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Was mein Leben reicher macht

Die unglaubliche Lebensfreude unseres dreijährigen, schwer mehrfach behinderten Sohnes, der uns beigebracht hat, uns über Dinge zu freuen, die wir früher übersehen oder als selbstverständlich genommen haben.

Peter Seizer, Tübingen

 

Was mein Leben reicher macht

Morgens zur Post, um eine Büchersendung an mein Patenkind aufzugeben. Der Postbeamte betastet das Päckchen und freut sich, dass ich ein »gebundenes« Buch verschicke. Er hat sich gerade das Gilgameschepos, in Leder gebunden, gekauft. Wir reden über schöne Bücher und die Sintflut in den verschiedenen Mythen. Was für ein Tagesbeginn!

Monika Janßen, Nettetal

 

Eine kleine Weltreise …

… aus traurigem Anlass« hat Sabine Kröner, 56, unternommen: Nach dem Tod ihres Mannes im vergangenen Jahr wollte sie durch neue Eindrücke Abstand gewinnen. Von Buenos Aires aus ist sie per Schiff um die Südspitze Amerikas und durch die Südsee gefahren, dann ging es über Australien, Indonesien, Singapur, Myanmar und Indien bis nach Dubai und durch das Rote Meer und den Sueskanal ins Mittelmeer. Hier der letzte von Sabine Kröners wöchentlichen Berichten:

Nun geht es zügig gen Venezia, und ich nutze die letzten Seetage zu einem Resümee über mein Weltreiseexperiment: Ich habe wunderbare Menschen an Bord dieses Schiffes kennengelernt. Über ganz Deutschland und auch die Schweiz verteilt, werden wir in Kontakt bleiben. Wir haben es geschafft, hier auf engem Raum friedlich miteinander zu leben. Anderen ist das schwerer gefallen. Auch mit der Crew hatten wir das beste Verhältnis, und wenn es nötig war, sprangen wir auch mal Tischdecken und Sonnenschirmen hinterher, die der Wind über Bord zu wehen drohte. Jaqueline hat mit ihrem Strahlen jeden Morgen mein Leben bereichert. Von ihren männlichen Kollegen, den Stewards, möchte ich aber nicht sprechen. Sie sind ja nicht meine Altersklasse. Also untouchable. Und dann die Künstler an Bord: Man erlebt sie nicht nur auf der Bühne, sondern auch am gemeinsamen Tisch. Ulla, Hidden Shakespeare, Neill, wir sehen uns wieder! Trotz all dieser schönen Erfahrungen werde ich nie wieder eine solche Reise machen. Im nächsten Winter werde ich mich überwinden und wieder auf die Kapverden fliegen, die auch mein Mann so geliebt hat. Da kann ich mich frei bewegen, bei den Marktfrauen und Fischern einkaufen, nicht nur auf Busreisen in die Kulturen kurz reinschnuppern. Ich werde viele Nadeln in meine Weltkarte zu Hause stecken können, aber ich muss einsehen: Wirklich da war ich nirgends.
Ich freue mich auf zu Hause: Sommer in Heidelberg, Neckarwiese, Thermalbad, Königstuhl. Und auch mal wieder selbst kochen – und viel, viel kräftiger gewürzt als auf dem Schiff!

Sabine Kröner, zzt. 37° 24’ Nord, 20° 44’ Ost

 

Was mein Leben reicher macht

Die Gewissheit, dass es immer noch ehrliche Menschen gibt, die mein Handy auf dem weiten Tempelhofer Feld finden, sofort meine Anrufliste durchgehen und mich und mein Handy wieder zusammenführen.

Friederike Breitenbach, Berlin

 

Was mein Leben reicher macht

Nähen lernen – im Rahmen des Medizinstudiums. Das auf Effektivität getrimmte OP-Team hat Geduld, der Chirurg dirigiert meine zittrige Hand. Bei der Visite am nächsten Morgen besieht der Arzt die Wunde: »Hast du schön gemacht!« Der Patient lächelt.

Maria Kraus, Cottbus

 

Ein Gedicht! Klassische Lyrik

Die Altstadt

(nach Wilhelm Müller, »Der Lindenbaum«)

Am Brunnen vor dem Tore,
Da steht ein Parkhaus jetzt:
Doch leider, als ich komme,
Ist es schon längst besetzt.

Die alte schatt’ge Linde
ist seit Jahrzehnten tot;
Die Ampel an der Stelle,
Die zeigt fast nur auf Rot.

Am Brunnen steht geschrieben,
Dass Wilhelm Müller dort
geträumt von seiner Lieben,
Doch ist der Brunnen fort.

Der steht jetzt im Museum,
Und dieses hat heut zu.
Ade, du armer Wandersmann,
Jetzt hast du endlich Ruh.

Frieder Lauxmann, Karlsruhe

 

Was mein Leben reicher macht

Dienstagabend im Auto, Feierabendverkehr, Stau an der Ampel. Auf dem Radweg überholt uns ein Mann im Elektro-Rollstuhl, als Sozia auf der linken Armlehne eine junge Frau. Sie stützt sich auf der Rolli-Rückenlehne ab, er hat seinen Arm um ihre Taille gelegt. So viel Fürsorge – schön!

Ilka Klee, Freiburg im Breisgau

 

Was mein Leben reicher macht

Meine Eltern, die nach 50 Jahren Ehe noch streiten, sich blöd finden und Tränen miteinander lachen können, eine Kreuzfahrt einfach schrecklich fanden, nun lieber wieder eine ihrer selbst organisierten Reisen nach Neufundland machen, uns Kinder leben lassen, wie wir wollen, und nebenbei auch noch die besten Großeltern meines fünfjährigen Sohnes sind.

Verena Schulz, Grabau

 

Linde: Mein Wort-Schatz

Schon in meiner Schulzeit (wie schön ist solch eine Alliteration!) haben meine Lehrer die Liebe zur deutschen Sprache in mir geweckt. Da ging es um das, was bestimmte Konsonanten in uns auslösten, das k-alte K, das ge-m-ütliche M, das zerreißende stimmlose S, ebenso das stimmhafte S, das knarrende R, das strömende W (Wind, Welle, Wasser, Woge, Wut). Wir haben Worte gesucht, die mit diesen – und natürlich auch anderen – Konsonanten begannen. Das war schon in meiner Volksschulzeit, und diese Lehrer waren in Lehrerbildungsanstalten ausgebildet worden, nicht etwa in Universitäten. Das Wort Linde lebt heute fast nur noch in der Bezeichnung eines Laubbaumes. Wer mahnt schon, wenn ein Streitgespräch sich anbahnt: »Gelinde!« Martin Luther noch hat in der Bibel übersetzt: »Eure Lindigkeit lasset kund sein.« Fast lebenslang aber liebe ich das Wort »lind« und lasse mir Alliterationen wie in dem Gedicht von Friedrich Rückert lustvoll auf der Zunge zergehen:

Ich atmet’ einen linden Duft!
Im Zimmer stand
Ein Zweig der Linde,
Ein Angebinde
Von lieber Hand.
Wie lieblich war der Lindenduft!
Wie lieblich ist der Lindenduft!
Das Lindenreis
Brachst du gelinde!
Ich atme leis
Im Duft der Linde
Der Liebe linden Duft.

Claus Ocker, Bremen