Lesezeichen
 

Eine kleine Weltreise

… aus traurigem Anlass« unternimmt Sabine Kröner, 55: Im vergangenen Jahr ist ihr Mann in den Freitod gegangen, jetzt will sie durch neue Eindrücke Abstand gewinnen. Von Buenos Aires aus ist sie per Schiff um die Südspitze Amerikas in die Südsee gefahren, über Australien, Indonesien, Singapur, Malaysia, Myanmar, Indien, die arabische Halbinsel und durch den Sueskanal geht es jetzt weiter bis nach Venedig.
Ich muss noch von dem Tag erzählen, an dem wir – irgendwo zwischen Tonga und Fidschi – die Datumsgrenze überquert haben. Wenn man das, wie wir, von Osten nach Westen tut, verliert man tatsächlich einen ganzen Tag. Auf den Dienstag zum Beispiel folgt einfach der Donnerstag. Und auf einem Kreuzfahrtschiff wie der MS Columbus nimmt man sich selbst auf die Schippe – mit einem ganz besonderen Pro­gramm für den nicht existenten Tag. Die Sehnsuchtsziele werden von der Südsee in die Ostsee verlagert, die Kreuzfahrt wird zur Butterfahrt. Die Passagiere bedienen das Personal, zu Mittag gibt es ein FdH­ Büffet, abends den Fast­Food­ Staffellauf. Die Sportanimation bietet Bänderrisse und Mus­kelabbau, als Highlight am Nachmittag gilt der Strip­Poker mit dem Ersten Offizier. Die Happy Hour wird auf den gan­zen Tag ausgedehnt, der Tagescocktail nennt sich »Lost Day«. Am Abend erwarten uns in der Lounge Lieder, die die Welt nicht braucht, anschließend eine Technoparty mit dem Ho­teldirektor am Plattenteller. Dresscode: Sportdress und San­dalen. Im Laufe des Tages gibt es darüber hinaus Wettbewer­be im kreativen Reservieren einer Sonnenliege und dem Bele­gen der ersten Sitzreihe im Bus beim Landausflug. Alle Schiffshandtücher sollen an den Stränden der Südsee zurück­ gelassen werden, für die Führung durch die Tanks und den Kamin wird leichte, weiße Kleidung empfohlen. Meine per­sönlichen Vorschläge wären noch eine Seenotübung im Pool, Topfschlagen mit dem Küchenchef, ein Jodelkurs mit dem Bordpianisten, Klopapierfalten mit der Hausdame und ein Aderlass beim Schiffsarzt. Der tägliche Gruß des Kapitäns könnte lauten: »Genießen Sie den Tag, und bleiben Sie am Leben.« Schöne Grüße nach Hamburg, Bremen und Berlin!

Sabine Kröner, zzt. 9° 47’ Süd, 137° 08’ Ost

 

Was mein Leben reicher macht

Gemeinsam mit Freunden aus dem Orchester unsere eigene Aufnahme von Mahlers zweiter Sinfonie an­zuhören. Volle Lautstärke, jeder singt seine Stimme mit, tanzt mit, schwelgt vollkommen in der Musik Nachts um drei.

Dietrich August, Freiburg

 

Zeitsprung

Diese Bilder zeigen die Ernst ­Moritz­ Arndt­ Sicht auf die Kreideküste der Insel Rügen. Erstaunlicher­weise schafft es der einzelne Baum an der Kante seit Jahren immer wieder auf unsere Familienfotos – und jedes Jahr steht er etwas schiefer da. Schon als Kinder fragten wir uns jedes Mal gespannt: »Ob wohl der Baum noch da steht?« Und auch nach 21 Jahren steigt die Spannung mit jedem Grad, um das er sich weiter neigt.

Julia Polster, Bonn

 

Wiedergefunden: Ein Gruß aus Irland

Ich freue mich über jede Ansichtskarte, die ich bekomme. Aber eine ist mir besonders wichtig, und ich habe sie bis heute aufbewahrt. Diese Karte ersetzte einen ganzen Brief, und be­kommen habe ich sie kurz nach der Wende von zwei jungen Leu­ten aus der ehemaligen DDR, Dörte und Matthias, denen ich ei­nen Zuschuss für eine Reise nach Irland gegeben hatte. Jetzt erzählten sie mir aus­führlich von ihren Eindrüken im Norden und Süden der Insel und schickten »Ein freundliches Cheerio!«. Ein kleines Kunstwerk!

