Auszeiten im Kloster Stühlingen! Kochen im Küchenreich der Schwester Odwina. Sie rührt stundenlang im Marmeladenkochtopf, ich bereite das Essen für die Gemeinschaft von Brüdern, Schwestern und Gästen zu. Die Freude darüber, dass es allen schmeckt – und dass die Köchinnen beim Tischgebet gewürdigt werden.
Die Stadtbücherei hat eine einladende Kinderbuchabteilung mit Sesseln, Kissen und Spielzeug. Ein Vater hält sich dort mit seiner etwa zweijährigen Tochter auf, sie spielt mit Stofftieren. Ich sitze mit meinem Sohn einige Meter entfernt. »Papa, Nilpferd!« Die Kleine strahlt und schleppt ein großes, grünes Stoffnilpferd zu
ihrem Vater. »Nein, das ist ein Krokodil!« Der Ton ist überraschend streng. Das Kind stutzt, beharrt jedoch auf »Nilpferd«. Ich werde aufmerksam. »Das ist ein Krokodil! «, behauptet der Vater mit Nachdruck, aber ohne Humor. Das Tier ist grün, mag sein, doch ohne Zweifel ist es ein Nilpferd: plumper Körper, kurze, stämmige Beine, breites Maul, dünner Schwanz. Ein Nilpferd, aber grün. Macht ja nichts: Der kleine blaue Elefant ist ja auch ein Elefant. Stofftiere dürfen das. Das weiß auch das Kind. Der Vater weiß es nicht und setzt an, das fragend schauende Mädchen mit seinem stärksten Argument zu überzeugen: »Ich habe schon mehr Tierfilme gesehen als du, und ich weiß, wie ein Krokodil aussieht. Das ist ein Krokodil.« Er legt das Nilpferd zur Seite, nimmt seine Tochter bei der Hand, und sie gehen. Ich blicke ihnen nach. Ach, kleines Mädchen, ich wünsche dir Mut zum Widerspruch, ein Leben lang!
Frühmorgens – im Haus ist noch alles still – zur ersten Tasse Kaffee die Tageszeitung lesen. Zuerst den Lokalteil. Manchmal kommt Ärger hoch. Über kleinkarierte Politiker, Vereinsmeierei, unsinnige Verwaltungsentscheidungen. Aber gleichzeitig kommt Freude auf. Denn ich habe mir schon vor einiger Zeit vorgenommen, mich nur noch zu ärgern wenn es Spaß macht.
Donnerstagabends einen Kuchen backen, ihn freitagmorgens zur Post bringen, damit der Freund ihn am Samstag zum Geburtstag hat. Und: Es hat geklappt mit der Post!
Ein schönes Wort ist für mich selbander. Dieses fast vergessene Wort bringt die Gegensätze »(ich) selbst« und »(die) anderen« zusammen – und »band« (»verbandeln«) ist auch noch drin.
Bundesgartenschau in Koblenz. Die Fülle von allem! Blumen jeder Art und Farbe, Stauden, Gemüse, Salate, Bonsais, der Steingarten, die Schwebebahn über den Rhein. Dann die Rosen! Unbeschreiblich. »Zum Niederknien!« sage ich. Ein Mann, im Vorübergehen, bleibt stehen. »Niederknien«, sagt er, »soll man nur vor Frauen«. Er lächelt und ist weg.
Mein Schatz aus der großen Wortkiste heißt Behaglichkeit. Ach, wie wunderbar fühlt es sich an! Es ist etwas ganz anderes als Gemütlichkeit – nicht so langweilig, spießig, volkstrachtenhaft. Und es ist natürlich etwas ganz anderes als Bequemlichkeit, denn Behaglichkeit ist ein Seelenzustand und kein Sitzmöbel. Behaglich ist, wenn man sich zum Beispiel mit dem Rücken in einem großen, weichen Kissen zurechtschuckelt und den Blick auf irgendetwas Fernes oder Nahes richtet – oder eben auch nicht. Behaglich ist ganz viel Dankbarkeit, dass es einem gerade jetzt so gut geht. Für Behaglichkeit braucht es nur wenig Geld oder vielmehr fast keines. Es braucht allerdings wohl etwas Zeit, denn Behaglichkeit ist das Gegenteil von Stress. Schon der Maulwurf Grabowski schaute abends aus seinem Maulwurfslochhügel, kreuzte die Arme vor der Brust, den kleinen Bauch und die Beinchen in der warmen Erde, betrachtete die Wiese im Abendlicht und seufzte: »Wie behaglich, wie geruhsam!«
Meine amerikanische Brieffreundin lernte ihren Edward im Internet kennen. Jetzt hat sie ihn geheiratet – eine Woche nach ihrem 90. Geburtstag. Es sei ihre letzte Chance
gewesen, schrieb sie mir.
Durch seine interessante und schön bebilderte Einsendung hatte Ulrich Hartmann überzeugt: ZEIT-Reporter Stephan Lebert besuchte ihn in München und freute sich auf ein Gespräch über die langjährige Erfahrung eines ZEIT-Lesers mit seiner Zeitung. „Wenn es einen roten Faden durch den Tag gab, so war das vielleicht eine ‚Blattkritik’ an einer imaginären Referenzausgabe, die meine rund 25 Jahre mit der ZEIT zusammenfasst“, sagte Ulrich Hartmann nach dem Treffen.
Gemeinsam erinnerten sich die beiden im Münchner Hofgarten an den ein oder anderen Text, dargestellte Personen sowie Autoren. Ulrich Hartmann nutzte die Gelegenheit den Reporter über das Innenleben der ZEIT auszufragen: Wie werden in der Redaktion Themen bzw. Schwerpunkte ausgewählt, wie Gesprächspartner für Interviews? Wie gibt man den Lesern mit, dass es auch noch etwas zwischen den Zeilen zu lesen gibt? Welche Atmosphäre herrschte bei einzelnen Interviews? Wie kam der ein oder andere – insbesondere freie – Autor überhaupt mit der ZEIT in Verbindung?
So verflogen vier Stunden und Ulrich Hartmann resümierte: „Zusammen mit Autoren wie Ijoma Mangold, Wolfgang Schmidbauer, Renate Just, Herlinde Kölbl und Louis Lewitan, aber gerade auch mit Giovanni di Lorenzo, machen Sie, lieber Stephan Lebert, eine Zeitung, die das Lebensgefühl meiner Familie ziemlich gut aufgreift. Sie machen diese ZEIT aber natürlich nicht nur für uns Schwabinger, sondern auch für unsere Freunde in Hamburg, Berlin und Zürich. Und Sie würden sie auch so oder so ähnlich machen, dabei jedoch immer unverwechselbar, wenn wir eines Tages im Allgäu oder im Chiemgau leben würden – oder die ZEIT von Kalifornien aus nur im Internet lesen könnten.“