Das pulsierende Leben in meinen beiden Jungs, fast neun und elf, wenn sie am ersten warmen Frühlingswochenende in die Isar springen und mit ihrem Hund um die Wette plantschen. Ich betrachte sie voller Bewunderung, Stolz und Ehrfurcht – nicht nur, weil sie dem eiskalten Wasser trotzen.
Zu Ostern 1991 kaufte ich meinem Sohn Christian eines von vielen bunten Spielzeugen: Was ich früher nicht hatte, sollten meine Kinder alles haben. Ich verwahre den Plastikbagger noch heute. Christian starb im Dezember vor sechs Jahren an einer Lungenentzündung, noch keine 18 Jahre alt. Hilflose Ärzte in drei Kliniken bemüh ten sich 38 Tage lang um ihn, vergeblich. Zu Weihnachten haben wir Christian damals be stattet, es war mein letzter Gang zusammen mit meiner Familie. »Das Leben geht weiter!«, sagen die Euphe misten und diejenigen, die Ostern noch im ursprünglichen Sinn zu feiern glauben. Das stimmt aber nicht. Christian hinterließ eine Leere, die nichts und niemand füllen kann.
Meine Freundin aus Japan und ich haben vor mehreren Monaten mit den Planungen ihres Besuchs in Deutschland begonnen. Durch die Ereignisse der vergangenen Wochen schreibe ich Ihr häufiger als gewöhnlich E-Mails, um mich nach ihrer Situation zu erkundigen. Ich mache mir Sorgen, verständlicherweise. Ihr selbst ginge es in Tokyo im Großen und Ganzen gut, schrieb sie, aber Verwandte haben durch den Tsunami ihr Haus verloren. In einer E-Mail von ihr las ich dann vor einigen Tagen folgende Sätze:
„…Anyway, I want to ask you. I read a newspaper about Japanese begin to receive discrimination in the world. A reason is nuclear. Do the people of the world think that the whole land of Japan was polluted? Are you not troubled if I’m going to Germany? I do not want to trouble you. Please do not be angry. I’m just worried about it. Please think about it.“
Ich war sprachlos und fand es sehr beschämend, dass meine Freundin sich offensichtlich gezwungen sah, mir eine solche Frage zu stellen. In meiner Antwort an sie habe ich ihr deutlich gemacht, dass ich es verrückt finde, dass die Deutschen derart überreagieren und dass sie natürlich bei uns willkommen ist. In ihrer Rückantwort an mich bedankt sie sich sehr rührend und beschließt ihre Mail mit den Worten „Spring has come“ (to Tokyo) und hat mir ein Foto mitgeschickt.
Auch das ist Japan im April 2011. Frühling, Hoffnung.
Von der Ambulanzschwester die Nachricht zu bekommen, dass ein Patient, den wir vor Monaten dem Tod von der Schippe gezerrt haben, den Nachsorgetermin leider verschieben musste, weil etwas anderes dringender war. Ob es auch in Ordnung sei, wenn er zwei Wochen später käme?
vielleicht sitzt du ja gerade in Kiel, lässt dir den Wind um die Nase wehen und liest diese Zeilen. Im Strandkorb sitze ich auch gerade, allerdings steht dieser nicht an der Ostsee, sondern zu Hause auf der Terrasse, und es trennen uns damit genau 537 Kilometer. Ich freue mich, wenn ich dich endlich im hohen Norden besuchen komme. Nur du und ich, wie schön das wird! »Wir gehen mit Sand in den Schuhen und Salz auf der Haut und Wind in den Haaren nach Haus« – weil der Sommer schon so nahe ist.
Nachts um vier aufzustehen, um endlich wieder Dirk Nowitzki und die Dallas Mavericks in den NBA Playoffs zu verfolgen. Und dann um halb sieben, wenn es hell wird, zufrieden wieder einzuschlafen.
Mittagspause, Besorgungen, ich hetze durch die Stadt. Eine alte Frau winkt aus ihrem Fenster Kindern einer nahen Tagesstätte zu. »Komische Alte!«, denke ich und will mich schnell unter dem Fenster vorbeiducken. Da höre ich eine Stimme: »Hallo, darf ich?« Ich sehe nach oben, und die Frau wirft mir ein Bonbon zu. »Danke für Ihr Lächeln!«, ruft sie. Und das begleitet mich nun den ganzen Tag.
In Tel Aviv traf sich ZEIT-Auslandskorrespondentin Gisela Dachs mit der Leserin Julia Oberst und deren Vater. Julia Oberst hat ihre Magisterarbeit über „Interkulturelle Kompetenz als Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen Israel und Deutschland“ geschrieben, woraus ein Buchprojekt geworden ist. Sie führt jetzt Interviews mit Deutschen, die in Israel leben. „Da war Frau Dachs genau die richtige Gesprächspartnerin“, berichtet Julia Oberst im Anschluss. „Sie hat mir mit ihren Erfahrungen mit dem modernen Israel und dessen besonderer Beziehung zu Deutschland enorm weitergeholfen.“
Auch Gisela Dachs war begeistert: „In unserem Dreier-Gespräch haben wir uns ziemlich in die Tiefe der komplexen deutsch-israelischen Beziehungen begeben. Und so konnte ich Julia – glaube ich – sehr viel bei der Arbeit an ihrem Buchprojekt weiterhelfen, mit Innenansichten, Einsichten, Analysen, Tipps, Anekdoten und sonstigen Einschätzungen. Ich war selber erstaunt, was einem bei solchen Fragen dann doch plötzlich alles einfällt. Also: ein sehr gelungenes Treffen.“
Eine neues Buch von John Irving, meinem Lieblingsautor. Der typische Geruch, wenn ich das erste Mal in dem druckfrischen Buch blättere. Die ersten zwei, drei Seiten lese ich noch in der Buchhandlung und freue mich wieder auf ein paar Stunden Lesevergnügen.