt still vor uns. Wir übernachten im Heuschober einer Almhütte, die Tiere sind schon im Tal. Am nächsten Morgen haben wir Überraschungsbesuch: Der Bauer kommt. Nach einer  Entschuldigung sieht er davon ab, die Polizei zu rufen. Hoch lebe die Schweiz!

Ulrike Linke, Kressbronn

 

Paris ohne Erdnussbutter

Der ICE nach Frankfurt und Düsseldorf verspätet sich wegen Bauarbeiten. Bestürzung und Ärger unter den Fahrgästen. Ein junger Mann fürchtet, den Flieger zu seiner Liebsten in Paris nicht pünktlich zu erreichen. Er beschließt, seinen Koffer mit in die Flugzeugkabine zu nehmen, muss deshalb aber alles entsorgen, was ihm Probleme bei der Sicherheitskontrolle bereiten könnte – auch die wertvollen Bio-Erdnussbutter-Gläser, die sein Gastgeschenk für die Freundin sein sollten. Ich nehme die Gläser an mich, weil ich Erdnussbutter schätze, und  wünsche dem jungen Mann viel Glück. In Düsseldorf spricht mich der Verkäufer einer Obdachlosen-Zeitung an, auch er ein Erdnussbutter-Liebhaber. Die Gläser wandern in seine  Hände. Ihren Inhalt will er am Abend gemeinsam mit anderen Obdachlosen verschmausen. Er verspricht, dabei des edlen Spenders zu gedenken. Hoffentlich hat der das Flugzeug noch bekommen und – auch ohne Erdnussbuttergeschenk – ein schönes Wochenende in Paris verbracht.
Rosemarie Bast, Hilden

 

Was mein Leben reicher macht

Das allwöchentliche Sonntagsfrühstück mit unseren Kindern Klara (8), Julius (6) und Hedi (4), bei dem geredet, gelacht, gestritten, erzogen und geplant wird. Dazu meine Lieblings-Orangenmarmelade, die letzte Seite der ZEIT und die seit Jahren immer gleiche CD von Sharon Jones.

Frank ünneke, Bremen

 

Was mein Leben reicher macht

Mit meiner 81-jährigen Mutter habe ich ein paar Ferientage auf Norderney verbracht. Hier hatte sie mit meinem Vater, der vor ein paar Monaten verstorben ist, schöne, unbeschwerte Zeiten erlebt. Wir haben viel erzählt, gelacht und auch geweint. »Weiß du noch, damals …?«

Beatrix Bürger-Woltery, Würselen