Brigitte Goldschmidt, Hermannsburg, Niedersachsen

 

Was mein Leben reicher macht

Das Internetportal www.behinder­mich­nicht.de: Im Diskussionsfo­rum begegnen sich Menschen mit und ohne Behinderung unbefangen und auf Augenhöhe. Das öffnet mir immer wieder den Blick dafür, dass jeder Mensch Stärken hat und Fähigkeiten, aber auch Einschränkungen, die wir respektieren müssen.

Diane Mönch, Hamburg

 

Was mein Leben reicher macht

Mit 85 Jahren immer noch mitten­ drin zu sein, zwischen Roman, Andreas, Robert, Werner, Christi­an, Beate, Olli, Frank und all den anderen, von denen ich nur die Vornamen kenne. Was uns verbin­det? Eine Dauerkarte. St. Pauli, Millerntor­Stadion, Gegengerade, Stehplatz Nordseite. Siebzehn Heimspiele pro Saison. Siebzehn­ mal das Hochgefühl unverbissener Gemeinsamkeit. Sieg oder Nieder­ lage, erste oder zweite Liga: egal! Man jubelt, meckert, stöhnt, singt, lacht und weint zusammen, und wenn es für die »Jungs« am Ende nicht gereicht hat, dann bleibt auf jeden Fall – die Freude auf das nächste Heimspiel.

Uwe Storjohann, Quickborn

 

65 Jahre DIE ZEIT

Kulinarisch ging es vergangene Woche in Borchen zu. ZEIT-Leserin Bärbel Gettys hatte sich den Genussexperten Wolfgang Lechner gewünscht, um gemeinsam mit ihm ein mehrgängiges Feinschmecker-Menü zu zaubern. Zunächst wurden die Zutaten gemeinsam im örtlichen Bioladen eingekauft. „Dann wurde unsere simple Küchenzeile in ein Kochstudio verwandelt, in dem Wolfgang Lechner seine raffinierten Zubereitungsmethoden simultan an den vier Gängen des Menüs demonstrierte. Kochkunst im wahrsten Sinne des Wortes“, berichtet Ehemann Theo Kardel, der für die musikalische Begleitung auf dem Klavier sorgte.

Auf der Speisekarte standen Crostini mit Kabeljau, Risotto mit Totentrompeten und Lammkeule mit Polenta. Als Dessert folgte eine „Trilogie von der Himbeere“. Während die Keule im Ofen war, blieb Zeit für einen Spaziergang durch die örtlichen Produktionsstätten im sonnigen Schloss Hamborn: Kuh- und Hühnerstall, Käserei und Bäckerei. Pünktlich um 19 Uhr klingelten die geladenen Gäste, drei Freundinnen der Leserin, und ließen sich das Essen schmecken: „Das Essen war herrlich, so gemütlich, ungezwungen und einfach harmonisch. Ich koche selbst sehr gerne, auch für viele Gäste, und es war ein Genuss zu spüren, mit welcher Leichtigkeit und Liebe zu den Zutaten diese Mahlzeit zubereitet und auf den Tisch gebracht wurde. Es hat ein Stück Lebensfreude vermittelt“, berichtet Mariethres Heilos. Auch bei Birgit auf der Heiden war eine Woche später „die köstliche Mahl-ZEIT“ noch fest im Gedächtnis verankert. Was bleibt, sei „der Gedanke an einen unterhaltsamen und überaus geschmackvollen Abend im Haus Gettys“.

Und nach dem Dessert wurde um die Wette gescrabbelt: „Schon bald war man vertieft in die Vielfalt der sprachlichen Möglichkeiten aus dem wohligen Gefühl der Sättigung heraus. Um Mitternacht herum machte sich erste Müdigkeit breit und bis halb eins war die Küche wieder leer – nur das Aufräumen zog sich noch eine Weile hin“, beschreiben die Gastgeber das Ende des Abends.

Auch Wolfgang Lechner war begeistert: „Kochen und Scrabbeln, meine beiden Lieblingsbeschäftigungen an einem Abend, und das auch noch im Rahmen einer Dienstreise – da konnte nichts schiefgehen. Wen darf ich zum 70. Geburtstag der ZEIT besuchen?“

 

Was mein Leben reicher macht

Wenn ich in der Früh aus dem Haus gehe und der Star im Vogel­beerbaum in einem fast überirdi­schen und nicht enden wollenden Gesang sein neues Saisonweibchen erobert.

Georg Link, Neuendettelsau